Stadt, nicht Land,
Israelis, nicht Juden,
Hebräisch, nicht Jiddisch:
Israelis in
Berlin
von Fania Oz-Salzberger /
€ 20,80
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Ihre
Stadterkundungen scheinen Fania Oz-Salzberger auf Abwege geführt zu
haben. Denn das Resultat ihres Berlinaufenthalts als Stipendiatin
des Wissenschaftskollegs ist keine akademische Untersuchung, sondern
ein Reisebuch. In ihm geht es um die Frage: "Wie lebt es sich als
Israeli in Berlin." In einer Stadt, "die ihre jüdischen Einwohner
anlockte, veränderte und schließlich tötete". |
Für die in Haifa lehrende Historikerin
und die von ihr Befragten lebt es sich hier besser als man zunächst
annehmen möchte. Ihr Berlinbuch ist also ein freundlicher Reisebericht.
Nach ihrem Gespräch mit einem skeptischen Jürgen Habermas glaubt sich
die Autorin dafür entschuldigen zu müssen: sie stärke nicht Martin
Walsers Position. Nein, es geht tatsächlich nicht um Vergessen. Es geht
um Erinnern, aber aus einer anderen Perspektive als der gewohnten. Der
Band ist freundlich, weil er von Berlin handelt, nicht von Deutschland.
Oz-Salzbergers Perspektive ist eine urbane. Sie sieht, wie das von den
Nazis zerstörte schwule Berlin sich wie Phönix aus der Asche erhob:
"Denn die nicht den Gesetzen der biologischen Fortpflanzung unterworfene
gay nation hat einen Vorteil: Sie regeneriert sich nicht durch eigene
Nachkommen, und daher kann der eigene Tod sie nicht ausrotten."
Doch das konnte nur für sie gelten und
daher steht bei Fania Oz-Salzberger das bittere Schicksal dreier
jüdischer Kinder, die in Auschwitz umgebracht wurden, für die
Auslöschung des jüdischen Berlin. Vor diesem Hintergrund nähert sie sich
der Stadt, wobei Hebräisch der Pfeiler ist, auf dem ihr Brückenschlag
aufliegt. Eine Sprache, die interessanterweise auch die arabischen
Israelis nicht ausschließt, die sie hier trifft. Stadt, nicht Land,
Israelis, nicht Juden, Hebräisch, nicht Jiddisch: Der so gewählte Fokus
erlaubt es der Autorin ein wunderbar heutiges, spannendes Reisebuch zu
schreiben, das paradoxerweise über Nazizeit und 20er-Jahre hinweg tief
in die Vergangenheit bohren kann, ins aufklärerische Berlin des 18.
Jahrhunderts und den aufklärungswilligen Juden, die die Stadt einst
anlockte. (Brigitte Werneburg, amazon.de)
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Kurzbeschreibung - Von Berlin geht
eine Faszination aus, die bis nach Israel ausstrahlt. Immer mehr jüngere
Israelis zieht es heute in die alt-neue deutsche Hauptstadt. Geht man
dieser Faszination nach, begibt man sich auf einen Weg, der ins Zentrum
der vielfältig verflochtenen und gebrochenen jüdischen und deutschen
Geschichte führt.
Weder das Berlin der Weimarer Republik
noch die Hauptstadt des »Dritten Reichs« ist von der
historisch-imaginären Landkarte Israels wegzudenken. Tausende von
gebürtigen Berlinern sind Israelis geworden, prägende hebräische
Schriftsteller wie Lea Goldberg und S. J. Agnon haben entscheidende
Jahre in Berlin verbracht. Israel hat auch eine Berliner, eine
europäische Vergangenheit.
Die israelische Historikerin Fania
Oz-Salzberger hat ein Jahr in Berlin gelebt und sich mit den eigenen
gemischten Gefühlen wie mit denen anderer Israelis zu diesem
gleichermaßen realen und imaginären Ort auseinandergesetzt. Wie Erich
Kästners Emil, einem Helden ihrer Kindheitsbücher, entdeckt sie bei
ihrer Reise durch Berlin vieles, was ihr die eigene Welt neu erschließt,
ihre Wahrnehmung für bestimmende Momente des israelischen kulturellen
Codes schärft.
Lebendig und erhellend erzählt sie von
Begegnungen in und mit Berlin, von den Erfahrungen und
Familienerinnerungen einzelner, viele individuelle Geschichten, die eine
Welt wiederauferstehen lassen, die es nicht mehr gibt und die doch
fortwirkt – ein Erbe, das Israelis und Deutsche heute zugleich dauerhaft
verbindet und trennt.
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hagalil.com
28-04-02
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