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Sabine Aschauer-Smolik, Alexander Neunherz (Hrsg): Zivilcourage und widerständisches Verhalten.  Dagegenhalten
StudienVerlag 2006
Euro 24,90

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Dagegenhalten:
Zivilcourage und widerständisches Verhalten

Eine Rezension von Karl Pfeifer

Alfred Polgar äußerte nach 1945 die pointierte Meinung, dass es im Land Salzburg mehr Nazi als Bürger gäbe. Tatsächlich gab es viele Kontinuitäten in diesem Bundesland, aber es gab auch eine kleine Minderheit, die gegen den braunen Strom schwamm. Karl Reinthaler gehörte zu dieser Minderheit und war Anlass des vorliegenden Sammelwerks. Reinthaler wurde 1942 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt und musste mehrere Jahre im Zuchthaus verbringen. 1972 wurde er sozialistischer Bürgermeister der Gemeinde Saalfelden.

Winfried R. Garschas Eröffnungsrede über "Formen des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus 1933-1945 beinhaltet eine Beschreibung von Zivilcourage und Widerstand und wirft die Frage auf, ob  man den Widerstand eng oder breit definieren soll. Garscha geht auch auf das österreichische Opferfürsorgegesetz ein, das den Widerstandsbegriff sehr eng formulierte. Dieses Gesetz, welches bis heute einen Unterschied macht zwischen denen die einen Beitrag zur Befreiung Österreichs geleistet haben, die besser behandelt werden und diejenigen, die man hier ausgeraubt und aus dem Land gejagt hat, und die an eine Seite der österreichischen Geschichte erinnern, an die man sich nicht mehr erinnern wollte und die man, auf solche Traditionen glaubt "das erste Opfer" nicht verzichten zu können, bis heute schlechter behandelt.

Ein ehemaliger Widerstandskämpfer erklärte den Unterschied zwischen der (deutsch-)österreichischen Volksgemeinschaft und einem wirklich besetztem Land: "Er stellte einen fiktiven Vergleich zwischen zwei Personen, die 1941 oder 1942 in Paris bzw. Wien von der Polizei auf der Flucht waren und nach einem Versteck suchten, an. Der flüchtende Pariser würde wohl eher Unterschlupf finden, wenn er behauptete, er werde von der Polizei aus politischen Gründen gesucht, auch wenn er ein gewöhnlicher Dieb sei. Der flüchtende Wiener müsse sich als Dieb ausgeben, auch wenn er ein Widerstandskämpfer wäre, da er sonst auf jeden Fall denunziert würde."

Garscha geht auf das schwierige Problem der lange vertuschten Verbrechen des stalinistischen Terrors ein und beleuchtet auch die Frage der Legitimät des Widerstands und behandelt dabei die aktuelle Situation in Israel/PA. Über die von palästinensischen Selbstmordattentäter begangenen Anschläge schreibt er: "Derartige von einem militaristischen Kult der Gewalt inspirierte terroristische Aktionen delegitimieren die politischen Ziele – zwar möglicherweise (noch) nicht in den Augen der Mehrheit der unterdrückten palästinensischen Bevölkerung, wohl aber auf der für die Lösung des Konflikts letztendlich entscheidenden internationalen Ebene."

Dann aber setzt Garscha ein Gleichheitszeichen zwischen diesem Terror, der "möglichst viele Menschen auf möglichst spektakuläre Weise umbringen [will], unabhängig davon, ob es sich um Angehörige des Sicherheitsapparates oder zufällige Passanten handelt" und Israel, das "sich selbst terroristischer Methoden bedient (z.B. die gezielten Anschläge israelischer Sicherheitskräfte auf mutmaßliche Drahtzieher von Mordanschlägen auf palästinensischer Seite, um sich die Mühe von Verhaftung und Gerichtsverfahren zu ersparen)..."

In Wirklichkeit gestattet das internationale Recht während Feindseligkeiten die militärischen Führer der Gegenseite auszuschalten. Das ist ja genau das Gegenteil einer kollektiven Bestrafung, denn mit dieser Taktik versucht man den zukünftigen Terrorismus zu verhindern, wenn man die Terroristen nicht verhaften kann. Diese Taktik wurde und wird nicht allein von Israel benützt, sondern von einer Reihe von demokratischer Staaten.

Im April 2003 wurde der Anführer des palästinensischen islamischen Jihad, Mahmud Zatme mit einer Rakete getötet. Seine Organisation "verurteilte das Töten", um dann zu erklären, "Der Märtyrer war der Bauer von Bomben und Sprenggürteln die Dutzende zionistische Besatzer töteten und Hunderte verletzten" und meinte damit Kinder und Zivilisten.

Gezielte Tötungen sollen nur als Ultima ratio angewendet werden, wenn es keine Möglichkeit gibt, den Mörder zu verhaften oder festzunehmen (obwohl das Kriegsrecht dies nicht einmal verlangt, weil der Mörder ein Kriegsteilnehmer ist) wenn der Terrorist in eine gerade stattfindende mörderische Tätigkeit involviert ist und wenn die gezielte Tötung mit angemessenen Sicherheitsbedenken für unschuldige Dritte vollstreckt werden kann.

Im Gegensatz zum Terrorismus ist Verhältnismäßigkeit von entscheidender Bedeutung für jede militärische Handlung, und gezielte Tötungen sollten auch mit Hilfe dieses Konzeptes bewertet werden.

Die Frage ob die illegale NSDAP 1933 – 1938 eine Oppositionspartei oder eine terroristische Organisation war wird mit Fakten beantwortet, die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und vom Karl von Vogelsang Institut im Rahmen des Projektes "Opfer des Terrors der NS-Bewegung in Österreich 1933-1938" erforscht wurden.  Im Ständestaat gab es ca. 70.000 illegale Nazi (ab Herbst 1937 über 100.000) gegenüber jeweils rund 16.000 Mitgliedern der Partei der Revolutionären Sozialisten und der Kommunistischen Partei.

Helga Amesberger setzt sich mit Frauen im Widerstand auseinander und kommt zum Schluss: "Frauen waren nicht zuletzt aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht in führenden Positionen tätig. Dennoch wäre Widerstand – so wie er statt gefunden hat – nicht ohne die Leistungen, den Einfallsreichtum und die Risikobereitschaft dieser Frauen möglich gewesen."

Christian G. Allesch untersucht "Mutter Courage aus persönlichkeits-psychologischer Sicht". Die Arbeit von Renate Langer  befasst sich mit "Widerstand und Anpassung in der österreichischen Literatur nach 1945". Zustimmen kann man ihr, wenn sie schreibt: "Die Nachkriegsliteratur spiegelt diesen Zeitgeist wider. Die österreichische Beteiligung an den Naziverbrechen fiel der kollektiven Verdrängung ebenso anheim wie der Widerstand, den Österreicher dagegen leisteten."

Ursula Kubes-Hofmanns Thema ist "Dagegenhalten. Blickpunkt "Gendered society" im Dienste "neuer" Gesellschaftsentwürfe". Sie analysiert das Thema vom feministischen Blickwinkel: "Unbestritten handelt es sich bei der historischen Begriffsgenese des Wortes "Zivilcourage" um eine männliche Herschaftsgeschichtsschreibung seit der Antike."

Nur weil die Dramatikerin Olympe de Gouges 1791 die "Deklaration der Rechte der Frau und Bürgerin" im Jahr 1791 publizierte kann man – glaube ich – nicht vom "politische(n) Kampf der Frauen um gleiche Rechte, der durch den Code Napoleon brutal niedergeschlagen wurde" schreiben, denn eine wirkliche Bewegung zur Gleichberechtigung der Frau gab es erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Ich gehe nicht ein auf ihre Kritik an den Arbeiten von Brigitte Scheele ein. Befremdend wirkt der Vorwurf an die Regierung Schüssel: "Hier kann sogar eine Handarbeitslehrerin Wissenschafts- und Bildungsministerin werden". Man kann allerlei Kritik an Elisabeth Gehrer üben, aber ihr zu Last legen, dass sie Handarbeitslehrerin war, ist nicht fair.

Kubes-Hofmann macht es sich leicht, wenn sie behauptet in den repräsentativen Demokratien, handeln die PolitikerInnen "ihre eigene Privatmoral ab, indem sie die Rhetorik der Geschlechterdiskurse einsetzen und die "emanzipierte, europäische Frau" gegen die "unterworfene Frau des patricharchalen Orients" verteidigen." Es ist ein eigenartiger Feminismus, der nicht bereit ist auf die konkreten Probleme von Frauen, einzugehen, die mitten unter uns von ihren Familien Verhaltensweisen und Regeln unterworfen werden, die ihre Rechte verletzen und diese Frauen diskriminieren. Wenn nach einer Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts 45 Prozent der Frauen sagen, dass es ihnen wichtig wäre, dass nicht immer mehr Ausländer ins Land kommen, Ruth Beckermann zitiert wird, die in Österreich einen "Hort der Reaktion" sieht, dann sollte man doch die Ergebnisse einer solchen Meinungsumfrage wenigstens mit denen anderer europäischer Länder vergleichen und nicht gleich versuchen, sich selbst als aufgeklärt und fortschrittlich, und fast die Hälfte aller Frauen als reaktionär hinzustellen.

Kubes-Hofmann beanstandet, dass der Innenminister 2002 "wieder einmal die Bevölkerung zu mehr "Zivilcourage" aufgerufen [hat], weil "die Bekämpfung der Kriminalität nicht nur Aufgabe des Staates, sondern der ganzen Gesellschaft sei." Aber wenn in der U-Bahn ein Randalierer einen Farbigen angreift und die Leute wegschauen und nicht eingreifen, da ist Zivilcourage gefragt, und zwar ohne Anführungszeichen.

Iris Berben erhielt ein "Bambi für Zivilcourage", Grund genug für Kubes-Hofmann höhnisch zu fragen: "Worin liegt der Akt der "Zivilcourage" bei Iris Berben eigentlich? Beim Schminken für den nächsten Auftritt?"

Freilich ortet sie auch alles Übel: "Die Allianz mit der heterosexistischen und heterosexuellen Geschlechtermoral erfolgt heute überall, denn sie ist die Grundlage des patriarchalischen Kapitalismus, der heute im Gewand einer pazifizierten Männlichkeit neoliberalen Lifestyles dort erscheint, wo die "bürgerliche Respektabilität" gefragt ist."

Wie stimmt das überein mit der Tatsache, dass die Homosexuellen zuerst in den USA begonnen haben, für ihre Gleichberechtigung in der Gesellschaft zu kämpfen?

Die Arbeit von Natalia Wächter "Jugendliches Engagement in Gesellschaft und Politik" zeigt, dass es um die Jugend nicht so schlecht steht, wie das gewisse Kommentatoren behaupten, denn Jugendliche sind bei weitem mehr politisch interessiert und engagiert als ihnen zugeschrieben wird. Allerdings gibt es "mehr Bedarf an unkonventionellen Beteiligungsformen, wo nicht-hierarchische Entscheidungsstrukturen vorherrschen, sondern basisdemokratisch vorgegangen wird."

Tatsächlich fehlt in Österreich eine Basis an politischer Bildung: "Erst wenn Jugendliche wissen, welche Auswirkungen politische Entscheidungen auf ihr Leben und auf das Leben anderer haben können, werden sie sich mehr für Politik interessieren und sich in der Folge auch verstärkt aktiv in Gesellschaft und Politik einbringen."

hagalil.com 15-02-07











 

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