antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com
Search haGalil

Newsletter abonnieren
 
 
 

 


Margit Reiter:
Die Generation danach
Der Nationalsozialismus im Familiengedächtnis

StudienVerlag Innsbruck 2006
Euro 29,90

Bestellen?

Die Generation danach:
Der Nationalsozialismus im österreichischen Familiengedächtnis

Rezension von Karl Pfeifer

Das von der Zeithistorikerin Margit Reiter vorgelegte Buch ist eine Pionierarbeit, die auf lebensgeschichtlichen Interviews gründet, die sie mit Kindern von Tätern durchführte. Sie hat das Ergebnis einer mehrjährigen wissenschaftlicher Untersuchung (Habilitation) für ein breites interessiertes Publikum lesbar gemacht. Reiter beleuchtet feinfühlig und kritisch ein für die meisten Leser unbekanntes Milieu.

"Vom Schweigen und Erzählen / Der Nationalsozialismus im Familiengedächtnis" ist vielleicht eines der spannendsten Kapitel, dieser Fundgrube österreichischer Realität. Sie schreibt u.a.: "Die Nachkriegsgeschichte Österreichs liefert viele Beispiele für das Weiterbestehen eines alten und neuen Antisemitismus in der österreichischen Politik, Kultur und Gesellschaft. Dabei hat sich gezeigt, dass das normative 'Antisemitismus-Verbot' in Österreich nicht in jenem Maße 'internalisiert' wurde wie vergleichsweise in Deutschland und das es in dieser Frage kaum Diskrepanzen zwischen den politischen und kommunikativen Eliten und der breiten Bevölkerung gegeben hat. Antisemitisch eingefärbte stereotype Vorstellungen von 'den Juden' sind offenbar tief in das 'kollektive Unbewusste' der österreichischen Gesellschaft eingesickert. [...] Antisemitismus gehörte – neben Antikommunismus und/oder Antiamerikanismus – offenbar zum fixen ideologischen Repertoire der familiären Kommunikation in österreichischen Nachkriegsfamilien."

Treffsicher bemerkt Reiter nach einer Interviewpassage und Aufreihung von in diesen Kreisen gebrauchten antisemitischen Bemerkungen, von der "jüdischen Weltpresse", der "Verjudung Amerikas" oder von den mächtigen und einflussreichen "Juden in Amerika": "Auch wenn die Zahl der Juden und Jüdinnen im Nachkriegsösterreich aufgrund der unmittelbar vorausgegangenen Vertreibung und Vernichtung überaus gering war, mangelte es den AntisemitInnen offenbar nicht an potenziellen Objekten ihrer Abneigung. Insofern ist die These eines 'Antisemitismus ohne Juden' nur bedingt richtig. Vielmehr ist zu beobachten, dass gerade AntisemitInnen mit fast zwanghafter Akribie überall, sei es in Politik und Kultur oder im beruflichen und persönlichen Umfeld Juden ausfindig machen bzw. bestimmte Personen als 'jüdisch' imaginieren, selbst wenn sie nicht jüdischer Herkunft sind."

Abschließend bemerkt Reiter, "dass der Antisemitismus in den Nachkriegsfamilien sehr präsent war und niemand grundsätzlich vom Antisemitismus auszuschließen war, weder die Väter, Großväter oder Onkel, noch die Mütter oder Großmütter – Antisemitismus wirkte unabhängig vom Alter, Milieu und vom Geschlecht. [...] Und das heißt zum anderen, dass im Erinnerungsmilieu der 'Ehemaligen' der Antisemitismus zwar wesentlich offener und direkter kommuniziert wurde, dass aber auch in vielen 'durchschnittlichen' österreichischen Nachkriegsfamilien antisemitische Ressentiments und Äußerungen zum fixen Bestandteil des Familiengedächtnisses gehören."

Margit Reiter konnte eine gewisse Diskrepanz zwischen dem großen öffentlichen Interessen (bei Vorträgen, in den Medien usw.) und dem wesentlich geringeren Interesse von Seiten der Wissenschafts- und Förderungspolitik an ihrer Arbeit beobachten. Sie hat trotzdem ein interessantes, lesenswertes Buch veröffentlicht, das einem Teil einer österreichischen Generation den Spiegel vor das Gesicht hält. Sie kann wirklich nichts dafür, wenn das Bild nicht so ist, wie man sich das in einer Gesellschaft wünscht, die Jahrzehnte sich und anderen vorgaukelte "das erste Opfer" zu sein.

hagalil.com 02-11-06











 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2014 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved

ehem. IDPS (Israeli Data Presenting Services) Kirjath haJowel, Jerusalem