Eda Zoritte,
Die
verleugnete
Frau
Orgler 2002
Euro 24,00
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In dem Erinnerungsband
"Zeitgenossen über Herzl", herausgegeben von Tulo Nussenblatt,
beschreibt Rabbiner Feuchtwang aus Wien einen Besuch im Hause Herzl.
Nachdem er einige Minuten warten musste, kam er mit Frau Herzl ins
Gespräch, die sich bei ihm die Arbeitslast ihres Mannes beklagt habe, so
Feuchtwang. Bitterkeit darüber, dass er dem Haus und der Familie
verloren ginge, war aus ihren Worten zu hören. Für Feuchtwang schien
klar zu sein, dass Julia Herzl es nicht begreifen konnte, dass sich ihr
berühmter Mann so aufopferte: "Daß ein wahrhaft Großer auch Märtyrer
sein müsse, wollte sie nicht zugeben, zumal ihre Seele offenbar die
Größe der Idee und deren unabsehbare Bedeutung für die Juden der Welt
nicht erfaßte."
Es sind Erinnerungen wie diese, die
Eda Zoritte unter anderem dazu veranlasst haben, einen fiktiven Roman
über "die verleugnete Frau" zu schreiben. Die Biographie von Julie
Herzl, geborene Nachschauer, die sechzehn Jahre lang mit Herzl
verheiratet war und ihn um nur drei Jahre überlebte, ist nirgends
aufgezeichnet. Die Forschung zu Herzl selbst enthält nur wenige Hinweise
auf diese Frau, die viele Zeitgenossen negativ erwähnen, als
"Stolperstein" auf Herzls sowieso schon beschwerlichem Weg.
Herzls Frau Julia im Jahr ihrer Hochzeit 1889
Foto:
Pädagogik Zentrum der Jewish Agency
Eda Zoritte benutzte beim Schreiben
des Romans Herzls Tagebücher, die wenigen Briefe an Julie, die noch
vorhanden sind, sowie das vereinzelte Archivmaterial. Die Autorin hat
viel recherchiert und sicherlich große Mühe damit gehabt. Die übrige
Geschichte hat sie fiktiv hinzugefügt. Schade, dass das Ergebnis eher
ernüchternd bleibt, denn die Handlung erscheint allzu künstlich
erschaffen.
Zoritte wendet einen Kniff an, der
Julie Herzl lebendiger erscheinen lässt, sie lässt sie ganz einfach
nicht sterben. "Wir haben jetzt Ende März 1908, das heißt, seit meinem
angeblichen Tod sind vier Monate vergangen. Ich schreibe diese Dinge in
meinem Zimmer im Sanatorium für Nervenkranke im Bezirk Westchester im
Staat New York. Hier werde ich – das Opfer eines niederträchtigen Plans
– gegen meinen Willen festgehalten", eröffnet die Autorin den Roman aus
der Perspektive von Julia Nasch alias Julie Herzl/Naschauer. Geschrieben
sind diese Sätze auf einigen Blättern, die im Nachlass von Herzls Frau,
zusammen mit Tagebüchern aus den Jahren 1922-25 gefunden wurden. Mit
diesem fiktiven Kniff ermöglicht Zoritte Rückblicke in die Zeit der
Ehejahre mit Theodor Herzl, wie auch die Entwicklung der Person Julia
Nasch in ihrem neuen Leben.
Leider wirken viele Details der
Geschichte überzogen, sei es die aufwendige Geschichte um Julie Herzls
angeblichen Tod, der in Wirklichkeit verdeckte, dass sie die
Zionistische Bewegung loswerden wollte und gewaltsam nach Amerika
schaffen ließ, oder seien es die detaillierten Beschreibungen aus Julie
Herzls Sexualleben, das sie mit ihrem Gatten nicht ausleben konnte.
Trotzdem, Eda Zorittes Roman bietet
interessante Einblicke in die reale Biographie Herzls, und zeugt von
tiefgründiger Auseinandersetzung mit dem zionistischen Führer. |