Deutsch-jüdische Vergangenheit:
Der Judenhaß als Herausforderung
Seit 1945 führt bei der Darstellung deutscher und
deutsch-jüdischer Geschichte am Thema des Judenhasses kein Weg mehr
vorbei. Auch wenn bis 1933 für Juden und ihre deutsche Umwelt der
Judenhass keineswegs im Mittelpunkt ihrer Beziehungen und ihres
Selbstverständnisses stand, machte das schreckliche Ende des deutschen
und europäischen Judentums im "Dritten Reich" den Haß auf die Juden zum
Angelpunkt des historischen Rückblicks.
Und weil 1945 nicht zum "Ende der Geschichte" geworden
ist, behält dieser Angelpunkt seine Aktualität bis heute bei. Er ist das
Thema von Moshe Zimmermanns neuem Buch zur deutsch-jüdischen
Beziehungsgeschichte.
Juden, die vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert in
Deutschland lebten, wurden nach und nach zu deutschen Juden, bis ihnen
das nationalsozialistische Regime 1933 diese Bezeichnung absprach. Die
Prozesse der Emanzipation und Integration, die aus Juden in Deutschland
deutsche Juden machten, veranlassten die dieser Entwicklung reserviert
gegenüberstehenden Kräfte, ihren Judenhaß zu modernisieren bzw. den
jeweils neuen Zeitumständen anzupassen.
So kam es zur Erfindung und Verbreitung des Begriffes
"Antisemitismus"; so wurden die wirtschaftlichen, politischen, sozialen
und kulturellen Entwicklungen zum Nährboden für neue Argumente:
Vorwürfe, Juden trügen die Schuld am Kapitalismus und am Klassenkampf
oder seien für eine "Verjudung" der Kultur verantwortlich, führen zu
neuartigen "Lösungsvorschlägen" der sogenannten "Judenfrage", an die
dann die "Endlösung" der Nationalsozialisten anknüpfen konnte.
Deutsche Juden waren gezwungen, sich mit dem Phänomen
des Judenhasses auseinanderzusetzen, wenn sie die Argumente der
Antisemiten widerlegen und den wachsenden Antisemitismus bekämpfen
wollten. So wiesen sie auf die Vorteile der Judenemanzipation für die
ganze Gesellschaft hin oder versuchten, die Auswanderung osteuropäischer
Juden von Deutschland weg nach Amerika und nach Zion - ins Land Israel -
zu lenken.
Im Zionismus entstand ihnen eine Alternative zu
Emanzipation und Integration. Die Auseinandersetzung war dabei
wesentlich von den jeweiligen Zukunftserwartungen verschiedener Epochen
bestimmt, denen in diesem
Band besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der Umstand, dass der "Antisemitismus" wie auch seine
Argumente in der Zeit nach 1945 ihre Relevanz verloren hatten, konnte
dem Phänomen des Judenhasses - auch in Deutschland - allerdings kein
Ende setzen. Und bis in die Gegenwart hinein bleibt auch die Korrelation
von Antisemitismus und Zionismus hochaktuell.
Das Buch spiegelt 25 Jahre intensiver
Forschungstätigkeit des Verfassers. Die in diesem Zeitraum in
unterschiedlichen Sprachen veröffentlichten und für diesen Band
überarbeiteten und aktualisierten Beiträge fügen sich zu einem Resümee
des Themas Judenhass.
hagalil.com
09-12-05 |