Peter Waldbauer:
Lexikon der antisemitischen Klischees
Antijüdische Vorurteile und ihre historische Entstehung
Mankau Verlag 2007
Euro 12,95
Bestellen?
Weitere Rezension zu
Lexikon der antisemitischen
Klischees
|
Sind alle Juden reich?:
Ein Lexikon erklärt und widerlegt antisemitische
Klischees
Von Frauke Klinge, Artikelagentur artur, Göttingen
Haben die Juden Jesus gekreuzigt? Waren die Juden schon immer ein
Händlervolk? Sind die Juden eine Rasse? Werden die Börsenkurse von einer
"jüdischen Hochfinanz" manipuliert? Antworten auf diese und viele
weitere Fragen gibt Peter Waldbauer in seinem Lexikon der
antisemitischen Klischees.
Der Autor, laut Klappentext in den 1990er Jahren als "freier
Börsenspekulant" in den USA tätig und Anhänger des Börsengurus André
Kostolany, legt den Schwerpunkt auf wirtschaftsgeschichtliche Themen. Er
analysiert die Klischees vom raffenden Geldhändler, dem ausbeuterischen
jüdischen Warenhausbesitzer und dem geheimen Netzwerk der jüdischen
Bankiers. Im Abschnitt "Juden im Mittelalter" erzählt er von den
Feinheiten des jüdischen Pfandhandels, dem Ausschluss der Juden aus den
Zünften und der fragilen Macht der frühneuzeitlichen "Hofjuden".
Waldbauer widerlegt kenntnisreich die Spielarten des Klischees von der
"jüdischen Weltverschwörung". Daneben bietet das Lexikon fundiertes
Wissen über die jüdische Religion und die kulturellen Traditionen des
Judentums.
Der Autor argumentiert historisch und erklärt die Stereotype aus der
besonderen Verfolgungssituation der jüdischen Diaspora, die von der
nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft seit dem Mittelalter in bestimmte
Berufe wie Lumpenhändler und Geldverleiher gedrängt worden ist. Die
Juden sind für ihn ein Volk, das fast immer auf der Flucht war und nur
bewegliche Güter mit sich führen konnte: Wissen und Geld. Hier hat
Waldbauer durchaus den Mut zum "positiven Klischee": Die Buchreligion
Judentum und die ständige Bedrohung hätten den jüdischen Geist geschult
und damit die herausragenden intellektuellen Leistungen und
kaufmännischen Talente von Juden ermöglicht.
Waldbauers Lexikon bietet eine Fülle detailreicher Informationen.
Allerdings: Wer klare Argumente gegen Holocaust-Leugner braucht oder
eine antizionistische Kritik an Israel als verkappten Antisemitismus
entlarven möchte, ist mit diesem Buch nicht so gut bedient. Die
Abschnitte zur NS-Zeit und zu "Juden und Israel" fallen im Vergleich zu
den anderen Kapiteln recht dünn aus. Wichtige Themen wie die
antisemitische Imaginierung des "jüdischen Körpers" werden nur
angedeutet.
Das Buch lässt sich wegen seiner klaren thematischen Gliederung gut
abschnittweise lesen. Wegen des Frage-Antwort-Schemas wird ein schnelles
Nachschlagen einzelner Begriffe aber erschwert und das Verweissystem ist
unübersichtlich. Die Bezeichnung Lexikon ist irreführend.
Trotz dieser Nachteile: Waldbauer gelingt es, komplizierte Sachverhalte
verständlich darzustellen. Sein Stil ist erfrischend unprätentiös. Das
Buch hat einen im positiven Sinne didaktischen Charakter, argumentiert
anschaulich und ist somit auch für jugendliche LeserInnen zu empfehlen.
hagalil.com
14-06-07 |