"Jahrbuch des Simon-Dubnow-Institut Leipzig"
DVA, München 2002.
543 Seiten
Euro 68,00
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"Die 'jüdischen Fragen' des 19. und 20. Jahrhunderts, in denen
sich Probleme von Emanzipation, Gleichbehandlung, Minderheitenrechten sowie
unterschiedliche Formen humanitärer Interventionen verschränkten, bieten für
eine neue und methodenbewusste Politikgeschichte ein weites und interessantes
Feld." Mit diesen Worten endet das "Editorial" von Dan Diner im "Jahrbuch des
Simon-Dubnow-Institut Leipzig".
Mit diesem ersten "Jahrbuch" ist Diner und seinen Mitarbeitern
ein bedeutsamer Wurf gelungen, weil das Potenzial einer "methodenbewussten
Politikgeschichte" konsequent genutzt wird. Zwei Schwerpunkte widmen sich der
"Polnischen Judenheit der Zwischenkriegszeit" sowie "Formen jüdischer
Selbstorganisation". Hinzu kommen ein ausführlicher Literaturbericht zur
Geschichte der rumänischen Juden von 1866 bis 1923 (Marina Hausleitner), eine
Forschungsübersicht des Erfurter Judaisten Andreas Gotzmann, die "politische
Konzepte der deutschen Juden im Absolutismus" analysiert. Darüber hinaus findet
sich eine erneute Lektüre des vielbeachteten Buches von Jan Tomasz Gross über
die Ermordung der jüdischen Einwohner von Jedwabne, die die Frage nach
"historischem Schreiben und der Möglichkeit von Gerechtigkeit" eindringlich
stellt (Jehuda S. Jakubowski-Jeshay).
Eine Studie von Anke Hilbrenner und Nicolas Berg geht schließlich
den unterschiedlichen Quellen, Zeugnissen und Erinnerungen nach, die den Tod
Simon Dubnows 1941 betreffen. Es ist faszinierend, den beiden Autoren auf der
Spurensuche nach den Umständen von Dubnows Lebensende zu folgen. Seit 1933 lebte
der weltberühmte Historiker in Riga, und die Nachricht seiner Gefährdung durch
die einmarschierten deutschen Truppen machte schnell die Runde in der jüdischen
Welt. Man versuchte sogar den später wegen seiner Rettungstaten ermordeten
Feldwebel Anton Schmid nach Riga zu senden, um Dubnow zu retten.
In nahezu allen Beiträgen zeigt sich, dass die Aufnahme neuer
Methoden und die resolute Verabschiedung des Paradigmas, nach dem jüdische
Geschichte ausschließlich eine Minderheitengeschichte sei, zu fruchtbaren
Ergebnissen führt. Das seit 1956 in London herausgegebene "Leo Baeck-Yearbook"
hat einen beachtlichen kontinentalen Bruder erhalten.
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