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Christine Schirrmacher, Ursula Spuler-Stegemann:
Frauen und die Scharia. Die Menschenrechte im Islam
Diederichs im Heinrich Hugendubel Verlag 2004
Euro 19,95

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Menschenrechte im Islam:
Frauen und die Scharia

Von Karl Pfeifer

Wer immer versucht – und sei es noch so sachlich – sich kritisch mit den Problemen der muslimischen Gesellschaften auseinander zusetzen, läuft oft Gefahr, als "rassistisch" oder "islamophob" abqualifiziert zu werden. Für alle Fehler und Fehlentwicklungen werden in diesen Gesellschaften gerne "Imperialismus, Kolonialismus, Zionismus" oder gar die "jüdische Weltverschwörung" haftbar gemacht. Zwei deutsche Islamwissenschaftlerinnen haben trotzdem ein Buch publiziert, das durch die Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh, der einen Kurzfilm über Gewalt gegen Frauen in islamischen Gesellschaften produzierte, noch mehr Aktualität gewonnen hat.

Die Autorinnen verallgemeinern nicht, sondern zeigen wie die Scharia im Koran, in der Überlieferung und in der Auslegung der frühislamischen Zeit, in verschiedenen Ländern, von verschiedenen Strömungen des Islam unterschiedlich interpretiert und angewandt wird. Da nach muslimischer Auffassung Gott selbst die Scharia, d.h. die islamischen nicht kodifizierten Gesetze geschaffen hat und alle Menschen Gott unterworfen sind, kann und darf es nach muslimischen Selbstverständnis keine Kritik am Koran und an der Scharia geben.

Die Autorinnen meiden jede Sensationshascherei oder Agitation. Sie stellen wohl gewisse Fortschritte in der Gesetzgebung einiger islamischer Länder fest, z.B. bei der Einschränkung der Polygamie, viel mehr aber auch gegenteilige Strömungen, die bemüht sind, eine "Reinigung" der Gesetzgebung von europäischen Rechtselementen zu erreichen, u.a. die vollständige Einführung der Scharia.

Trotz mancher Bestrebungen zur Verbesserung der Stellung der Frau wird auch in modernen islamischen Gesellschaften die Höherordnung des Mannes und seine rechtliche Bevorzugung vor der Frau als Fundament der islamischen Ehe- und Familienordnung nicht hinterfragt. Diese wird ursächlich aus dem Koran abgeleitet, insbesondere aus Versen wie Sure 4,34: "Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie bevorzugt hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen gemacht haben. Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen", oder "Die Männer stehen eine Stufe über ihnen" (Sure 2,228).

Christine Schirrmacher ist Autorin des ersten grundlegenden Teils des Buches und in den Kapiteln "Die Scharia – Gesetz des Mittelalters oder der Moderne?", "Das islamische Strafrecht und die Rechte der Frau", "Frauen im islamischen Ehe und Familienrecht" erklärt sie die Grundlagen, um dann im Kapitel "Islamische Ehe- und Familiengesetze im Einzelnen" die Bedeutung der Ehe, Unterhaltspflicht und Berufstätigkeit, die Gehorsamspflicht der Ehefrau, das Züchtigungsrecht des Ehemannes, die Polygamie, die Zeitehe, Eheauflösung und Scheidung, Unterhalt, Kindschaftsrecht sowie soziologische Aspekte wie Frauenbeschneidung, Gewalt gegen Frauen, Sexualität und Familienehre zu behandeln.

Gewalt gegen Frauen, Beschneidung, Zwangsverheiratung, Vergewaltigung, Steinigung und "Ehrenmorde" sind Phänomene der islamischen Welt, die zum Teil auf der Scharia gründen, zum anderen Teil aber auf Traditionen die nicht unbedingt mit dem Islam zu tun haben. "Ehrenmorde" gibt es nicht nur in muslimischen Gesellschaften. Auch weil die Kritik an der Scharia als Apostasie, Glaubensabfall, der mit dem Tod bestraft wird, wahrgenommen werden kann, ist die Kritik muslimischer Frauenrechtlerinnen an den bestehenden Verhältnissen eher vorsichtig und zurückhaltend. Viele muslimische Frauen erklären sich sehr zufrieden mit dem Islam und sehen die westlichen Gesellschaften als dekadent und die westlichen Frauen "häufig als ehr-, scham- und würdelos".

Die Autorin schreibt in ihrem letzten Kapitel "Die klügste Frau ist weniger wert als der dümmste Mann": "...durch die eng gefassten und bis heute überwiegend traditionell-konservativ ausgelegten Bestimmungen des in Koran und Überlieferung niedergelegten Ehe- und Familienrechts werden dem Entscheidungs-, Handlungs- und Bewegungsspielraum muslimischer Frauen Grenzen gesetzt bleiben, solange sich keine grundlegende Reform der Scharia Bahn bricht. Derzeit jedoch scheint sich in der islamischen Welt eher eine noch stärkere Definition über die Werte des Islam als eine Säkularisierung und Annäherung an den Westen abzuzeichnen."

Christine Schirmacher resümiert: "Es wird deutlich, dass dieselben Begriffe in anderem Kontext unterschiedliche Inhalte meinen können. 'Gerechtigkeit' oder 'Gleichberechtigung' sind im islamischen Kontext mit anderen Inhalten verbunden als in der westlichen Welt. Es lohnt sich mit den Normen und Werten der islamischen Welt zu beschäftigen, um die eigene und die 'andere' Kultur besser kennen und verstehen zu lernen."

Ursula Spüler-Stegemann hat den Teil Lebenswirklichkeiten zwischen Tradition und Aufbegehren verfasst. Sie unterscheidet zwischen der schweigenden muslimischen Mehrheit in Deutschland und denjenigen, die die Scharia befürworten. Mit Hilfe des Abraham-Mythos wurde versucht man ein religionswissenschaftlich nicht haltbares Konstrukt an Gemeinsamkeit zu schaffen, um "durch eine prästabilisierte, also vorher festgesetzte Harmonie" der notwenigen kritischen Debatte auszuweichen.

Die Frage ist, "wie fromme Muslime mit dem deutschen Grundgesetz und den sonstigen Gesetzen zurechtkommen, wenn für sie die Scharia die oberste, von Gott selbst gegeben Rechtsinstanz ist, der man im Konflikt mit hiesigen Regelungen unbedingt Folge leisten muss."

"Die Scharia kollidiert in entscheidenden Punkten mit den Menschenrechten":
z.B. "Die Religionsfreiheit: "Sie ist nach Koran und Scharia eine "Einbahnstraße", das heißt, alle Wege führen zum Islam hin, aber keiner führt je wieder von ihm fort. Die Sünde der Abkehr vom Islam ist mit dem Tod zu bestrafen." Allerdings gibt es Theologen, die meinen, Sühne für Apostasie ist allein Gott zu überlassen.

Deutsche Richter sehen sich fast unlösbaren Problemen gegenüber, wenn sie über scharia- und kulturbedingte Taten von Muslimen und Musliminnen zu urteilen haben. Im Kapitel Fatwa (religiöses Gutachten) wird erklärt, wie streng fromme Muslime auf ihre Fragen schariakonforme Antworten erhalten, damit sie sicher sein können, religiös richtig zu handeln. "Die Welt erschüttert hat die Fatwa des ehemaligen iranischen Staatspräsidenten Ayatollah Khomeini, die den britischen Staatsbürger Salman Rushdie wegen der Verunglimpfung des Propheten Muhammad und seiner Frauen in seinem Buch "Die Satanischen Verse" für todeswürdig erklärte."

Lehrreich ihr Kapitel "Ehrenmorde" in dem sie auch auf die Blutrache eingeht. "Die diya, das Blutgeld oder Wergeld bei nicht vorsätzlicher Tötung, dient der Entschädigung für das Opfer und kann, wenn die betroffene Seite zustimmt, auch an die Stelle der Blutrache treten. Hier gibt es genaue Regelungen: Der Blutpreis für die Frau, den ein Richter festzusetzen hat, beträgt die Hälfte, der für Christen und Juden nur ein Drittel dessen, was für einen muslimischen Mann gezahlt werden muss. Die Blutrache ist ein privatrechtlicher Akt."

Das Buch – leicht lesbar und wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht – ist ein wertvoller Beitrag für alle, die sich für Menschenrechtsprobleme im Nahen Osten und in der islamischen Welt interessieren und kann auch als Nachschlagwerk benützt werden.

Christine Schirrmacher ist wissenschaftliche Leiterin des deutschen Instituts für Islamfragen in Bonn. Sie studierte Islamwissenschaft (Arabisch, Persisch, Türkisch), Geschichte und vergleichende Religionswissenschaft. Ihre Forschungen führten sie in viele islamische Länder und sie hat mehrere Bücher zum Islam veröffentlicht.

Ursula Spuler-Stegemann lehrt als Professorin an der Philipps-Universität Marburg Islamwissenschaft, Religionsgeschichte und Türkisch. Sie studierte Orientalistik, Arabisch, Persisch und Türkisch, vergleichende Religionswissenschaft und Germanistik. Sie ist Autorin und Herausgeberin zahlreicher Publikationen zum Islam der Gegenwart.

hagalil.com 29-11-04











 

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