Unbedingt
lesenswert:
Rosenstraße – ein Buch zum Film
Von Gudrun Wilhelmy
Erfolg eines Film-Produktes, auch
in der Kunst, ist nicht (allein) inhaltlicher und formaler
Gesamtentwurf, sondern Marketing. Ein Beispiel ist der Film
"Rosenstraße" von Margarethe von Trotta. Mit einer sehr gut geplanten
Öffentlichkeits- und Pressearbeit und der Preisverleihung an Katja
Riemann auf der Biennale in Venedig, war der Film bereits bekannt bevor
er auf den Markt kam. Nach dem Film, als kluge Werbestrategie erkennbar,
ein gleichnamiges Buch aus dem Nicolai-Verlag von Thilo Wydra.
Gleich vorneweg: Das Buch ist in Layout,
Druck und Aufmachung ein richtig schönes Buch, dass gut in der Hand
liegt, Lesespaß für das Auge bietet durch ein gutes Format,
ausgezeichnete Bindung, handschmeichlerisches Papier und mit einem
ausgezeichneten Satz und Fotodruck.
Thilo Wydra, der Autor führt zum Thema
"Rosenstraße" gleich auf dem Cover seine Schwerpunkte auf: "Die
Geschichte", "Die Hintergründe" und "Die Regisseurin" und spricht damit
alle an, die mehr erfahren möchten, als der Film erzählt.
Eine Reihe von Zitaten von Zeitzeugen aus
dem Dokumentationsfilm von 1992, den Daniela Schmidts drehte
"Rosenstrasse – wo Frauen widerstanden" zeigt die Ereignisse aus dem
Blick von Beteiligten: Frauen, den Kindern und Verwandten sowie den
inhaftierten Männern. Den bislang in "privilegierter Ehe" lebenden
Paaren im Berlin 1943, jüdische Männer und nicht-jüdische Ehefrauen.
Das anschließende Interview mit von
Trotta lässt aus den nachfolgenden Zitaten erkennen, dass ihr
"politisches" Engagement für diesen Film – und genau erschien es mir in
der Pressevorführung – nicht sehr hoch einzuschätzen ist. Auf Seite 13
sagt sie "In meiner Geschichte kommt Auschwitz nicht vor" und das,
obwohl viele während der sogenannten "Fabrikaktion" Inhaftierte, nach
Auschwitz gebracht wurden und zwar die ersten am 1. März 1943, die
Aktion fand am 27. Februar statt, also zwei Tage später. Der Protest der
Frauen dauerte bis zur Freilassung der Frauen und Männer bis zum 6.
März. 1943.
1994 befasste sich von Trotta erstmalig
mit diesem Thema, dass Schlöndorff ihr vorgeschlagen hatte.. 1999, fünf
Jahre später, wurde der Stoff wieder hervorgeholt, weil "die Zeit für
die Rosenstraße jetzt vielleicht günstiger wäre als zuvor in der
"Komödien-Zeit'" und einem seit 1998 "erkennbarer Wandel im Umgang mit
der NS-Vergangenheit" (Regierungswechsel). Nun schreibt von Trotta die
dritte Fassung des Drehbuches zu diesem Film und fügt die
"Gegenwartsgeschichte in New York" mit hinzu.
Ich weiß nicht auf welchen erkennbaren
Wandel im Umgang mit der NS-Vergangenheit von Trotta anspielt, doch sie
will beispielsweise aus der Literatur wissen "das man dort (in den USA)
als Überlebender zunächst gar nicht darüber reden durfte" und meint dies
sei "ein fast ähnliches Bemühen wie bei uns" (S. 15). Von Trotta wird
nicht müde ihren Film als ein "Denkmal" für diese "Liebenden" sehen zu
wollen und sagt klar, "dass der Protest auf der Straße keine politische
Demonstration im üblichen Sinne war". Das macht sprachlos, da bis heute
"unangemeldete Ansammlungen" verboten sind und zur NS-Zeit, insbesondere
zur Zeit des Krieges, "alle Ansammlungen verboten waren". Nur von Trotta
wird wissen, warum dann der Verstoß gegen dieses Verbot nicht politisch
gewesen sein soll. Aber sie hat eben ihre Sicht auf die Dinge, auch wenn
die historischen Fakten eine andere Sicht zwingend machen: Lauthals
protestierende Frauen, sagt ein Zeitzeuge, die Lahmlegung der Strecke
der Straßenbahn-Linie-1 über mehrere Tage auf der Friedrichstraße
belegen nach meinem Dafürhalten eine eindeutige politische
Demonstration. Aus der Sicht der 68er ist die Trennung von politisch und
privat äußerst kritisch zu sehen, und wird insbesondere von Frauen bis
heute vehement angegriffen. Auch aus diesem Blickwinkel ist von Trottas
Sichtweise eine fragwürdige.
Auf Seite 17 lässt sich von Trotta
darüber aus, wie die Information die Frauen wohl erreicht hatten, dass
sie doch so zahlreich protestierten. Sie mag an den "Mundfunk" nicht
glauben, sondern sagt "Mir scheint es, als seien sie alle telepatisch
mit ihren Männern verbunden gewesen und von ihnen angezogen worden, wie
von einem Kraftfeld". Mystifizierungen sind immer gefährlich und diese
"Erklärung" hätte zur Zeit der Inquisition gereicht, um einer Anklage
der Hexerei Nahrung zu geben. Es ist ein Abbild des Nazi-Weltbildes,
dass jüdische Männer eine deutsche/arische Frau nur durch unerklärliche
Vorgänge an sich binden konnten.
Ein Anreiz für den Film sei das Thema
"Erinnerung", das sie besonders fasziniere. Nur wo wird dieses deutlich
als Subthema des Films? Alte Menschen erzählen gern von ihrer
Vergangenheit und der Tod eines nahen Menschen ruft bei den
Hinterbliebenen zurückliegende Erlebnisse wach. Ein Blick, wie
Erinnerung funktioniert ist im Film nicht erkennbar, denn diejenigen,
die sich erinnern könnten, spielen eher "Nebenrollen": Lena und Ruth.
Wie von Trotta auf Seite 20 auf die
Möglichkeit kommt, von einer "vererbten Selbstsicherheit und Disziplin"
zu sprechen, die sie bei Adligen (Lena) und sich selbst sieht,
verdeutlicht vielleicht eher ihren kalten Film-Blick auf die Ereignisse
und die Beteiligten. Was genau "Erhöhung" bedeuten soll, wenn die Frauen
in der Rosenstraße zum Protest gehen, bleibt unklar und weist wieder den
Hang zur Mystifizierung nach und nicht auf Erkenntnisse der
Vererbungslehre oder politischer Bewusstseinsentwicklung.
Am Ende des Interviews betont von Trotta
ausdrücklich, daß "Rosenstraße" weniger ein Historien- als ein
Liebesfilm sei. Im Handeln Liebende, so scheint es mir, sind im Film
zwei Personen: Lena und ihr Bruder und zwar bezogen aufeinander, die
"arischen" Personen des Films. Nur, warum dieses Thema? Um einen
Liebesfilm zu drehen? Es bleibt mir nicht nachvollziehbar.
Der historische Teil von Felix Moeller
(ab Seite 25) ist faktisch richtig und beleuchtet die Ereignisse korrekt
und reflektiert historisch nicht eindeutig belegbare Momente aus
unterschiedlicher Sicht. Nur einige wenige Zitate aus seinem "Der
Protest in der Rosenstraße. Eine Woche in Berlin des Jahres 1943" auf
Seite 25: "Die ersten Toten der mit besonderer Brutalität durchgeführten
Aktion", "über 1.500 Menschen" waren im Sammellager Rosenstrasse als
"arisch versippte", "Mischlinge" und "Juden aus sogenannten
jüdisch-deutschblütigen Mischehen" zusammengepfercht. Der 27. Februar
war ein Samstag und bereits am 1. März (Montag) verließ "der erste
Transport mit 1.700 jüdischen Gefangenen den Moabiter Bahnhof
Putzlitzstraße in Richtung Auschwitz". Wenn Frau von Trotta diese
Tatsache in ihrem Film ausklammert, dann kommt das einem "wir haben von
nichts gewusst" gefährlich nahe.
Moeller macht im Text sehr deutlich, dass
die arischen Ehepartner vielfach den gleichen "Rassengesetzen"
unterworfen waren wie ihre jüdischen Partner oder Partnerinnen auch. Sie
riskierten Entlassung aus dem Staatsdienst. Die Ehen bleiben häufig
aufgrund der Bedrohung kinderlos, denn die Kinderlosigkeit war ein
Kriterium für eine privilegierte Ehe. Wie komplex die rassistischen
Vorstellungen der Nazis sich in Gesetzten niederschlugen, handelt
Moeller kenntnisreich ab, gab es 1939 doch immer noch 20.454 Mischehen.
Auf Seite 39 macht Moeller das Ausmaß der Bedrohung deutlich: "Den
christlich-jüdischen Ehepaaren ... waren am Vorabend der "Fabrikaktion"
also kaum mehr geblieben als das nackte Leben". Das nannte man
privilegiert und das vor dem Hintergrund das "1942 ... die Deportationen
.. in die Ghettos und Vernichtungslager auf Hochtouren liefen" (S. 38).
Der Kontext zu Goebbels Rede am 18.
Februar "zum totalen Krieg" zum totalen Krieg" gegen Juden stellt
Moeller implizit her. Gerüchte über die bevorstehende Aktion kursierten
bereits. Unklar blieb die mögliche Folge für die sogenannten "Mischehen"
Alle waren also bereits alarmiert und von Trotta spricht von
"Telepathie".
Moeller an anderer Stelle (S. 35) "die
Zusammentreibungen (während der "Fabrikaktion") wurden oft derart brutal
ausgeführt, dass sie sogar in SS-Kreisen kritisiert wurden". Nichts
davon im Film. Von Trotta weicht in ihrem Film der Wirklichkeit aus und
verharrt auf einer Verharmlosung der Vorgänge. Auch die präzise
Schilderung der Vorgänge in der Rostenstrasse finden im Film wenig
Widerhallt. Bereits am 28. Februar stehen die ersten Verwandten in der
Rosenstrasse" obwohl jede öffentliche Versammlung im Krieg verboten war"
führt Moeller auf Seite 37 aus.
Frau von Trotta hat sich lieber in die
"Liebesgeschichte" geflüchtet, statt diese Fakten ihrem Film zugrunde zu
legen.
Zurück zum Buch. Dieses ist unbedingt
lesenswert. Dies betrifft die Ausführungen von Moeller ebenso wie die
Aussagen der Zeitzeugen. Die Filmbilder sind schmückendes Beiwerk und
machen das Buch auch für historisch weniger Interessierte sicherlich
attraktiv. Hier können wichtige Geschichtskenntnisse rund um dies
Geschehen, ein Stück Alltagspolitik und alltagspolitischer Reaktion aus
dem Zeitgeschehen nachgelesen werden. Es passt in eine Schulbücherei
ebenso wie in das private Buchregal. Dem Buch ist viel Erfolg zu
wünschen.
Zum Weiterlesen:
hagalil.com
23-10-03 |