Minka Pradelski:
Und da kam Frau Kugelmann
Frankfurter Verlagsanstalt 2005
Euro 19,90
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Minka Pradelski:
Und da kam Frau Kugelmann
Von Katrin Schuster
Zippy Silberberg ist eine seltsame Person. Nicht nur,
weil sie keinen Fisch mag. Sondern sie stattdessen lieber anderen,
eigenartigen Genüssen frönt: Zippy ist süchtig nach Gefrorenem, vor
allem gefrorenem Gemüse (in dringenden Fällen tun's auch ordinäre
Eiswürfel).
Am meisten Angst aber hat sie vor Feuer: Überall, wo sie
sich aufhält, studiert sie zuallererst eingehend und liebevoll den
Fluchtplan. So sehr sehnt sich die deutsche Nachgeborene polnischer
Juden danach, das Überleben selbst zu erleben, dass sie sogar schon
einmal absichtlich falschen Alarm ausgelöst hat. "Den Anweisungen des
Personals folgend bin ich nicht in Panik geraten, habe Ruhe bewahrt ...
und mich zusammen mit anderen gefährdeten Hotelgästen von der
eintreffenden Feuerwehr mit einer Drehleiter von meinem Balkon in
Sicherheit bringen lassen."
Doch, wie der Titel von Minka Pradelskis Roman "Und da
kam Frau Kugelmann" schon sagt: Es geht nicht nur um Zippy, sondern
mindestens in gleichem Maße um die rundliche Bella Kugelmann, die bald
nach Zippys Ankunft in Tel Aviv (wegen Erbschaftsangelegenheiten ist sie
dort) deren Hotelzimmer entert und erzählt. Und erzählt. Und erzählt.
Von ihrem Heimatort und dem jüdischen Leben dort – vor dem letzten
Krieg.
Der nachhaltigen Auslöschung menschlicher Individuen
entgegen tritt Frau Kugelmann mit ihren dutzend herrlichen Anekdoten
über den schönen Adam, die stolze Polin und Mäntel, in deren Taschen
plötzlich Geld steckt; und darüber, wie "fromme Mädchen bei uns
verdorben werden" und "dem Christengott einmal ein Schnippchen
geschlagen wurde". Zippy, erst widerständig, dann aber süchtig nach dem
Wortstrom der Bella Kugelmann, vergisst darüber ganz ihre Lust auf Kälte
und Katastrophe. Kein Wunder. Sondern die schlichte Widerstandskraft der
Worte gegen Feuer wie Eis.
hagalil.com
11-01-06 |