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Richard S. Levy (Hg.):
Antisemitism
A Historical Encyclopedia of Prejudice and Persecution

2 Bände
ABC-Clio: Santa Barbara, Denver, Oxford 2005
828 Seiten

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Vorurteil und Verfolgung:
Antisemitismus-Enzyklopädie

Von Samuel Salzborn

Der von Richard S. Levy bereits 2005 herausgegebene Band "Antisemitism. A Historical Encyclopedia of Prejudice and Persecution" ist bisher im deutschsprachigen Raum nur sehr marginal rezipiert worden, was nicht nur angesichts des ausgesprochen lobenswerten Pioniercharakters der 828 Seiten starken Enzyklopädie verwundert, sondern auch, da sich zahlreiche Einträge zu Deutschland, Österreich und der Schweiz in dem Nachschlagewerk finden.

Das Lexikon umfasst insgesamt 612 Artikel, die alphabetisch angeordnet und mit Querverweisen und ausgewählten Literaturhinweisen auf Referenzen innerhalb wie außerhalb des Werkes versehen sind. Zu den aufgenommenen Einträgen zählen ebenso Porträts von Personen, Organisationen, Bewegungen und Parteien wie von wesentlichen antisemitischen Druckerzeugnissen – von Zeitungen, über Pamphlete bis hin zu Büchern wie beispielsweise Hitlers "Mein Kampf", den "Protokollen der Weisen von Zion" oder dem "Leuchter Report".

Ferner sind in den Band Länderberichte sowie solche zu ausgewählten antisemitischen Ereignissen aufgenommen, aber auch die Vorstellung von theoretischen Überlegungen über den Antisemitismus oder wesentlichen wissenschaftlichen Strömungen, die sowohl für die Antisemitismusforschung, wie auch als Angriffs- und Projektionsfläche für antisemitische Ressentiments relevant waren und sind, wie etwa die Psychoanalyse. Auch antisemitische Stereotype – wie beispielsweise das des "Ostjuden" oder das der "Verjudung" – werden in eigenen Einträgen behandelt. Einen deutlichen konzeptionellen wie inhaltlichen Schwerpunkt des gesamten Lexikons bildet dabei der nationalsozialistische Antisemitismus und die Shoah, wie auch dessen bzw. deren Vor- und Nachgeschichte.

Der Übersichtlichkeit des Lexikons hätte es insgesamt gut getan, wenn neben der alphabetischen Ordnung der Einträge auch eine systematische Übersicht der wesentlichen Teilrubriken geboten worden wäre, also eine separate Auflistung von beispielsweise allen Zeitschriften, von allen Personen- oder Länderporträts oder auch der theoretischen Ansätze, die dargestellt werden. Dies hätte allerdings möglicherweise auch die eine oder andere konzeptionelle Schwachstelle der Enzyklopädie deutlich gemacht, die bei der rein alphabetischen Ordnung nicht auf den ersten Blick auffällt.

So findet sich hinsichtlich der Theorien über den Antisemitismus beispielsweise ein – mit Jonathan Judaken von einem ausgewiesenen Experten verfasster und inhaltlich ausgezeichneter – Eintrag über Jean-Paul Sartre, in dem neben dessen Biografie auch dessen für die theoretische Antisemitismusforschung bedeutsamen Schrift "Réflexions sur la question juive" dargestellt wird. Warum aber der an sich auch lesenswerte Beitrag über Sigmund Freud (von Istvan Varkonyi) dessen Antisemitismustheorie nicht würdigt oder andere zentralen Autor(inn)en antisemitismustheoretischer Arbeiten überhaupt nicht in die Enzyklopädie aufgenommen worden sind – zu denken wäre hier "klassisch" etwa nur an Hannah Arendt, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno oder Ernst Simmel – leuchtet indes nicht ein.

Sehr erfreulich in Bezug auf die länderspezifischen Einträge zu Deutschland ist hingegen beispielsweise, dass sowohl die Burschenschaften (von Ulrich Wyrwa), wie auch die Sudetendeutschen (von Tatjana Tönsmeyer) mit einem jeweils sehr guten Eintrag in das Lexikon eingegangen sind, wobei es wünschenswert gewesen wäre, beide Einträge nicht nur historisch anzulegen, sondern auch die Relevanz sowohl der Burschenschaften, wie der sudetendeutschen Organisationen und Ideologien in Bezug auf den antisemitischen Kontext für die Nachkriegszeit (und im Prinzip: bis in die Gegenwart) deutlich zu machen. Aber selbstverständlich muss ein Lexikon einen zeitlichen Focus wählen und damit immer auch ein- und ausgrenzen, was die historische Fokussierung bei den beiden Beispielen nachvollziehbar macht.

Besonders positiv hervorzuheben ist überdies die Aufnahme einer Reihe von Einträgen zum islamischen bzw. arabischen Antisemitismus – und damit die grundsätzliche Positionierung der Enzyklopädie auf der Höhe der aktuellen Antisemitismusforschung. Anhand des islamischen Antisemitismus zeigt sich dann (vor allem in den Beiträgen von Norman A. Stillman) der differenzierte Tiefgang des Nachschlagewerks: so wird im Eintrag über Arafat etwa darauf hingewiesen, dass sich dessen Redeinhalte je nach der Sprache (und damit: je nach Zielgruppe) seiner Reden (Englisch oder Arabisch) erheblich hinsichtlich ihrer antisemitischen Ausrichtung unterschieden haben, im Beitrag über die Hamas wird deren genuin antisemitische Zielsetzung nebst Verortung im Kontext antisemitischer Vordenker wie Sayyid Qutb herausgearbeitet oder in einem eigenständigen Eintrag die Schlüsselrolle der Muslimbrüder für den islamischen Antisemitismus betont.

Die herausgestellten Kritikpunkte sollen den Pioniercharakter des gesellschaftlich überaus wichtigen und wissenschaftlich insgesamt sehr zu begrüßenden Werkes "Antisemitism. A Historical Encyclopedia of Prejudice and Persecution" keineswegs in Abrede stellen: Levy hat mit seinem zweibändigen Lexikon einen längst fälligen Meilenstein gesetzt, von dem die Antisemitismusforschung noch lange profitieren wird und der für die weitere politische wie wissenschaftliche Auseinandersetzung wichtige Impulse gibt. Umso erfreulicher ist es, dass ein – so die Vorankündigung – konzeptionell sogar noch umfangreicher angelegtes Projekt in absehbarer Zeit auch in deutscher Sprache vorliegen und die Enzyklopädie von Levy ergänzen wird: denn das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung – von dem auch Mitarbeiter an der von Levy herausgegebenen Enzyklopädie mitgearbeitet haben – hat kürzlich ein "Handbuch der Antisemitismusforschung" angekündigt, das voraussichtlich 2008 erscheinen soll.

hagalil.com 01-03-07











 

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