Knut Kühn-Leitz (Hrsg.):
Ernst Leitz
Ein Unternehmer mit Zivilcourage in der Zeit des Nationalsozialismus
Mit einem Geleitwort von Avi Primor
Euro 12,80
CoCon-Verlag |
Ernst Leitz:
Ein Unternehmer mit Zivilcourage
Die Entscheidung von Ernst Leitz im Jahr
1924, die Kleinbildkamera Leica in Serie zu fertigen, zählt zu den großen
und erfolgreichsten unternehmerischen Entscheidungen des vergangenen
Jahrhunderts. Ernst Leitz (1871–1956) war aber nicht nur ein
vorausschauender Unternehmer. Er war ein Mann von Charakter und
Zivilcourage, der in den finsteren Zeiten des Nationalsozialismus den Mut
hatte, zahlreichen Menschen das Leben zu retten und ihnen die Möglichkeit zu
geben, im Ausland ein neues Leben aufzubauen. Aus Bescheidenheit schwieg er
darüber. Er hatte das getan, woran er glaubte: "Tue Gutes und sprich nicht
darüber."
Erst heute, einundfünfzig Jahre nach seinem
Tod, wird seine Geschichte veröffentlicht. Nachdem die Financial Times, Le
Monde und El Mundo einzelne Beispiele der Hilfsbereitschaft von Ernst Leitz
publiziert haben beschreibt der Rabbiner Frank Dabba Smith in einem im
Hanauer CoCon-Verlag erschienen Buch Schicksale von über 70 Personen, die
mit Hilfe von Ernst Leitz während der Alptraumjahre 1933–1945 entweder ein
neues Leben im Ausland beginnen oder als politisch Verfolgte aus den Fängen
der Gestapo befreit werden konnten.
Die Fürsorge von Ernst Leitz galt insbesondere
Juden, die weder Geld noch Kontakte im Ausland hatten. Aber er setzte sich
auch für andere ein, die durch die Nationalsozialisten in Not geraten waren,
unabhängig davon, ob sie eine Geschäftsbeziehung zu seinem Unternehmen
hatten. Bis zum Kriegsausbruch belieferte er Auslandsvertretungen, deren
Eigentümer jüdischer Herkunft waren, obwohl dies auf erheblichen Protest der
Machthaber stieß. Er ermöglichte jungen Juden eine Ausbildung in der "Leica
Schule" oder eine Lehre bei Leitz. Fotohändler, die als rassisch Verfolgte
zur Emigration gezwungen waren, erhielten Empfehlungsschreiben für die
Verkaufsniederlassungen im Ausland. Andere unterstützte er finanziell bei
ihrer Ausreise, schenkte ihnen eine Leica Ausrüstung oder bezahlte die
Schiffspassage. Sie wanderten nach Rio de Janeiro, São Paulo, Miami oder
Haifa, schwerpunktmäßig aber nach New York und London aus. Die dortigen
Leitz-Filialen nahmen die Flüchtlinge auf Veranlassung von Ernst Leitz auf,
um ihnen sofort eine Erwerbsmöglichkeit zu bieten.
"In den Nachkriegsjahren wollte sich kaum
jemand an einen Ernst Leitz als liberal gesinnten Regimekritiker und
humanitär handelnden Unternehmer erinnern", schreibt Avi Primor in seinem
Vorwort zu diesem Buch. "Das ist nicht überraschend, denn damals wurde die
Nazizeit verschleiert, vertuscht und verdrängt. Menschen, die ihre
gesellschaftliche Position, ihren Beruf, ihr Vermögen, ihr Ansehen, ja ihr
Leben und das Leben ihrer Familie riskiert hatten, um Verfolgten des
Naziregimes zu helfen, machten kein Aufhebens um das, was sie getan hatten.
Die Deutschen, die Verfolgten geholfen hatten, blieben aus Angst vor der
Reaktion ihres Umfeldes im Schatten. Die Mehrheit, wenn sie nicht immer noch
von Nazierziehung oder Nazipropaganda geprägt war, zog es vor, diese Zeit
totzuschweigen."
In dem mit zahlreichen Abbildungen und Briefen
versehenen Buch werden die bewegenden Schicksale dieser Menschen für die
Nachwelt erhalten. Es soll junge Leser ansprechen, die sich kaum eine
Vorstellung von dem Grauen der damaligen Zeit machen können und zeigen, dass
es Deutsche gab, die sich vorbehaltlos für die Verfolgten eingesetzt.
Am 22. April fand im Paul-Arnsberg-Saal der
Henry und Emma Budge-Stiftung
eine Lesung des Buches statt. Auf dem Foto sind v. l. Heinz Rauber, der
Geschäftsführer, Dr. Knut Kühn-Leitz, der Enkel, Rabbiner Frank Dabba Smith
und der Rabbiner der Budge Stiftung Andrew Steiman zu sehen.
hagalil.com
28-04-08 |