Luftfrauen:
Der Mythos einer jüdischen Frauenidentität
Rezension von Karl Pfeifer
Charlotte Kohn ist nicht nur eine begnadete Malerin,
wovon sich die Leser des auch von ihr illustrierten Buches "Luftfrauen"
überzeugen können, sondern kann auch gut zuhören. Ihr Buch ist ein wichtiger
Beitrag zum Verständnis des Schicksals von jüdischen Frauen, die selbst die
Shoa erlebten und anderer, die zur zweiten Generation gehören und noch immer
unter den Folgen leiden.
Sie schreibt: "Achtzehn dieser Tonbandaufzeichnungen
wurden von mir transkribiert und redigiert, sie stellen in ihrer Kurzform
spannungsgeladene Lebensbeschreibungen dar. Das Leben sämtlicher Frauen, die
sich mir für ein Interview zur Verfügung stellten, hat eine gemeinsame
Prägung durch die Shoa. Selbst Frauen, die rechtzeitig fliehen konnten oder
erst nach 1945 geboren wurden, sind durch diesen Zivilisationsbruch
traumatisiert. Die Folgeerscheinungen einer solchen extremen Ausgrenzung,
der völlige Verlust jedes Menschenrechts bis hin zur Vernichtung sind
katastrophal."
Alle ihre Interviewpartnerinnen sind extreme
Individualistinnen, hinter jeder stehen leidvolle Erfahrungen und
Enttäuschungen. Manchen jüdischen Frauen ist es – ohne große Lebenslügen –
gelungen, ihren Platz in der Welt zu finden. Viele von ihnen sind
"Luftfrauen" geworden, sie befinden sich noch auf der Suche nach einer
geistigen und geografischen Heimat.
Mit dem Untertitel "Der Mythos einer jüdischen
Frauenidentität" bringt es Charlotte Kohn auf den Punkt. Diese Identität –
so die Autorin – gibt es nicht.
hagalil.com
15-05-06 |