Besprechung des Buchs "Blumenstraße 22", von Rubik Rosenthal |
Das Lied des vergessenen
deutschen Judentums:
Etwas ist in uns verstummt
Aus einem Beitrag von Abraham Burg zur Literaturbeilage
der Tageszeitung Haaretz
Gott ist mein Zeuge: ich wollte diesen Artikel , wie ich
es immer mache, sofort schreiben, nachdem ich das Buch zu Ende gelesen
hatte. Ich wollte, konnte aber nicht. Eine große und dicke Wand
blockierte die Verbindung zwischen der Hand und der Tastatur. Nicht
wegen des Buchs, nicht wegen der Geschichte, auch nicht wegen des
Autors. Wegen etwas in meinem Inneren.
Die Geschichte der Familie Rosenthal ist völlig anders als
die Geschichte der Familie meines Vaters, und dennoch handelt dieses
Buch von mir und von uns, bis hin zu einer persönlichen, schmerzhaften
und lähmenden Berührung. Bis wir dann vor drei Wochen zu dritt
zusammensaßen. Drei Israelis, die aus verschiedenen und entfernten
Welten stammen. Ein Kibbuznik, ein Sohn von Einwanderern aus Deutschland
der 30-er Jahre, eine "Sabre" und Tochter eines berühmten Offiziers und
ich, ein Sohn des nationalreligiösen Zionismus Deutschlands und Eretz
Israels.
- Papa hat uns nicht geküsst, sagten wir.
- Warum, wegen des Holocaust? fragte sie.
- Nein, lachten wir. Einfach so, wegen Deutschland.
So löste sich der Korken und ich konnte schreiben. Denn
besser als ich beschreibt es Rubik Rosenthal mittels einer der Frauen in
seiner Geschichte:
"-Es fehlt mir der Mensch selbst, aus Fleisch und Blut. Mein Vater...
Sein ganzes Leben lang hat er sich um die Menschheit gekümmert, und
nicht ein einziges Mal hat er mir einen richtigen Kuss gegeben.
- Und deshalb wird er nicht in den Klub aufgenommen, erklärte Karl.
- Wenn das so ist, musst du alle Väter Deutschlands ausschließen, sagte
Willi. Kennt jemand einen Vater, der seine Kinder küsst?"
Ein dunkles Echo der Beschreibung des Vaters Michaels, der in "Deutschland
und ich" singt: "Mein Großvater... In seinem ganzen Benehmen ein totaler
Jekke, perfektes Deutschtum. Das ging so weit, dass er zum Frisör seinen
eigenen Kamm mitnahm, damit er sich keine Krankheiten von einem anderen
Kunden holt. Dies, obwohl er eine Glatze hatte und überhaupt keinen
Frisör brauchte..."
Es stimmt, jeder Vater ist anders, jede Familie ist anders. Mein Vater war
unendlich liebevoll und herzlich, aber etwas von dieser wundervollen
jekkischen Art war das Leitmotiv unseres Heranwachsens, und seither ist
das ganze Leben geprägt von Sehnsucht nach dieser erstaunlichen Kultur,
die vernichtet wurde. Deutschland hat sich selbst und uns getötet, und
damit sind große Teile unserer jüdischen und kulturellen Identität, auf
die sich unser Leben stützen sollte, in Rauch aufgegangen.
Die israelischen Bücherregale füllen sich immer mehr mit Literatur über
"Alijah". Die Einwanderer selbst oder ihre Kinder schreiben die
Geschichte jener Tage auf, die Tage der schmerzlichen Isolation und der
Frustration bei der Eingliederung. Nur wir, die Kühlen und
Distanzierten, begnügten uns mit intellektueller und wissenschaftlicher
Literatur. Es scheint, als brauche das europäische Judentum im
Allgemeinen und das deutsche im Besonderen diese ganze Läuterung nicht.
Schließlich haben wir ja den Staat aufgebaut. Wir sind Aschkenasen. Wir
sind die Elite und der herrschende Stamm. Wer braucht dieses ganze
Gejammer?
Es stellt sich heraus, dass wir es doch brauchen. Es stellt sich heraus,
dass die Schmerzen groß und heftig sind, und auch wenn die Gefühle
zurückgehalten werden, sind sie immer noch scharf, wie eine seelische
Wunde, die nicht verheilt ist.
"Blumenstraße 22" ist die Geschichte der Familie Rosenthal.
Sie beginnt mit großer jekkischer Distanz. Die Beschreibung der Personen
ist distanziert, von einem anderen Planeten, vom Europa vor dem Krieg.
Das assimilierte jüdische Europa, das zwischen den Kulturen der
Regionen, revolutionären Ideen, jüdisch-zionistischer Identität
einerseits und universalem Sozialismus andererseits gespalten ist.
Inmitten dieses großen und brodelnden Europas wird das Leben Einzelner
geformt, die ihren Weg suchen. Junge Menschen, die zwischen der
Tradition ihrer Eltern und den Stürmen der Zeit gefangen sind.
Die Rosenthals in dem Buch sind drei-vier Generationen deutscher Juden,
Jekkes, die es an all die Orte verschlägt, an welche das prächtige
Judentum verschlagen wurde, als es von der Rasse seiner deutschen Heimat
abgeschnitten wurde. In die Todeslager, in die israelischen Kibbuzim, in
die kommunistische Revolution, in die Opfer der israelischen Arroganz,
die die Katastrophe des Jom-Kippur-Kriegs hervorbrachte. Die Geschichte
der Rosenthals ist die Geschichte zerbrochener Träume, die Geschichte
Einzelner in einer Familie und die Geschichte eines großen
Einwandererkollektivs. Fast jede Gasse der Lebensgasse dieser Familie
endet mit einer großen Wand, die eine Fortsetzung des Wegs verhindert
und sie zu einer Sackgasse macht.
Die Alten der Familie starben an giftigen Gasen, die mit einem Schlag die
gesamte glühende Naivität zunichte machten, die diesen Juden im
Zusammenhang mit ihren Aussichten eigen war, sich als Deutsche
mosaischen Glaubens dem großen Deutschland anschließen zu können. Einige
Verwandte des Verfassers fanden sich bei Kriegsende auf der
kommunistischen Seite der Geschichte wieder. Auch sie gelangten mit dem
Tod der kommunistischen Utopie an den Rand des Abgrunds. Und diejenigen,
die nach Israel ausgewandert sind, wie sein charmanter Vater Hans
Rosenthal, starben in quälender geistiger Einsamkeit.
Bis dann der Sohn, so viele Jahre später, sie mit seinem Buch erlöst.
Und es gibt in dem Buch auch solche, die derselben Generation wie der
Verfasser angehören, wie sein Bruder, der gefallen ist, und den er nie
kennenlernte. Sie trugen die Kibbuzbewegung auf ihren Schultern, bis
diese zusammenbrach, und einige von ihnen sind in einem der
überflüssigen Kriege des arroganten Staats Israel gefallen.
Wenn man diese Geschichte liest, die wie ein unschuldiges Inventar eines
typischen Juden in der Zeit des Holocaust beginnt, und mit dem
emotionellen Würgegriff einer Pythonschlange endet, kann man sich nicht
der Schlussfolgerung einer der Frauen der Familie Rosenthal entziehen:
"In dieser Welt hat man keine Zeit, Kind zu sein." Denn kurz nachdem
Deutschland, der Ritter der Kultur des 19. und 20.Jahrhunderts, den
Juden seine Arme geöffnet hatte, geschah etwas mit ihm: "Deutschland ist
verrückt geworden", sagte Erich Freier, ein kultureller und
assimilierter Verwandter des Verfassers.
Da ist etwas dran. Warum ist Deutschland verrückt geworden? Was hat die
Deutschen so verärgert? Zwischen den beiden Weltkriegen gab es in
Deutschland ja nur ein Prozent Juden, eine halbe Million inmitten von
fünfzig Millionen Deutschen. Woraus resultierte also die deutsche Angst,
dass die Juden jetzt gleich die Kontrolle über ihre Kultur übernehmen
werden? Wahrscheinlich fühlten sie sich nicht von der Quantität, sondern
von der Qualität bedroht. Die Hälfte der Berliner Ärzte war Juden, ca.
ein Drittel der Anwälte, und entscheidende Teile auf den Bereichen der
Wissenschaft, Literatur, Kultur und der Medien.
Und was die Deutschen verärgerte, führte auch zur Sturheit der Juden. Das
ist eigentlich die Schlussfolgerung Rosenthals. Sie wollten einfach
nichts von einer anderen Realität hören außer der deutschen. Als im
zionistischen Klub jemand aufstand, und von den Schrecken der Unruhen in
Kischinev berichtete, führte dies beinahe zu einem Handgemenge zwischen
den aufmerksamen Zionisten und denen, die die Augen vor dem
Antisemitismus verschlossen. Und so, stur, zufrieden und begabt, gingen
die Juden Deutschlands in die Vernichtung, während die deutsche Wut auf
sie das gesamte Weltjudentum umschließt. Alle, außer unsere
zionistischen Eltern.
Seither wurde fast nicht darüber gesprochen. Es wurde sehr viel deutsche
Literatur ins Hebräische übersetzt. Und mit Ausnahme des schwarzen Lochs
in der Zeit zwischen dem Holocaust und der Wiederaufnahme der
Übersetzungen deutscher Literatur gab es fast keine Zeit, in der wir
nicht wussten, was dort in Deutschland passiert. Über die Deutschen
wussten wir Bescheid, aber über uns, die jekkische Einwanderung, wurde
so gut wie nicht gesprochen. Als man uns von dem Leid der Juden Marokkos
erzählte, hat die Muse der deutschen Einwanderer geschwiegen.
Etwas ist in uns verstummt. Vielleicht durch den schmerzlichen Kontakt mit
den "Asiaten". Vielleicht durch die unheilbare Sehnsucht. Vielleicht
durch das Gefühl, wir hätten etwas versäumt, oder auch durch die
Frustration darüber, dass die Israelis niemals den gewaltigen Beitrag
der deutschen Einwanderer zur israelischen Landwirtschaft, Industrie,
Akademie und Kultur anerkannt haben. Vielleicht haben wir uns wegen der
Deutschen unserer Herkunft geschämt, oder vielleicht haben uns die
Israelis bestraft, weil wir von der Kultur unserer Heimat so betrogen
wurden, wie noch niemals zuvor ein Volk betrogen worden war.
Genau wie der Vater des Verfassers. "Wir saßen lange zusammen und lasen
die Gedichte von Hans Rosenthal, meines Vaters, über den ich nichts
wusste. Der ohne Vorwarnung aus meinem Leben verschwunden ist. Als ich
ging, gab ich meiner Mutter einen Kuss, zum ersten Mal in meinem Leben."
Vielleicht ist die einfühlsame und sanfte "Blumenstraße 22" der erste
Kuss, nach dem wir endlich das Lied des vergessenen deutschen Judentums
singen können, das ohne Vorwarnung aus unserem Leben verschwunden ist.
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13-06-03 |