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Tobias Jaecker:
Antisemitische Verschwörungs-theorien nach dem 11. September
Neue Varianten eines alten Deutungsmusters
Lit Verlag 2004
Euro 19,90

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www.jaecker.com/

Neue Varianten eines alten Deutungsmusters:
Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11. September

Die Anschläge am 11. September auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington stellen zweifelsohne eine Zäsur in der jüngsten Geschichte dar. "Nichts wird mehr sein wie es war", war die häufigste Feststellung von Kommentatoren und "wo warst Du am 11. September?" wird mittlerweile in Anlehnung an andere bedeutende Daten der Zeitgeschichte gefragt. Die Ungeheuerlichkeit der Tat, das gewaltige Ausmaß an Tod und Zerstörung, das eine Handvoll Terroristen über die Welt gebracht haben, ist, auch nachdem man die Schuldigen identifiziert, schwer zu erfassen.

Damit ist die ideale Basis für Verschwörungstheorien aller Variationen gegeben, denn die Behauptung, "die öffentliche Meinung werde manipuliert, um von der 'Wahrheit' abzulenken" hat in Krisenzeiten immer Konjunktur. Wieder und wieder tauchen 'die Juden' als Drahtzieher hinter einer angeblichen Verschwörung im Zusammenhang mit dem 11. September auf.

Tobias Jaecker hat die wichtigsten antisemitischen Verschwörungstheorien einer kritischen Diskursanalyse unterzogen, wobei er sich auf drei Themenbereiche konzentriert: die Anschläge des 11. Septembers selbst, deren Auswirkungen auf den Nahost-Konflikt und schließlich der Irak-Krieg. Jaecker gibt dabei auch einen historischen Überblick zu antisemitischen Verschwörungstheorien im Allgemeinen, in der Absicht, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Diskurs nach dem 11. September zu zeigen.

Erstaunlich schnell kursierten nach dem 11. September die ersten Theorien und Beschuldigungen gegen CIA, Mossad und die Rüstungsindustrie. Deutsche Medien berichteten von Festnahmen israelischer Agenten, von der 'Tatsache', dass Israelis eine Warnung erhalten hätten, am 11. September nicht ins World Trade Center zu kommen und von außergewöhnlichen Geldgeschäften in der Woche vor den Anschlägen. Immer wieder werden durch die einzelnen Argumentationen antisemitische Stereotype bedient, die Jaecker in verschiedenen Kategorien zusammenfasst.

Vom "Zusammenhalt der Juden" ist die Rede, von der "Macht der Juden" über Regierungen, Medien und damit die Gesellschaft im Ganzen, vom "geschäftstüchtigen" Juden, der die Anschläge zu seinen finanziellen Gunsten zu nutzen wusste. Stereotypen, die auch in den beiden anderen Teilen der Diskusanalyse immer wieder auftauchen.

Jaecker zeigt, dass sich in der Berichterstattung zum Nahostkonflikt die zunehmend schärfere Kritik gegen Israel an verschiedenen Stellen zu Verschwörungstheorien verdichtet. Im deutschen Diskurs ist immer wieder eine Täter-Opfer-Umkehr zu beobachten, die Israel als "rassistischen" Staat zeichnet, von "Nazi-" und "Apartheids-Politik" sprechen lässt und von der "jüdischen Lobby" in den USA fantasiert. Auch hier ist von der "Macht der Juden" die Rede, die die Politik im Weißen Haus beeinflussen kann und Jürgen Möllemann eine angebliche "Hexenverfolgung" bescherte. Später sollte Möllemann behaupten, Guido Westerwelle sei im Vorzimmer Scharons durch den Mossad erpresst worden.

In Bezug auf den Irak-Krieg kursieren nach wie vor zahlreiche Theorien über die "wahren" Beweggründe des amerikanischen Militäreinsatzes gegen Saddam Hussein, allen voran das Interesse, die Ölquellen des Irak zu kontrollieren. Auch hier ist immer wieder von einer mächtigen Lobby die Rede, die im Hintergrund die Fäden zieht. Im Visier sind hier vor allem die so genannten "Neucons", die fast alle jüdisch seien und an den "Schaltstellen der Macht im Pentagon" säßen. Juden werden in diesem Theorien mit den Attributen "gefährlich" und "zersetzend" belegt, die einen Langzeitplan verfolgen. Jaecker konstatiert, dass dieses Bild nicht nur antisemitische, sondern auch stark antiamerikanische Elemente enthält: "Die imperialistischen Amerikaner, die im Bunde mit den Juden ein neuen amerikanisches 'Empire' schaffen wollen, um die Welt zu beherrschen".

Tobias Jaecker kommt zu dem Schluss, dass "die in den Verschwörungstheorien zutage tretenden Sinnstrukturen nahezu deckungsgleich mit dem klassischen antisemitischen Weltbild sind." Verschwörungstheorien sollte man daher keinesfalls als naive Spinnereien abtun. Sie verbreiten antisemitische Stereotypen und stellen wiederum "die Juden" als 'Gefahr' und 'Feind' dar. Das Internet bringt es mit sich, dass solche Theorien heute weit mehr global verbreitet werden können, als dies früher der Fall war.

Tobias Jaecker hat einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatten über einen "neuen" Antisemitismus geliefert, der die zahlreichen antisemitischen Wendungen und Theorien in den Kommentaren und Berichten zu den Ereignissen von und nach dem 11. September 2001 in der deutschen Presse analysiert. Und wie der Autor selbst sagt: "Eine genaue Kenntnis des Phänomens bildet schließlich die Voraussetzung, um antisemitische Verschwörungstheorien auch zukünftig erkennen und bekämpfen zu können."

al / hagalil.com 18-10-04











 

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