Nicola Galliner:
Jewish Film Festival Berlin, Filme - Bilder - Geschichten. Die ersten 10
Jahre
be.bra Verlag Berlin 2004
Euro 19,90
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Jewish FilmFestival Berlin:
Wie passen rund 180 Filme in ein Buch?
Rezension von Gudrun Wilhelmy
Wer mit Juden und über Juden lachen
will, der ist auf dem Jewish-Film-Festival Berlin – JFFB – bei der richtigen
Adresse. Und - so kann man sich fragen, ist es ein jüdisches Filmfestival
oder ein Festival jüdischer Filme oder ein Filmfestival des jüdischen
Berlins?
Die zweite Frage lautet, ist dies überhaupt
wichtig? Für Hillel Tryster, Direktor des Stephen Spielberg Jewish Film
Archive und Autor zahlreicher Publikationen, "ist die Ära der jüdischen
Filmfestivals Teil einer Entwicklung hin zu größerer Aufgeschlossenheit, zu
weniger Verlegenheit hinsichtlich der ethnischen Besonderheit."
Nicola Galliner hatte vor 10 Jahren diese
Idee: Angeregt von Janis Plotkin, die 20 Jahre von 1982 bis 2002 das
Jüdische Filmfestival San Francisco leitete, gewann sie in den Gregors, aus
der Berliner Filmszene nicht wegzudenkende Instanzen, sofort kompetente
Unterstützer und Enthusiasten. Aus dem Berliner Sommeranfang ist dieses
Festival nicht mehr wegzudenken und das wohl schönste Dankeschön neben
vielen Besucherinnen und Besuchern, ist das zum Jahrestag erschienene Buch
aus dem be.bra Verlag "Jewish Film Festival Berlin. Filme, Bilder,
Geschichten. Die ersten zehn Jahre".
Nicola Galliner hat die einfache Frage,
deren Antwort so schwierig, ist gestellt: "Was macht einen Film jüdisch?"
und darauf so witzige wie ausführliche Antworten erhalten, dass sich das
Buch spannend liest wie ein Roman. Anna Adam bietet ein Rezept zur
Erstellung eines jüdischen Films, Hannes Stein wählt Minderheiten-Filme um
jüdisches nachzuweisen, H. M. Broder beschreibt die Absurditäten, für einen
guten, humoristischen jüdischen Film einen Verleih zu finden, Rabbiner
Walter Rothschild betrachtet einen Film aus dieser Sicht, Igal Avidan schaut
auf israelische Filme mit "normalen" Themen und nicht-israelische Filme, die
auf die Schoa fokussieren. Neben diesen Autoren kommen noch viele, viele
andere mit ihrer je eigenen Sicht und Ansicht zu Wort.
Hier eine Definition von Peter L. Stein,
Leiter des Jüdischen Filmfestivals San Francisco: "Jüdisch ist ein Film,
wenn es ihm gelingt einen jüdischen Raum zu erzeugen – im Zuschauer oder
sogar beim gesamten Publikum ein gemeinsames Erleben dessen hervorzurufen,
was es bedeut, jüdisch zu sein"
Was das Buch so spannend macht ist die
"Rückblende" auf die ersten zehn Jahre des Festivals durch die ganz
persönliche Auswahl an Beispielfilmen der Autorinnen und Autoren. Das
gesamte Spektrum gezeigter Filme lassen diese wieder lebendig werden und die
Bilder beginnen vor dem inneren Auge noch einmal abzulaufen. Das Buch
erinnert an die ersten Jahre noch in der Welserstraße, bevor das Arsenal ins
Sony-Center an den Potsdamer Platz gezogen ist und auch die dort so eigene
Atmosphäre wird zum nostalgischen Rückblick. Es löst Erinnerungen an
einzelne Persönlichkeiten aus, die dort als Gäste über ihre Arbeiten
gesprochen haben.
Jeder Beitrag ist ein Lesegenuss und jeder
Blick ist interessant und bereichernd. Selbst Filme, die das eigene
Interesse nicht geweckt haben, erscheinen durch den Blick der Autorinnen und
Schreiber besonders und als versäumte Lektion. Für das Buch trifft auf jeden
Fall zu, wie Henryk M. Broder jüdischen Film an einer Stelle definiert:
"Alles was nicht langweilig ist, ist jüdisch."
Aber dieses Nachsicht verdeutlich noch
einmal mehr, das es kaum ein Thema gibt, das nicht jüdisch ist und dass
zutrifft was Sara L. Rubin, die seit 1996 das Boston Jewish Film Festival
leitet sagt: "Die Ungeheuerlichkeit des Holocaust lässt nicht nur viele
Möglichkeiten zu, sich mit ihm auseinanderzusetzen, sie verlangt geradezu
danach." Aber der Holocaust, und das macht das Verdienst von Nicola Galliner
und ihrer klugen Filmauswahl aus, spielt immer nur in einem Teil der Filme
eine Rolle. Und ich kann bestätigen: Bei keinem Filmfestival wird so viel
gelacht wie in diesem.
Damit nicht genug enthält das Buch aus
jedem Jahr mindestens eine Pressestimme zum Festival und dem seit 2002
verliehenen Gerhard-Klein-Publikumspreis. Besonders wertvoll ist die
beigefügte, nach Ländern geordnete Filmographie aller bisher gezeigten
Filme. Darunter Raritäten wie "Hester Street" oder dem im Fernsehen
gezeigten "Yentl". Jüdische Darstellerinnen und Darsteller, jüdische
Filmemacherinnen und Filmer, Drehbuchautorinnen und –autoren verbergen sich
in dieser Liste ebenso und es fehlen dort nicht Ernst Lubitsch und Chantal
Akermann, Barbra Streisand und Goldie Hawn, Arhtur Brauner und Mel Brooks.
Ein Glossar mit einigen wichtigen Begriffen aus dem hebräischen,
amerikanischen, jiddischen und gar aramäischen unterstützen das Verständnis
einiger Begriffe im Text sinnvoll.
Die 160 Seiten sind selbstverständlich mit
Fotos und Filmfotos lebendig gestaltet, das Layout erleichtert einen
leichten Lesefluß und Autorinnen und Autoren werden im Anschluss an ihre
Texte kurz vorgestellt. Ein wunderbares Filmbuch für ein interessiertes
Publikum, das das weite Spektrum jüdischer Filme und jüdischer Themen im
Film auf Augen führt, und zeigt, dass es weit mehr zu lachen als zu weinen
gibt und der Holocaust sogar ein Thema sein kann, über das gelacht werden
darf.
Jüdisches Filmfestival Berlin 2004
Veranstaltungskalender: jüdische Kultur in
Berlin
Juden und jüdisches Leben in Berlin
(Startseite)
hagalil.com
17-06-04 |