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Hans Georg Hiller von Gaertringen:
Das Auge des Dritten Reiches.
Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz

Deutscher Kunstverlag 2006
Euro 39,90

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Hitlers Mann fürs Schöne:
Der Fotograf und Kameramann Walter Frentz

Von Nikolai Wojtko

Der Mann wusste was er tat. Und die Nachwelt fragt sich: War Walter Frentz wohl ein Nazi? Die Frage mag verwundern - auch diejenigen, die den Namen noch nie gehört, aber sicherlich schon Fotos von Hitlers Mann fürs Schöne gesehen haben.

Aber fangen wir vorne an: Wer war Walter Frentz? Sicherlich kann man mit einiger Untertreibung behaupten, er sei ein ganz normaler Deutscher gewesen. So wie Speer für sich reklamierte, als Architekt eigentlich ein Künstler gewesen zu sein. So, wie Manstein für sich reklamierte, ein ganz normaler Soldat gewesen zu sein. So, wie Riefenstahl für sich in Anspruch nahm, zwar Filme von politischen Veranstaltungen gedreht zu haben, selber aber immer davon ausging, Kunstwerke und nicht den filmischen Niederschlag von Politik festzuhalten.

Hitler selbst, so könnte man diese Reihe logisch fortsetzen, war dann sicherlich auch kein Nazi, denn zum einen hat er von wesentlichen Vorgängen in seinem Reich bestimmt nie etwas erfahren, zum anderen war er doch tief in seinem Herzen Künstler, Architekt, Landschaftsgestalter und – letztlich für die Wochenschau, die Filme Riefenstahls und die Kameras von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz – Schauspieler und Objekt.

Frentz hat unser Bild von Hitler geprägt. Mit Ausnahme weniger Wochen wird Frentz ständig in der Nähe seines Führers sein und unzählige Fotos von ihm und Menschen in seiner Nähe machen. Er wird es sein, der uns das idealisierende Bild eines menschlichen Hitlers hinterlässt, wie es Kay Hoffmann treffend analysiert.

Der Band von Hans Georg Hiller von Gaertringen: "Das Auge des Dritten Reiches. Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz" stellt den Mann und sein Werk vor. Wundern aber muss man sich, wenn Matthias Struch seine kenntnisreiche Einführung mit der Frage aller Fragen abschließen lässt – war Frentz ein Nazi? Doch die Antwort scheint dem Urteil der Figur selbst überlassen zu bleiben. Er sei unpolitisch gewesen und letztlich nur der Mann hinter der Kamera.

Eine Karriere im Dritten Reich

Walter Frentz gehörte zum innersten Zirkel der Mächtigen im Dritten Reich. Über Jahre wird er sie fotografieren, filmen und portraitieren. Immer war er dabei. In der Wolfsschanze, auf dem Berghof, mit dem Führer in Paris und mit Himmler bei Massenerschießungen. Er trug den Totenkopf auf seiner Pelzmütze, die er angeblich nur geliehen hatte. Zusammen mit Himmler unterhielt er sich mit Menschen, die später erschossen werden sollten. Danach ging der Fotograf seiner zweiten Leidenschaft nach und bestieg zur Entspannung seinen Kajak um dann wieder hinter der Kamera seinen Job zu machen. Ein ganz normaler Deutscher?

Durch seine Zusammenarbeit mit Leni Riefenstahl, der er durch Albert Speer empfohlen worden war, avanciert er bald zu den bekanntesten Bilder-Machern des Reichs. Die letzten Aufnahmen Hitlers, der in den Trümmern Berlins HJ-Kinder wegen Tapferkeit vor dem Feind auszeichnet, sind ebenso sein Werk wie über 3000 Portraitaufnahmen der Größen des Reichs. Ein Bildatlas der Nazis.

Bemerkenswert – und das arbeitet der vorliegende Band minutiös heraus – ist die Schlichtheit seines Stils: er weiß, was von ihm erwartet wird und fotografiert überall nach demselben grundlegenden Schema. Die Aufgenommenen sollen lebendig wirken, natürlich und dennoch als Repräsentanten der Staatsmacht deutlich erkennbar. Bei der Fahrt nach Weißrussland nimmt Frentz lediglich Besiegte auf, so lange sie leben. Auch wenn hier Opfer neben ihren zukünftigen Mördern stehen, oder wir russische Kinder zum Wagen mit dem Kennzeichen SS-1 drängen sehen und ahnen können, dass sie diese Besichtigung nicht lange überleben werden: die Bilder zeigen stets ein Idyll – und das meint in diesen immer gleichen Ausschnitten: einen stets gefährdeten Fluchtpunkt, eine Insel um die ein Orkan tobt. Das hier das Grauen nicht erfasst wird, ist durchgängiges Kalkül. Frentz weiß, was man von ihm erwartet.

Pflichterfüllte Banalität

Das Arendtsche Diktum brandmarkte Eichmann zum Inbegriff der Banalität des Bösen. Harry Mulisch erkannte im Logistiker der Vernichtung der europäischen Juden einen modernen Menschen, der zwar nicht glauben konnte, aber an einer einmal gestellten Aufgabe wie ein Besessener festhielt. Er wollte auch noch in den letzten Tagen des Reichs seine Aufgabe erfüllen. Nicht zufällig sehnte er den Tod herbei, als sein Reich und damit seine Aufgabe unerfüllt in Trümmern lagen. Nur war der biedere Eichmann des Selbstmordes unfähig, da er dazu keinen Auftrag erhalten hatte. Ohne Befehl, keine pflichtschuldige Auslöschung.

Frentz war ein Biedermann der Darstellung der Macht und gerade deshalb wurde er ein Liebling des Führers, der Bilder von sich und all seinen Helden brauchte. Also fotografierte er das Panoramafenster im Berghof. Den Führer beim Spaziergang. Bormann im Idyll der Berge. Himmler im Gespräch mit Zigarre. Blondi mit heraushängender Zunge. Speer mal mit, mal ohne Frau. Der Duce im Schnee. Generale gleich dutzendweise usw. usf. Frentz verrichtete seinen Job also zumindest so leidenschaftslos wie Eichmann den seinigen nach eigenen Angaben. Beide hatten sie schließlich eine Aufgabe, der eine an seinem Schreibtisch im Reichssicherheitshauptamt, der andere hinter seiner Kamera. Beide waren sie selbstredend so unpolitisch wie erfüllt von ihrer Pflicht, die zu erfüllen ihnen Ehre bedeutete.

Frentz und Eichmann eint noch ein anderer Umstand: Beide waren Pioniere auf ihrem Gebiet. So wie Eichmann den betriebsmäßigen Massenmord logistisch erst ermöglichte, konnte Frentz die Protagonisten und oberste Nutznießer des Nazi-Regimes in Farbe ablichten und setzte seine farblichen Erinnerungstupfer als Gedächtnisidyll einer Zeit, deren Geschichtsschreibung er damit ablichtete.

Spurensuche 1: Bildunterschrift der Herausgeber 2006

Die klugen Essays des Bandes wirken lediglich wie eine Einbettung der Darstellung des lächelnden Bösen. Was verblüfft, ist die Feststellung, dass nur eine Person der dargestellten Nazigrößen als Massenmörder beschrieben wird. Lediglich Himmler wird in einer Bildunterschrift der Herausgeber als ein Monster bezeichnet, ganz so, als wären die Anderen völlig liebe Leute?

Eher anders herum kann man sich einen Reim machen: Die Abgebildeten wurden ja von Frentz im Auftrag des Führers abgelichtet, da sie tragende Säulen, Helden oder Zuarbeiter des Systems waren, dessen idyllischer Fluchtpunkt, der Berghof samt Panoramafenster, durchtränkt ist mit Planungen zum Massenmord.

Hier liegt die Krux dieses Bandes, der seinem Gegenstand dann doch nicht gerecht wird: Walter Frentz hat vielleicht persönlich keine Menschen umgebracht, daher aber zu schlussfolgern, dass er nicht Teil eines mörderischen Systems, sondern – je nach Standpunkt – entweder dessen verdienstvoller, oder aber objektiver Archivar war, belegt einige der Texte des Bandes mit einem schalen Beigeschmack.

Übrig bleiben die Bilder eines Mannes, dessen Waffe die Kamera war. Diesen aber nicht "Mörder" zu nennen, heißt letztlich, seinen Bildern zu erliegen und sich auf eine anscheinend differenzierte Suche nach den angeblich wahren Mördern zu begeben. Diese aber wurden allerdings auch durch die idyllischen Fotos des Führers und seines Gefolges zu dem, was sie waren. Einzig der Beitrag von Klaus Heese beschreibt konsequent diesen Weg. Um so verblüffender ist es, dass dessen stringente Diktion in den übrigen Aufsätzen keinerlei Niederschlag gefunden hat.

Spurensuche 2: Bildunterschrift einer Zeitzeugin 2000

Gerade im Vergleich von Schrift und Bildsprache drängt sich die Betrachtung einer weiteren Bildunterschrift im vorliegenden Band auf: Sie stammt von Leni Riefenstahl, die ihrem alten Kollegen im symbolträchtigen Jahr 2000 aus Pöcking ein Foto zusendet. Auf dem Bild sieht man die Regisseurin mit ihrem damaligen Kameramann in einem Graben bei den Aufnahmen zu Olympia im Jahr 1936.

Lange nachdem auch die beiden Künstler zugeben mussten, dass es im Dritten Reich anscheinend noch mehr gegeben hat, als Fahnenaufläufe, fesche Mannsbilder und sportliche Erfolge - Vernichtungskrieg, Judenhatz, Völkermord, Gaskammern und Konzentrationslager -, schreibt die Regisseurin ihrem Kameramann unverdrossen, als wäre das tausendjährige Reich wie ein liebes Märchen gewesen, dessen Verwirklichung sie trotz all ihrer unpolitischen Kunst nicht erreichten: "Lieber Walter - das waren noch Zeiten damals – wunderschön."

An diesem Bild samt seiner Bildunterschrift sieht man dasselbe politische System am Werk, welches Frentzs Bildausschnitte bestimmte: In Szene gesetzt die handelnden Personen in einer Arbeitspause für den Film –die "wunderschöne" Arbeit, die sie verrichten. Ausgeblendet sind die mörderischen Ergebnisse dieser Taten. Denn schließlich, so die Diktion der maßgeblichen Akteure dieser Zeit, hatten diese nichts mit dem Rest zu tun, auch wenn man an diese Zeiten - also das Ganze - mit Wehmut zurück denkt.

Walter Frentz ist alt geworden. Er hat, als bekäme er keine Ruhe, seine alte Weggefährtin Leni Riefenstahl sogar noch um ein paar Tage überlebt. Er hat die Zeit nicht dazu genutzt, aufzuräumen und vielleicht dem Vorbild Traudel Junges zu folgen. Diese saß als Sekretärin nach eigenen Angaben in Hitlers toten Winkel und hat es später bitter bereut, so arglos dem Monster gegenüber gewesen zu sein. Frentz hat diesen Winkel belichtet und wollte doch Zeit seines langen Lebens nie einsehen, dass er einem verbrecherischen und unmenschlichen System angehörte.

Weshalb auch? Seine Geschäfte liefen gut. Er war nach dem Krieg ein gefragter Fotograf. Seine Bilder aus dem Umfeld des Führers konnte er an alte Kameraden verkaufen, schließlich hielt man sich die Treue: wie wunderschön war doch die Zeit, in der sie frei als Herrenmenschen handeln durften. Welch ein Idyll.

hagalil.com 18-04-07











 

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