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Auf Spurensuche:
Zur Geschichte des jüdischen Fußballs in Deutschland

Von Marek Lantz
Junge Welt, 02.06.2003


Dietrich Schulze-Marmeling (Hrsg.), Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball
Verlag Die Werkstatt 2003
Euro 26,90

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Verschwörungstheorien sind eine heikle Sache. Wer den aktuellen Debattenverlauf linker Theorieclans verfolgt, der weiß, daß der dicke Knüppel des Antisemitismusvorwurfs dieselben mit ziemlicher Zwangsläufigkeit trifft. Organisatorisch und begrifflich zwar diffus, stellt die sogenannte "antideutsche" Position derzeit dennoch eine (rein quantitativ gesehen) relevante Strömung in der Linken dar. Nicht wenige, die sich auf die Chiffre "antideutsch" berufen, bezeichnen Verschwörungstheorien sogar per se als antisemitisch. Das ist zwar völliger Humbug, dennoch gilt prinzipiell: Antisemitische Stereotypen sind hier allzu oft nur einen Steinwurf entfernt.

Ein besonders plumpes Beispiel hierfür lieferte jüngst das populäre satirische Fußball-Webportal "blutgraetsche.de". Ein als "Herr Semmelmann" auftretender Mainz-05-Fan läßt sich dort über den mißglückten Bundesligaaufstieg seines Clubs aus. Der Feind – na, klar – sitzt 25 Kilometer mainaufwärts: "Eintracht Frankfurt heißt auch immer Klein- und Großganoventum und an die Mafia angelehnte Strukturen im Vereinsgebälk. Stimmt es eigentlich, daß Michel Friedman auch Mitglied der Eintracht ist?", fragt Herr Semmelmann. Jeder weitere Kommentar überflüssig.

Darstellungen derartigen antisemitischen Alltags im Jahr 2003 sucht man in "Davidstern und Lederball", der gerade erschienenen Aufsatzsammlung zur "Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball" leider vergeblich. "Die Spurensuche nach fast vergessenen Leistungen und Namen", hat sich Herausgeber Dietrich Schulze-Marmeling zum Ziel gesetzt. Er beklagt, seine eigene Generation wisse "von Juden häufig nur im Zusammenhang mit dem Holocaust". Knapp 30 Essays zum Thema hat er daher zusammengestellt – es handelt sich nicht um eine systematische Aufarbeitung der Geschichte der Juden im Fußball, sondern zum überwiegenden Teil um Porträts einzelner Vereine und Personen mit dem historischen Focus auf die Zeit bis 1945.

Aktuelle Ausformungen des Antisemitismus, wie etwa die auch überregional beachteten Bedrohungen und Beleidigungen, denen Jugendspieler des Frankfurter Clubs Makkabi im Jahr 2000 ausgesetzt waren, kommen dagegen leider zu kurz. Nur die kommunalpolitische Groteske aus dem Jahr 2001 um den Namensgeber des Schweinfurter Fußballstadions Willy Sachs, ein altes NSDAP- und SS-Mitglied, und der fast schon obligatorische Hinweis auf den nach wie vor an der Aufarbeitung seiner Nazi-Kollaboration nicht interessierten DFB widmen sich explizit der Gegenwart.

Dafür erfährt man jedoch einiges über historische Zusammenhänge, in die sich auch der antisemitische Ausfall des verbitterten Mainzer Anhängers einordnen läßt. Daß etwa Eintracht Frankfurt (wie auch der FC Bayern, TeBe Berlin, Austria Wien und Ajax Amsterdam) bereits seit den 1920er Jahren das Stigma des "Judenclubs" anhängt. In diesen Vereinen spielten in der Gründungsphase und Entwicklung bis 1933 jüdische Fußballer, Funktionäre und Sponsoren eine maßgebliche Rolle.

Ihre jeweilige Geschichte wird in "Davidstern und Lederball" erzählt, fraglos ein längst fälliger Beitrag zur Sporthistorie. Schade jedoch, daß die Qualität der einzelnen Essays enorm variiert. Vor allem in dem Teil, der sich mit der Situation in Deutschland auseinandersetzt, dominiert leider häufig eine Variante der Geschichtsschreibung, die sich in schlechter Sportjournalistenmanier in der Aufreihung von Zahlen, Namen und Ereignissen erschöpft. Um in der Sprache des Metiers zu bleiben: Tumbe Spielberichte, wo hintergründigere Nachdreher angemessen gewesen wären. Mag sein, daß hier die Quellenlage dünner als in dem ausgezeichneten Part über Juden im österreichischen Fußball ist, doch der Erzählgestus eines dörflichen Heimatkundemuseums, den vor allem Autor Werner Skrentny ein ums andere Mal anschlägt, langweilt einfach nur. Ungleich lesenwerter und auch in Sachen politisch-kultureller Kontextualisierung kompetenter dagegen Schulze-Marmelings Geschichte über Ajax Amsterdam, der hervorragende Aufsatz von Matthias Marschik über "Muskel-Juden" oder Erik Eggers’ Porträts der Brüder Hugo und Willy Meisl.

hagalil.com 02-06-03











 

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