"500 TOP Berliner":
Beweger und Entscheider in Berlin
Von Gudrun Wilhelmy
"Jude oder nicht", das ist nicht die Frage, sondern,
soll es erwähnt werden oder nicht? Offensichtlich bestand keine Einigung
darüber im Verlag oder den Autoren Bernd Philip und Hubert von Brunn,
deren Beschreibungen von 50 Persönlichkeiten der Geschichte in das
Nachschlagewerk "TOP 500 Hauptstadt Berlin" einleiten.
Und
hier ist ein genauer Blick doch interessant. Pro Person stehen 12 bis 13
Zeilen zur Verfügung. Da diktiert die Kunst des Streichens und das ist
naturgemäß der schwierigste Part beim Schreiben. Bei diesen 50
Persönlichkeiten ist Walter Rathenau neben Einstein eine der
herausragenden Persönlichkeiten. Während Rathenaus Judentum unerwähnt
bleibt, findet es bei Einstein Beachtung. Und dabei war es u.a. auch
Einstein, der Rathenau bewegen wollte, seinen Außenministerposten
aufzugeben, nachdem die Drohungen gegen ihn immer vehementer wurden.
Lise Meitner wird explizit als Jüdin vorgestellt, doch bei Max
Liebermann fehlt der Hinweis. Eine Systematik des Fehlens oder
Hinzufügens ist jedoch nicht erkennbar.
Offensichtlich konnte man sich wohl nicht einigen, wie
die politisch korrekte Verhaltensweise nun denn sei. Und so wirkt die
Erwähnung oder die Weglassung willkürlich und verwirrend. Es gibt
Gründe, bei diesen herausragenden Persönlichkeiten Berliner
Vergangenheit. Ihre jüdische Herkunft nicht zu verschweigen, kann
geschehen, weil es als geschichtlich relevant angesehen wird. Bei
vielen, und nicht nur jüdischen Persönlichkeiten, finden sich Hinweise
auf Flucht und Emigration, Widerstand oder Berufsverbot während der
Nazi-Zeit. Nicht unerwähnt ist die lebenslange Berlin-Abstinenz von
Marlene Dietrich, und so finden sich hier Persönlichkeiten mit
kritischem Blick auf das Land oder die Stadt, in der sie ihren Ruhm und
ihre Bedeutung begründeten. Diese Berliner waren wirklich
Persönlichkeiten, die weit über die Grenzen der Stadt und des Landes
hinaus einen Ruf erwarben, mit deren Glanz sich Berlin noch heute
schmückt.
Danach folgt die Aufzählung der Nobelpreisträger nach
den Wissenschaften geordnet. Insgesamt 45 Forscher aus Physik, Chemie,
Physiologie und Medizin und Literatur erhielten Nobelpreise, sogar 4
Friedensnobelpreise waren darunter. In einem Zeitraum von 1901 an
Jacobus van't Hoff für Chemie bis 2002 an den Schriftsteller Imre
Kertész. Auch auf diese Art kann man Berliner werden.
Der Hauptteil des Buches mit 500 Persönlichkeiten von
Heute stellt diese zu je zwei auf einer Seite und alphabetisch geordnet
vor. Ein kleines Foto, der Werdegang sowie – und hierauf kommt es in dem
Buch an – das Engagement. Hier erscheinen die Namen von Politikern neben
denen von Wirtschaftsgrößen. Eine große Zahl von Wissenschaftler und
Künstler wird vorgestellt und man erfährt, wofür sich die einzelnen
beruflich oder nebenberuflich noch engagieren. Für einen sind es
herzkranke Kinder, für den anderen misshandelte Kinder, für wieder
andere Baudenkmale und für andere Tanz-Kunst. Die ganze Bandbreite
scheint hier erfasst und es fehlen auch nicht die
UNICEF-Botschafterinnen, die in Berlin leben und arbeiten. Es folgen am
Ende Post- und Internetadresse. Und so bekommen die Verbände und
Unternehmen, die Institutionen und Stiftungen ein persönliches Gesicht
und manches Gesicht zeigt hier ein weitaus vielfältigeres Engagement,
als in der Öffentlichkeit häufig wahrgenommen wird.
Bei den lebenden 500 Persönlichkeiten fehlt der Hinweis
auf jüdische Herkunft selbstverständlich ganz und trotzdem sind einige
jüdische Bürger darunter zu finden. Wie könnte es auch anders sein!
In der Hand hält man ein schwergewichtiges Buch, aber
das darf es auch sein, wenn es um "TOP 500" Berlins "Herausragende
Persönlichkeiten, Innovative Unternehmen, Wissenschaft und Kultur und
Treffpunkte der Entscheider" geht. Danach werden in den Rubriken
Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur weitere wichtige Adressen
vorgestellt. Der Service-Teil umfasst Hotels und Restaurants und einen
Adressexpress, der bis Potsdam und nach Brandenburg hinein weist. Es ist
ein sehr wichtiges Buch und zeigt einmal mehr, dass es lohnt, sich für
Berlin zu engagieren und dass sich viele Berliner für vieles engagieren.
Wen wirklich interessiert, wer Berlin bewegt und was
Entscheider persönlich interessiert, findet hier Antworten.
Erschienen ist die Buchausgabe (Euro 69,00) im Verlag:
Deutsche Informations Börse AG,
www.das-innovative-berlin.de
Auf der Internetseite wird eine Freischaltung zum gleichen Preis
angeboten, aber auch Aktualisierungs-Service in Print (29 Euro 3-4mal im
Jahr) oder die Buchausgabeplus im Internet für 98 Euro.
hagalil.com
13-07-04 |