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"Den Holocaust kann man nicht verarbeiten":
Literatur-Nobelpreis für Imre Kertész

Imre Kertész erhielt den Anruf des Stockholmer Nobelpreis- Komitees in Berlin, wo er zurzeit am Wissenschaftskolleg im Grunewald arbeitet. Der ungarische Autor ist diesjähriger Träger des Literatur-Nobelpreises, der erste Ungar, der diese Auszeichnung erhält. Doch in diesem Fall ist die Wahl des Komitees mehr als nur ein literarisches Ereignis, die Wahl von Imre Kertész ist eine politische und moralische, die mehr möchte, als das literarische Schaffen eines kleinen und sprachlich isolierten Volkes zu ehren.

"Auch, wenn ich von etwas ganz anderem spreche, spreche ich von Auschwitz. Ich bin ein Medium des Geistes von Auschwitz", bekennt das Alter Ego in Kertész' Roman "Fiasko". Alle Werke, die der heute 72 Jährige bisher vorgelegt hat, kreisen um das Thema Holocaust und dessen Verarbeitung. Wobei Kertész den Holocaust als sein Trauma, das weiter andauert, bezeichnet: "Der Holocaust ist ein Zustand, der noch nicht zu Ende ist. Ich spüre ihn überall. Es gab bisher keine Katharsis. Den Holocaust kann man nicht verarbeiten."

Imre Kertész wurde am 9. November 1929 in Budapest geboren und wuchs in einer säkularen jüdischen Familie auf. 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert und bei Kriegsende aus dem KZ Buchenwald befreit. Im kommunistischen Ungarn nach Kriegsende arbeitete Kertész als Journalist und Redakteur, Autor von Unterhaltungsstücken fürs Theater und Übersetzer von philosophischen Werken. Die Arbeit an seinem wohl bekanntesten Werk, "Roman eines Schicksallosen", beschäftigte ihn zwischen 1960 und 1973. Der Roman wurde zunächst abgelehnt, 1975 dann aber von einem staatlichen Verlag veröffentlicht. Seine Arbeit wurde jedoch totgeschwiegen und mußte zunächst auf ein offeneres Klima warten. Erst die Neuauflage von 1985 und vor allem die Übersetzung ins Deutsche 1996 brachten ihm größeren Erfolg und schließlich internationalen Erfolg ein.

Die Meinungen zu Imre Kertész' "Roman eines Schicksallosen" gehen stark auseinander. Für manche ist das Werk eine verharmlosende Geschichte eines Jugendlichen, die Fragen nach Schuld und Schuldigen vollkommen außer Acht läßt. Die meisten Kritiker würdigten den Roman jedoch als eine der gelungensten Darstellungen der Schrecken des 20. Jahrhunderts auf gleicher Stufe mit den Werken von anderen Überlebenden wie Primo Levi und Jorge Semprun. Aus der Sicht eines 15 Jährigen erzählt Imre Kertész an autobiografische Fakten angelehnt einen Leidensweg von Budapest über Auschwitz und Birkenau zurück nach Ungarn. Naivität und Unverständnis, dabei aber schonungslose Offenheit und unausweichlicher Schicksalsweg charakterisieren seine Erzählung. Die nachfolgenden Romane "Kaddisch für ein nichtgeborenes Kind" und "Fiasko", die das Thema erneut aufgreifen und dabei auch die Spätfolgen für die Überlebenden von Auschwitz einarbeiten, bilden mit dem ersten Werk eine "Trilogie der Schicksallosigkeit".

Zur Begründung der Auszeichnung erklärte das Nobelpreis-Jury, Kertész' literarisches Werk erforsche die Möglichkeit, noch als Einzelner in einem Zeitalter zu leben und zu denken, in dem die Menschen sich immer vollständiger staatlicher Macht untergeordnet hätten. Sein Werk kehre unablässig zu dem entscheidenden Ereignis in seinem Leben zurück: dem Aufenthalt in Auschwitz, wohin er, als junger Mann, während der Verfolgung der ungarischen Juden durch die Nazis verschleppt wurde: "Auschwitz ist für ihn keine Ausnahmeerscheinung, die sich gleich einem fremden Körper außerhalb der normalen Geschichte des Abendlandes befinden sollte. Es ist die letzte Wahrheit über die Degradierung des Menschen im modernen Dasein."

Imre Kertész selbst sagte über die Auszeichnung, dass es für ihn sehr interessant sei, dass er den Preis mit seiner Holocaust- und Anti-Diktatur-Literatur bekommen habe: "Das bedeutet vielleicht auch etwas Erzieherisches für die osteuropäischen Staaten überhaupt". Im Moment arbeitet er bereits an einem neuen Roman mit dem Arbeitstitel "Liquidation", der eine Fortsetzung seines alten Themas sei, "ein letzter Blick auf den Holocaust, aber in ungarischer Umgebung nach der Wende, also ein moderner Roman. Die erste Hälfte ist schon fertig."

Erst einmal möchte er jedoch sein Glück genießen. Der mit 1,1 Millionen Euro dotierte Preis bedeutet für Kertész, große Anerkennung und ein ruhiges Leben, das ihn Zukunft ohne Geldsorgen arbeiten lässt.

Imre Kertész:
Roman eines Schichsallosen

deutsch von: Viragh, Christina
288 S., Tb
Euro 8,90
ISBN 3-499-22576-X

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Imre Kertész:
Ich - ein anderer


deutsch von: Rakusa, Ilma
128 S., Tb
Euro 7,50
ISBN 3-499-22573-5

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Imre Kertész:
Fiasko


deutsch von: Buda, György / Relle, Agnes
448 S., Tb
Euro 9,90 
ISBN 3-499-22909-9

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Imre Kertész:
Kaddisch für ein nicht geborenes Kind


deutsch von: Buda, György / Schwamm, Kristin
160 S., Tb
Euro 7,90
ISBN 3-499-22574-3

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aue / hagalil.com 13-10-02











 

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