Dieses Werk ist in jeder Beziehung ungewöhnlich. Ehe sein erster Teil
1927 und sein zweiter Teil 1932 als Buch vorgelegt wurden, war es bereits
als wöchentlicher Beitrag in einer nicht jüdischen Zeitung erschienen.
Dass es möglich war, ein so ungewöhnliches Thema in der Öffentlichkeit zu
behandeln, zeugt einerseits von einem überraschenden Liberalismus der
Leserschaft und andrerseits von der fortschrittlichen Haltung des
Verfassers.
Der Autor des Werkes, S.Ph. De Vries, war 48 Jahre lang Rabbiner der
jüdischen Gemeinde von Haarlem in den Niederlanden und einer der ersten
religiösen Zionisten. Er zählte auch zu den ersten, die das lebhafte
Interesse zahlreicher Nichtjuden an Leben und Traditionen jüdischer
Mitbürger bemerkte und richtig bewertete. Diesem Interesse kam De Vries mit
seiner Veröffentlichung von jüdischen Bräuchen und Symbolen entgegen.
Er tat dies in der Hoffnung, dass die Beschreibung äußerer Formen
jüdischen religiösen Lebens auch einiges vom inneren Wesen und tieferen Sinn
des Judentums offenbaren und verständlich machen würde. Diesem Gedanken gab
De Vries in der Einleitung zum zweiten Teil seines Werkes Ausdruck.
Noch einen weiteren Zweck verfolgte der Autor mit seiner publizistischen
Tätigkeit: die am Rande der Gesellschaft lebende jüdische Bevölkerung
anzusprechen.
Dass die Darstellung jüdischer Riten und Symbole unter seinen
Glaubensbrüdern nicht nur Zustimmung fand, sondern auch auf Ablehnung stieß,
erwähnte De Vries in seiner Abschiedspredigt im Dezember 1940. Wie er
bescheiden anmerkte, habe sein Buch jedoch nicht nur keinen Schaden
angerichtet, sondern im Gegenteil günstig gewirkt.
In der Tat hat De Vries mit seinem in nicht jüdischen wie in jüdischen
Kreisen viel gelesenen Werk seinerzeit großen Einfluss auf das geistige
Leben ausgeübt.
Tatsache ist auch, dass dieses Buch, das in den Niederlanden bereits in
der 6.Auflage erschienen ist und inzwischen auch in deutscher Fassung
vorliegt, sowohl von Juden wie von Nichtjuden noch immer als Standardwerk
über die jüdische Religion, über die Bräuche und Vorschriften innerhalb des
jüdischen Alltags gilt.
Die Anschauungen des Autors sind tief in jüdisch-orthodoxer Überlieferung
verwurzelt. Er vermittelt sie mit warmer Menschlichkeit und mit Begeisterung
für das Thema.
Rabbiner
S.Ph. De Vries ist im Frühjahr 1944 im Konzentrationslager Bergen-Belsen
umgekommen. Sein geliebtes jüdisches Land, für dessen Wiedergeburt und
Aufbau er sein Leben lang gewirkt hat, durfte er nicht mehr sehen. Als
Vermächtnis hinterlässt er ein Werk, das dazu beitragen kann, das
Verständnis zwischen Juden und Nicht Juden zu verbessern.