Hans-Jürgen Döscher:
Seilschaften
Die verdrängte Vergangenheit des Auswärtigen Amtes
Prophyläen Verlag Berlin 2005
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Seilschaften:
Zur Geschichte des deutschen Auswärtigen Amtes
Rezension von Karl Pfeifer
Hans-Jürgen Döscher hat 1987 das Buch "Das Auswärtige
Amt im Dritten Reich" veröffentlicht mit dem er die deutsche Diplomatie im
Schatten der "Endlösung" dokumentierte. Sein 2005 publiziertes
"Seilschaften" zeigt die "verdrängte Vergangenheit des Auswärtigen Amtes"
der Bundesrepublik Deutschland auf.
Grelles Licht darauf warf die Entscheidung von Joschka
Fischer, dass ein Nachruf auf einen Botschafter a.D., der vor 1945 Mitglied
der NSDAP, der SS und des SD war, nicht im der Zeitschrift des Außenamtes
erscheinen durfte. Döscher machte sich schon mit seinem ersten Buch
unpopulär, denn er hat auch den Vater des damaligen Bundespräsidenten
Richard von Weizsäcker nicht geschont.
Damals erschien in der "Zeit" eine Rezension von Theodor
Eschenburg, der dem 1943 geborenen Döscher vorwarf, dass er infolge seines
Alters aus eigenen Erleben des damalige "Ambiente" im "Dritten Reich" nicht
gekannt und es historisch nicht erfasst habe. Staatsekretär [Ernst] von
Weizsäcker sei außerstande gewesen "die Vernichtungsaktion [gegen die Juden]
zu verhindern.... Robert M.W. Kempner, der frühere US-Ankläger im Nürnberger
Wilhelmstraßen-Prozess wies darauf hin, dass Eschenburg die prominente Rolle
des Ribbentropschen Auswärtigen Amtes bei der "Endlösung der Judenfrage"
völlig unterschätzt habe. Natürlich war der 1904 geborene Eschenburg, der
1933 Mitglied der Motor-SS wurde mit dem "Ambiente" des "Dritten Reiches"
und mit dem der SS im besonderen enger vertraut als der 40 Jahre später
geborene Autor.
Die weit verbreitete Behauptung, dass doch die Adeligen im Außenamt (AA)
insgeheim am Widerstand teilgenommen hätten, wird im gegenwärtigen Buch
genauso wie die Behauptung, man hätte nichts über den Massenmord an Juden
gewusst, als Legende entlarvt. Im Kapitel "Zur Kenntnisnahme der
>>Endlösung<< während des Zweiten Weltkrieges" wird der Nachweis geführt,
dass Unterstaatssekretär Ernst Woermann und von Weizsäcker zu Recht wegen
"Menschlichkeitsverbrechen" im Wilhelmstraßenprozess zu jeweils fünf Jahren
Freiheitsstrafe verurteilt wurden.
Gesicherte Hinweise auf Massentötungen sind in den Akten des AA erstmals
Anfang September 1941 nachweisbar. Der Gesandte in Bukarest, SA-Ogruf. von
Killinger berichtete am 1. September 1941 von der "Erledigung von ca. 4000
Juden in Jassy".
Döscher schildert den Untergang der "Wilhelmstraße", die Entnazifizierung
und Rechtfertigung und bringt immer wieder Fallstudien. Er schildert die
Entstehung des Auswärtigen Amtes in Bonn und die Kritik an restaurativen
Tendenzen sowie die erste parlamentarische Untersuchung.
Döscher präsentiert ohne Pauschalurteile zu fällen ein sehr komplexes Bild,
er weckt keine Ressentiments gegen das Auswärtige Amt. Im abschließenden
Kapitel "Bilanz und Aussicht" erwähnt er auch die publizistische Attacken
der DDR-Regierung und ihrer Medien gegen "NS-Diplomaten in Bonner Diensten"
und bemerkt "Die in Berlin-Ost entstandenen und dann auch in der
Bundesrepublik verbreiteten "Braunbücher" enthielten zwar zutreffende
Details über die nationalsozialistische Vergangenheit nicht weniger
westdeutscher Diplomaten, ihr weitgehend denunziatorischer Charakter und die
offensichtlich propagandistische Funktion verhinderten jedoch eine
unvoreingenommene Aufarbeitung der komplexen Thematik."
Hans-Jürgen Döschers "Seilschaften" ist ein genau dokumentiertes
Aufklärungsbuch, das mit lange verbreiteten Legenden über das Auswärtige Amt
der Bundesrepublik Deutschland aufräumt.
hagalil.com
02-07-06 |