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Walter Laqueur:
Gesichter des Antisemitismus
Von den Anfängen bis heute

Propyläen Verlag 2008,
Euro 22,90

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Der älteste Hass:
Walter Laqueur über den Antisemitismus von der Antike bis zur Gegenwart

Von Ralf Balke

Bücher über den Antisemitismus füllen mittlerweile ganze Bibliotheken. Es gibt wohl kaum ein Phänomen in der Menschheitsgeschichte, das nicht so gründlich in all seinen Facetten analysiert und beschrieben wurde und sich dennoch derart hartnäckig hält wie der Hass gegen die Juden. Und mit der Feindschaft, die in jüngster Zeit Israel entgegenschlägt, erfährt er eine neue Dimension. Es "spricht nichts dafür, dass das letzte Kapitel der langen Geschichte des Antisemitismus bereits geschrieben ist", so Walter Laqueur schon in der Einleitung zu seinem neuen Buch. Das klingt wenig optimistisch.

Walter Laqueur verspricht nichts Geringeres als eine Geschichte des Antisemitismus von seinen Anfängen im Altertum bis zur Gegenwart. Und das Ganze auf nur knapp 250 Seiten. Auf dem ersten Blick klingt das etwas vermessen, doch bei der Lektüre stellt man sofort fest, dass es wohl kaum einen qualifizierteren Autor gibt, der ein derart komplexes Thema sprachlich und inhaltlich überzeugend vermitteln kann. Dreißig Jahre lang war Laqueur Direktor der Wiener Library, einer der führenden Institutionen in Sachen Antisemitismusforschung.

Und vielleicht ist es genau diese Lebenserfahrung und jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Judenhass, die dafür sorgt, dass sich in Laqueurs Stil gelegentlich die Ironie ihre Bahn bricht. "Einer der bekanntesten Intellektuellen unserer Zeit, Noam Chomsky, hat festgestellt", schreibt er, "dass der Antisemitismus 'zum Glück kein Problem mehr' sei. Für bestimmte Teile Massachusetts und einige andere Regionen Nordamerikas könnte er Recht haben, aber ob diese Feststellung für weiter entfernter Gegenden zutrifft, ist weniger sicher." Darüber hinaus erinnert Laqueur daran, dass Noam Chomsky, die Galionsfigur vieler Linker weltweit, das Vorwort für ein Buch des französischen Holocaustleugners Robert Faurisson verfasst hatte. Das alte Hannah Arendt-Zitat, dass man vor dem Antisemitismus nur auf dem Mond sicher ist, gewinnt angesichts des Verhaltens von Juden wie Noam Chomsky weiter an Wahrheit. Der Leser erkennt, dass Antisemitismus keine Domäne von unverbesserlichen Rechten oder Baseballschläger schwingenden Skinheads ist, sondern ebenfalls bei Personen, die sich politisch als links oder bürgerlich definieren, gefunden werden kann.

Viel erfährt der Leser über den Antisemitismus, bevor er als solcher auch so genannt wurde. Laqueur zeigt, welche Formen des Hasses den Juden in der Antike entgegenschlug. Er geht der Frage nach, ob Juden einfach nur Opfer einer generellen Fremdenfeindlichkeit in bestimmten Regionen und Epochen waren, oder ob schon damals gewisse negative Attribute nur gegen Juden in Stellung gebracht wurden. "Aus historischer Sicht bedeutsam ist die Tatsache, dass sich das von christlichen - oder islamischen - Theologen geschaffene Stereotyp des Juden über Jahrhunderte hinweg hielt und bis heute weiterwirkt", lautet eines seiner Resümees.

Sehr beeindruckend und für aktuelle Diskussionen wichtig, sind seine Ausführungen zum "neuen Antisemitismus" und Antizionismus. "Im Licht der Geschichte ist das Argument, dass Antizionismus etwas völlig anderes als Antisemitismus sei nicht sehr überzeugend." Als Beispiele führt er die Sowjetunion unter Stalin an, als Antizionismus nur ein Synonym für Antisemitismus war. Und ebenfalls in der arabischen Welt wird viel gegen den vermeintlich verbrecherischen Zionismus geschrieben und gesagt - doch gemeint sind die Juden - auch im Westen nach Auschwitz und der danach erfolgten gesellschaftlichen Ächtung des offenen und rassebiologischen Antisemitismus kein unbekanntes Phänomen. "Selbst wenn man annimmt, die israelische Politik sei der bedeutendste einzelne Faktor bei der Entstehung des 'neuen Antisemitismus', bleibt die Frage bestehen, warum sie, wie bösartig sie auch sein mag, bei Menschen wie dem griechischen Barden Mikis Theodorakis oder dem Topterroristen Carlos solch starke Leidenschaften auslösen sollte, also bei Menschen, die, soweit bekannt, vom israelisch-palästinensischen Konflikt nicht persönlich betroffen sind und weder physisch noch psychisch unter ihm gelitten haben." Auch wenn die genannten Personen weit von sich weisen würden, Antisemiten zu sein, müssen in ihrem Weltbild bestimmte Ressentiment befrachtete Traditionen und Klischees nachhallen, um so zu reagieren wie sie es tun.

"In der heutigen Zeit ist der Begriff des Antisemitismus nicht mehr so eindeutig wie früher, und er wird einfach aus Mangel eines anderen, genaueren benutzt", laut Laqueurs Fazit. Welches Etikett man dem Judenhass angesichts immer neuer Ausformungen beispielsweise in der islamischen Welt oder unter Globalisierungskritikern geben soll, ist für ihn eigentlich nur eine semantische Frage. Fakt ist, so Laqueur, dass die Judenfeindschaft in der Zukunft weiterhin eine Gefahr bleibt und nicht verschwinden wird.

Erschienen in: Jüdische Allgemeine 11/2008.

hagalil.com 13-04-08











 

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