Tova Mirvis
Die Schabbatbraut.
Piper Verlag
395 Seiten, EUR 9,90 |
"Wir alle mochten sie.
Das heißt trotz ihrer etwas freizügigen Kleider und der unverschämt
langen blonde Haare. Daß Batsheva schließlich auch noch unsere
Kinder beeinflussen und Yosef, den Sohn des Rabbi, vom Pfad der
Tugend abbringen würde, konnte ja niemand ahnen."
Mitten an einem Freitagnachmittag - alle sind mit den Vorbereitungen für
Schabbat beschäftigt - zieht Batsheva, eine unkonventionelle Witwe und
alleinerziehende Mutter in Memphis ein. Ihren Mann, der aus dieser Gemeinde
stammte, hat sie durch einen Unfall verloren. Sie, die zum Judentum konvertiert
ist, sucht einen neuen Lebensraum für sich und ihre kleine Tochter.
Von den Frauen dieser orthodoxen Gemeinde, deren Leben geprägt ist von
unablässigen Telefonaten, aufwendigen Schabbatessen und gegenseitige
Einladungen, durch die Feiertage und deren Rituale und durch die Gewissheit, im
"Jerusalem des Südens" zu leben, wird sie kritisch beobachtet. Alle Gebete kann
sie singen, und sie geht in die den verheirateten Frauen vorbehaltene Mikwe.
Batsheva bringt diese orthodoxe Gemeinschaft in die Krise. Und zwar nicht, weil
sie gegen die religiösen Gebote revoltieren würde, sondern weil sie eine ihr
gemäße Form finden und sie auf die heutige Zeit bezogen mit Leben füllen will.
Sie begeht die jüdischen Feiertage nicht, weil sie seit Generationen auf die
gleiche Weise begangen wurden, sondern weil sie sie jetzt feiern will. Ihr
jüdisches Leben ist ihre bewußte und freie Entscheidung. Sie beginnt beim Sohn
des Rabbiners die religiösen Traditionen zu studieren, weil sie ihre Religion
tiefer verstehen will. Sie ist von dem, was sie findet, begeistert. Sie versteht
es, das zu genießen, was für die anderen reine Gewohnheit ist. Das wirkt
irritierend und ansteckend zugleich.
Weil sie dabei authentisch ist. gelingt es ihr auch, das Vertrauen der
Highschool-Mädchen zu gewinnen denen sie als Malerin Kunstunterricht erteilt.
Sie zeigt ihnen, daß es neben dem Besuch einer orthodoxen Schule und der
anschließenden Suche nach einem Ehemann noch andere Lebensperspektiven geben
kann. Liebevoll und detailgenau durch das Wissen einer Insiderin kann Tova
Mirvis das Leben von jüdischen Frauen in einer modern orthodoxen Gemeinde
sichtbar machen, das von der Spannung zwischen den überlieferten Traditionen und
der Sehnsucht nach neuen Aufbrüchen und Erfahrungen geprägt ist.
Aber kann Batsheva auf Dauer in dieser orthodoxen Gemeinde ihren Platz finden?
Wird sie gehen oder bleiben? Tova Mirvis, die in Memphis aufwuchs und heute in
New York lebt, hat mehr als 5 Jahre an diesem Buch gearbeitet. Auf das nächste
darf man schon heute gespannt sein.
Zum Weiterlesen:
Richtungen
im heutigen Judentum
Als alleinerziehende Mutter in einer orthodoxen jüdischen Gemeinde
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