Vordenker der "Neuen Rechten":
Harte Kerne
An der Schnittstelle zwischen
Rechtskonservatismus und der extremen Rechten machte der Publizist Armin
Mohler Karriere
Von Jan Süselbeck
Jungle World 33 - 04.
August 2004
Er sei "einer der Begründer und einflussreichsten
Vordenker der oft als 'Neue Rechte' bezeichneten rechtskonservativen bis
neofaschistischen Strömung in Deutschland" gewesen. So heißt es im
Klappentext der neuen Studie des Bremer Politikwissenschaftlers Thomas
Willms über den Publizisten Armin Mohler (1920-2003).
Erstmals in der Literatur über Mohler wird der schnelle
Aufstieg des Baseler Philosophiestudenten dokumentiert, der 1942 illegal
die schweizerisch-deutsche Grenze überquerte, um sich freiwillig zur
Waffen-SS zu melden. Sein zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Jahr
1970 errungener Einfluss auf deutsche Parteien, Organisationen, Verlage
und Zeitschriften ist das Thema der Arbeit.
Dem Autor gelingt dabei auch ein knappes, aber
eindringliches Bild der rechtskonservativen Grabenkämpfe in den
sechziger Jahren, in deren Zentrum Franz Josef Strauß' CSU stand. Damals
unterstützte Mohler Strauß als Vordenker und Redenschreiber, weil er in
ihn seine Hoffnungen setzte. Willms zeichnet nach, wie die CSU
angesichts einer angeblichen "linken Kulturrevolution" (Mohler) in ihrem
Umfeld ein neues und schlagkräftiges neofaschistisches
Organisationsgeflecht aufbaute.
Zeitschriften und Think Tanks wurden gegründet, deren
Ziel die Relativierung der NS-Verbrechen war, um die Bahn frei zu machen
für eine neue autokratische Politik nach Art von Strauß. Willms arbeitet
heraus, wie stark diese Strategie vom neofaschistischen Gedankengut
Mohlers geprägt war, dem sogar ein strafrechtliches Verbot
zeitgeschichtlicher NS-Forschung vorgeschwebt habe. Stattdessen sollten
die "positiven Seiten" des Nationalsozialismus betont werden.
Einer seiner engsten Verbündeten war der Rechtsphilosoph
Carl Schmitt. "Der sich über 42 Jahre erstreckende Briefwechsel zwischen
Mohler und Schmitt enthält keine Stelle, in der eine (…) eigene
schuldhafte Verstrickung in ein verbrecherisches Regime diskutiert
wird", bemerkt Willms. "Stattdessen gefielen sich die Autoren in der
Pose der Verfemten und Verfolgten." Stolz berief sich Mohler auf
Schmitts Aufwertung des "Partisanen" und ernannte sich selbst in seiner
Dankesrede für den Konrad-Adenauer-Preis 1967 zum "Freischärler".
Den "Feind" sah man in den sechziger Jahren, wie schon
vor 1945, im Osten. Dennoch suchten Mohler und Schmitt auch nach Wegen
einer Emanzipation von den USA, ganz im Sinne der CSU. "Um Deutsche
bleiben zu können, also um die Grundlagen unserer nationalen
Eigenständigkeit in die Ära des Raumfahrtzeitalters hinüberzuretten und
die Gemeinschaft unseres Volkes wiederherzustellen, müssen wir Europäer
werden", sagte Strauß im Jahr 1968 und stellte sich einen "integrierten
Großraum" unter deutscher Herrschaft vor, wie er erst Jahrzehnte später
wieder in greifbare Nähe rücken sollte.
Mit der deutschen Wiedervereinigung verschwanden viele
der Tabus, mit denen sich Strauß’ ehemaliger Ghostwriter Mohler
jahrzehntelang hatte auseinandersetzen müssen. "Ja", antwortete er kurz
und bündig, als ihn die Leipziger Volkszeitung 1995 fragte, ob er
Faschist sei.
Fritz J. Raddatz hatte früher einmal über Mohler in der
Zeit geschrieben, dessen Argumentationen erinnerten ihn an die Frage,
"wie man einen Pudding an die Wand nagelt". Noch früher schien das
allerdings auch bei der Zeit niemanden gestört zu haben. Mohler, der
1949 in Basel über die "Konservative Revolution in Deutschland 1933–45"
promoviert hatte, schrieb zwischen 1955 und 1960 über 200 Artikel für
das Blatt. In den folgenden Jahren gab ihm der Chefredakteur der
Wochenzeitung Christ und Welt, Giselher Wirsing, ehemaliger
Schriftleiter der auflagenstarken NS-Auslandsillustrierten Signal, ein
Forum, bevor Mohler im Jahr 1965 für 20 Jahre ständiger Mitarbeiter von
Axel Springers Welt wurde.
Prägend sei für Mohler ein mehrjähriger Aufenthalt in
Frankreich (1953–61) gewesen, betont Willms. Charles de Gaulles
Präsidentschaft habe seine Vision einer aggressiven deutschen
Außenpolitik inspiriert. Diese beruhe auf den Kategorien von "Freund und
Feind" und enthebe sich jeder moralischen Kategorie. Als Vorbild dienten
ihm wohl jene "Sternstunden deutscher Geschichte" (Mohler), in denen
sich der deutsche Aktionismus besonders "unmoralisch" entfalten konnte:
die Jahre 1933 bis 1945.
Seit 1945 könne man in Deutschland nur noch zwischen
"Selbstbehauptung" und weiterer "Schrumpfung" wählen, befand Mohler
1969. Für ihn konnte das nur heißen, vor dem Ausland endlich nicht mehr
"hündisch (zu) kriechen": "Als harte Kerne zwischen den Trümmern
erweisen sich die Völker, die sie selbst sein wollen."
Dafür, dass Deutschland wieder "hart" werde, rackerte er
zeitlebens an allen Fronten, die Willms in seinem Kapitel
"Organisatorische Zusammenhänge" auflistet. Mohler verdingte sich von
1949 bis 1953 als Privatsekretär Ernst Jüngers und schrieb, teilweise
unter Pseudonym, jahrelang für Blätter wie Gerhard Freys rechtsextreme
Deutsche National-Zeitung und das Hausblatt der CSU, den Bayernkurier.
In seinen erfolgreichen rechtspopulistischen Büchern lieferte er selten
Belege für seine Behauptungen, was ihn jedoch nicht daran hinderte, 1967
an der Universität Innsbruck zu habilitieren.
Ab 1961 fand er ein Auskommen in der
Friedrich-von-Siemens-Stiftung, deren Geschäftsführer er 1964 wurde und
bis zu seiner Pensionierung 1985 blieb. Die Stiftung, der Willms einen
Exkurs widmet, verfügte über beachtliche finanzielle Mittel. Als
Aushängeschild eines der größten deutschen Konzerne, dessen Namenspatron
eine maßgebliche Rolle in der Herbeiführung des NS-Regimes gespielt
hatte, gewann sie seit den siebziger Jahren großen Einfluss auf die
rechte Ideologiebildung und arbeitete an der Vernetzung von Wirtschaft
und Politik.
Dank derlei Informationen ist Willms' Arbeit mehr als
ein bloßes Mohler-Dossier. Sie gibt auch eine kleine Einführung in die
braunen Strukturen in der frühen Bundesrepublik.
Erschienen in:
Jungle World
33 - 04. August 2004
hagalil.com
09-08-04 |