Dieser Ausspruch gibt das Selbstbild
der meisten österreichischen Schutzpolizisten wieder, die von 1941 bis
1944 an der Judenvernichtung in Ostgalizien unmittelbar beteiligt waren.
Thomas Geldmacher, der Politikwissenschaft, Zeitgeschichte und Slawistik
studierte, hat ein wichtiges Buch über "Österreichische Schutzpolizisten
und die Judenvernichtung in Ostgalizien 1941-1944" geschrieben und es
ist dem kleinen Wiener Mandelbaum Verlag zu danken, dass es das Risiko
auf sich genommen hat, dieses Buch, das ein gerne verschwiegenes Kapitel
der österreichischen Zeitgeschichte beleuchtet, herauszugeben.Die
Angehörigen des Reserve-Polizeibataillons 101 stammten zum Großteil aus
Hamburger Arbeiterfamilien, und die Wiener "Kieberer" (Polizisten), die
im Distrikt Galizien eine Hauptrolle bei der Judenvernichtung spielten,
waren zum überwiegenden Teil in christlichsozial dominierten ländlichen
Milieus aufgewachsen. Bei ihrem Abmarsch nach Galizien hatten die
meisten Männer ihren 40. Geburtstag bereits hinter sich.
Der Autor dokumentiert, dass dies kein Verbrechen war, das von
einigen hundert verblendeten, wahnsinnigen oder sadistischen SS- und
Gestapo-Schergen verübt wurde. Die Beteiligung sowohl von gewöhnlichen
Wehrmachtssoldaten wie auch von Angehörigen der Ordnungspolizei rückt
die nationalsozialistische Judenvernichtung zunehmend in die Mitte der
deutschen und österreichischen Gesellschaft der Dreißiger- und
Vierzigerjahre.
Anders als beispielsweise die Eliten der Sicherheitspolizei und des
SD waren sie keine nationalsozialistisch geprägten Überzeugungstäter,
die über Jahre hinweg an den deutschen oder auch österreichischen
Universitäten umfangreiche ideologische Schulung und einschlägige
Erfahrungen an angewandtem Antisemitismus gesammelt hatten. Dennoch
ließen auch sie sich beinahe umstandslos und ohne erkennbaren Widerstand
für die Judenvernichtung instrumentalisieren.
War es simple Habgier die sie trieb? Immerhin fand man nach dem Krieg
in den Wohnungen der Wiener Polizisten Schätze, die diese von Juden
geplündert bzw. erpresst hatten. Doch es war nicht nur Habgier. Ein
Polizist sagte aus: "Der Held erschien allgemein umso größer, je mehr
Juden er erschossen oder drangsaliert hatte." Der Autor fragt: "Machte
es den Schutzpolizisten also Spaß, Juden zu misshandeln und zu töten,
und rechneten sich die Männer diese Misshandlungen und Morde als
Verdienst an?"
Die Männer der Schutzpolizei-Dienstabteilungen in Drohobycz und
Boryslaw waren ganz normale Österreicher. Es gibt keinen plausiblen
Grund zur Annahme, dass die Wiener Sicherheitswache in den
Zwanzigerjahren vorwiegend latente Gewalttäter einstellte. Ebenso wenig
existieren Hinweise, dass die Schutzpolizisten schon vor ihrer
Versetzung nach Galizien durch besondere Brutalität aufgefallen oder das
Gewaltbereitschaft und eine Veranlagung zur Quälerei Bestandteile des
"Osteinsatz"-Anforderungsprofils für Schutzpolizisten gewesen wären.
Hoch anzurechnen ist dem Autor auch, dass er eine "polemische
Schlussbemerkung" zu der Gedenktafel macht, die am 18. Januar 2000 in
der Wiener Marokkanerkaserne angebracht wurde und die auf die Rolle der
Wiener Schutzpolizisten während der Zeit des Nationalsozialismus
hinweisen soll. "In der Zeit von 1938 bis 1945 hat es in den Reihen der
Wiener Schutzpolizei auch Täter und Opfer des nationalsozialistischen
Gewaltregimes gegeben. Schutzpolizisten wurden zu Verbrechen an Juden
und anderen Opfern missbraucht. Dieses Werk ist Mahnung und Gedenken an
Menschen, deren Leid, deren Not, deren Mut, deren Schuld und deren
Lebensverachtung."
Allein die eineinhalb Seiten, mit denen Thomas Geldmacher diese Tafel
kommentiert ist schon Grund genug, dieses Buch käuflich zu erwerben. Dem
Buch ist weite Verbreitung, insbesondere bei Jugendlichen zu wünschen,
und in einem zukünftig wirklich demokratischen Österreich sollte sich
auch jeder Polizist und Soldat mit diesem Buch auseinandersetzen.