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Kladovo:
Eine Flucht nach Palästina

Jüdisches Museum Wien

Von 8. Juli bis 4. November 2001 zeigte das Jüdische Museum Wien "Kladovo – Eine Flucht nach Palästina", die das Schicksal einer Gruppe jüdischer Flüchtlinge dokumentierte, die unter besonders dramatischen Umständen stattfand: Im Dezember 1939 verließ ein Schiff mit über 1000 Flüchtlingen an Bord den Hafen von Bratislava. Zum Großteil waren sie per Bahn aus Wien gekommen. Nach zweiwöchiger Odyssee auf der Donau erreichte die Gruppe den serbischen Ort Kladovo. Alle Bemühungen um eine Weiterreise scheiterten zunächst am strengen Winter, der den Fluss zufrieren ließ, dann aber an finanziellen, organisatorischen und vor allem behördlichen Schwierigkeiten. Nur etwa 200 Jugendlichen gelang wenige Tage vor dem Nazi-Überfall auf Jugoslawien im April 1941 doch noch die Flucht nach Palästina.

Ehud Nahir zählte zu den Überlebenden. Er stellte Hunderte Fotos, die den Weg in die Lager von Kladovo und Šabac dokumentieren, zu dem Album zusammen, das den Ausgangspunkt für die Ausstellung bildet. Hinzu kommen Originaldokumente und ein Film von Alisa Douer, in dem der Lebensweg von Überlebenden des Kladowo-Transportes nachgezeichnet wird. Ein zweisprachiges Begleitbuch zur Ausstellung ist im Mandelbaum Verlag Wien erschienen.

Der Kladovo-Transport

Die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung gehörte seit 1933, verstärkt aber nach dem "Anschluss" Österreichs, zu den zentralen Zielen der nationalsozialistischen Machthaber. Doch schon im Oktober 1939 fanden erste Deportationen aus Wien in das deutsch besetzte Polen statt. Parallel zu dieser neuen Linie in der antijüdischen Politik wurde die jüdische Auswanderung aus dem "Reich" aber noch 1940 weiter forciert und erst im Herbst 1941 offiziell verboten. Die "freie Welt" hatte in dieser Situation ihre Tore vor den anströmenden Flüchtlingsmassen immer rigoroser verschlossen, sodass vor allem nach Kriegsbeginn fast nur noch die Flucht in einige überseeische Länder oder aber mit sogenannten "illegalen Transporten" nach Palästina in Frage kam. Diese Transporte, mit denen Juden unter Missachtung der britischen Einwanderungsbeschränkungen in das britische Mandatsgebiet im Nahen Osten geschleust wurden, wurden seit Mitte 1938 zu einem Massenrettungsprogramm. Sie gewannen 1939 weiter an Bedeutung, weil die Briten die legale Einwanderung nach Palästina im Mai durch das "Weißbuch" weitgehend eingefroren und nach Kriegsbeginn die direkte Immigration von Juden aus dem "Deutschen Reich" gänzlich untersagt hatten. Juden aus diesen Gebieten galten fortan als "feindliche Ausländer. Nur wer sich bereits in einem neutralen Land befand, konnte unter bestimmten Bedingungen ein Einwanderungszertifikat bekommen.

Die immer dramatischere Verfolgungssituation in der "Ostmark", vor allem die Androhung neuerlicher Deportationen durch die SS, veranlassten den damaligen Generalsekretär des "Hechaluz" und "Mossad"-Repräsentanten in Wien, Georg Überall (später Ehud Avriel) gegen Ende des Jahres 1939 zu einer folgenschweren Entscheidung: Er beschloss, die noch in der "Ostmark" befindlichen Mitglieder des "Hechaluz" außer Landes zu bringen, obwohl an der unteren Donau kein Hochseedampfer für ihren Weitertransport nach Palästina bereit stand. Erstmals wurde in dieser Situation auch eine etwa 120 Personen umfassende Gruppe der "Jugend-Alija" (JUAL) einem illegalen Transport angeschlossen. Mehrere Hundert Personen wurden zunächst nach Bratislava gebracht. Gemäß einer Aufstellung hatten sich zunächst 822 Personen aus Wien, 130 aus Berlin und 50 aus Danzig dem Transport angeschlossen. Während des Aufenthaltes in Bratislava kamen noch etwa 100 weitere Flüchtlinge aus Prag und Bratislava hinzu.


Wien, Schloss Schönbrunn,
25. November 1939, Rathaus

Weil die Donau zuzufrieren drohte und die slowakischen Behörden die Rückstellung der Gruppe an die deutsche Grenze ankündigten, drängten die "Mossad"-Agenten in Wien und Genf, Georg Überall und Mosche Agami, auf die Weiterfahrt, obwohl an der Donaumündung noch immer kein Schiff bereit stand. Nach etwa zehntägigem Aufenthalt fuhren die Flüchtlinge auf der "Uranus", einem mit Hakenkreuzfahnen beflaggten Ausflugsdampfer der DDSG, von Bratislava ab. Doch bereits an der ungarischen Grenze wurde das Schiff unerwartet aufgehalten und musste zum Ausgangsort zurückkehren. Am 13. Dezember begann die Reise noch einmal, doch schon einen Tag später wurden die Passagiere mitten auf dem Fluss auf drei jugoslawische Ausflugsschiffe – "Car Nikola", "Car Dušan" und "Kraljica Marija" – transferiert, die der Generalsekretär des Verbandes der jüdischen Gemeinden in Jugoslawien, Sime Spitzer, im Auftrag des "Mossad" von der nationalen jugoslawischen Schifffahrtsgesellschaft gechartert hatte. Ursache der unerwarteten Wendung war die Weigerung der DDSG, die Fahrt mit der "Uranus" fortzusetzen, solange die Umschiffung der Passagiere an der Donaumündung nicht gesichert war.

Doch auch die Reise auf den jugoslawischen Schiffen endete wenig später – diesmal im Dreiländereck zwischen Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien. Nun hatten die Rumänen mit dem selben Argument die Durchfahrt untersagt. Bald darauf wurde klar, dass aufgrund der Witterungsbedingungen mit einem Fortkommen in absehbarer Zeit nicht mehr zu rechnen war. Am Silvestertag des Jahres 1939 wurden die Schiffe in den Winterhafen von Kladovo nahe dem Eisernen Tor eingewiesen. In diesem kleinen Ort, der 54 Kilometer von der nächsten Eisenbahnstation entfernt und im Winter praktisch von der Außenwelt abgeschnitten war, sollten die Flüchtlinge die Eisschmelze abwarten. Spitzer musste sich gegenüber der jugoslawischen Regierung verpflichten, für die Erhaltung der Gruppe aufzukommen. In ganz Jugoslawien lebten zu dieser Zeit neben 71.200 einheimischen Juden bereits Tausende Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, für die eigene Sammellager eingerichtet worden waren.

Auf den Schiffen herrschten unerträgliche Zustände: räumliche Beengtheit, Schmutz und klirrende Kälte. Erst nach einigen Wochen erhielten die Flüchtlinge die Erlaubnis zu zeitlich begrenzten Aufenthalten am Ufer. Nach weiteren Wochen drängte die Schifffahrtsgesellschaft auf die Räumung der drei Dampfer, und die Flüchtlinge übersiedelten an Land – teils in den Ort, teils in Baracken- und Zeltlager am Ufer. Im Zelt- und im Barackenlager, die sich in der Nähe großer Sümpfe befanden, grassierte bald die Malaria, und wegen der unzureichenden Ernährung, dem Schmutz und dem Ungeziefer breiteten sich Krätze und Furunkulosen aus; vereinzelt traten auch Fälle von Kinderlähmung, Rotlauf und Typhus auf.

Im September 1940 konnte die Flüchtlingsgruppe Kladovo endlich verlassen. Doch die Reise führte nicht wie erwartet in Richtung Donaudelta, sondern einige Hundert Kilometer zurück, stromaufwärts, in das serbische Städtchen Sabac an der Save. Die Verlegung der Gruppe stand in Zusammenhang mit einer großen, von der SS geleiteten Aktion zur Rücksiedlung von Volksdeutschen aus Rumänien, die – ebenfalls mit Dampfern der DDSG – flussaufwärts befördert und vorübergehend in Auffanglagern in den serbischen Ortschaften Kladovo und Prahovo untergebracht wurden.

Am 22. September 1940 trafen die Flüchtlinge in dem kleinen Städtchen Šabac ein. Dort wurden die älteren Menschen und Ehepaare in Privatzimmern, die Jugendlichen großteils in einer aufgelassenen Getreidemühle einquartiert, die für diesen Zweck adaptiert wurde. Die Flüchtlinge durften sich mit bestimmten Beschränkungen frei in der Stadt bewegen. Mit der Übersiedlung nach Šabac verbesserten sich die Lebensbedingungen der Flüchtlingsgemeinschaft. Die Menschen genossen größere Bewegungsfreiheit, und es kam mehr Ordnung in ihr Leben. Große Bedeutung kam den verschiedenen zionistischen Jugendgruppen zu, die ihren Mitgliedern durch die Einbindung in ein straffes soziales Gefüge, strikte Disziplin und einen genau geregelten Tagesablauf seelischen Halt zu vermitteln suchten. Obwohl offiziell verboten, suchten viele nach Beschäftigungsmöglichkeiten bei der ortsansässigen Bevölkerung, um sich etwas Taschengeld zu verdienen. Trotz dieser Erleichterungen lebten die Flüchtlinge weiterhin auf Abruf: Viele Male wurde der Aufbruch angekündigt, alles gepackt und vorbereitet.

In Šabac wurde in den letzten Monaten vor dem deutschen Überfall auf Jugoslawien die Kriegsbedrohung immer deutlicher spürbar. Doch noch immer strömten Flüchtlinge aus dem "Deutschen Reich" über die Grenze – auch nach Šabac, wo sich die Flüchtlingsgemeinschaft auf geschätzte 1.400 Menschen vergrößerte. In letzter Sekunde vor dem deutschen Überfall konnte ein kleiner Teil der Kladovo-Flüchtlinge doch noch mit Zertifikaten nach Palästina entkommen, wobei die Zahlenangaben zwischen 200 und 280 Personen schwanken. Es handelte sich bei den Geretteten zum überwiegenden Teil um Mitglieder der "Jugend-Alija", also die 15- bis 17jährigen. Zusätzlich konnten noch einige erwachsene Betreuer, eine Anzahl älterer Mädchen mit WIZO-Zertifikaten sowie eine kleine Zahl älterer Menschen entkommen, für die Verwandte in Palästina Bürgschaften übernommen hatten.


Trude März 1941

Als die Wehrmacht in Jugoslawien einmarschierte, blieben die restlichen mehr als 1100 jüdischen Flüchtlinge des Kladovo-Transportes in der serbischen Stadt Šabac. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 begann der Massenmord an den Juden im Osten. Für die Kladovo-Gruppe bedeuteten diese Entwicklungen, dass sie ab Sommer 1941 keine Chance mehr hatte, Serbien zu verlassen. Von jenen Kladovo-Flüchtlingen, die sich zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls auf Jugoslawien im April 1941 noch immer in Serbien befanden hatten, war es in den darauffolgenden Wochen nur einer Handvoll gelungen, doch noch den Nationalsozialisten zu entkommen und so den Krieg zu überleben.


Penelope 15. Mai-9. Juni 1941

Als Anfang Oktober 1941 bei einem Gefecht mit Partisanen 21 Soldaten getötet wurden, ordnete General Böhme an, zur "Sühne" im Verhältnis 1: 100 für jeden getöteten Deutschen insgesamt 2100 Menschen, "vorwiegend Juden und Kommunisten", zu erschießen. Zu den Opfern dieser "Sühneaktion" zählten 805 Juden, Sinti und Roma aus dem Lager in Šabac - unter ihnen alle Männer des Kladovo-Transportes. Im Jänner 1942 wurden die Frauen und Kinder des Kladovo-Transportes in das KZ Sajmiste bei Belgrad überstellt, wo bereits die aus Serbien stammenden jüdischen Frauen und Kinder interniert waren. Dieses ehemalige Messegelände war nicht als Lager adaptiert. So vegetierten mehr als 7000 Frauen, darunter Greisinnen, Kinder, und Säuglinge bei eisiger Kälte in den Baracken. Viele von ihnen erfroren oder starben an Unterernährung, die anderen wurden mit den Abgasen von Transport-LKWs ermordet.

Erst nach Kriegsende wurde die tragische Geschichte der in Serbien zurückgebliebenen Mitglieder des Kladovo-Transportes in Umrissen bekannt. Bis heute sind manche Angehörige nicht im Detail darüber informiert, auf welche Weise ihre Verwandten in Serbien ums Leben gekommen sind.


Alisa Douer (Hg.): Kladovo - Eine Flucht nach Palästina
Mandelbaum Verlag 2001
Euro 14,00

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hagalil.com 22-04-03











 

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