
Rainer Rutz:
Signal
Eine deutsche Auslandsillustrierte als Propagandainstrument im Zweiten
Weltkrieg
Klartext Verlag 2007
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Die heile Welt der Volksgemeinschaft:
Signal
Rezension von Karl Pfeifer
Während der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs
befand ich mich in Budapest, wo die deutsche Auslandsillustrierte Signal
an den Kiosken zu haben war und von vielen Ungarn gekauft wurde. Die
Zeitschrift – war technisch gut gemacht – und Ungarn war ein Verbündeter
des "Dritten Reiches", doch das erklärt noch nicht, weshalb sie in
Frankreich – einem besetzten Land – solchen Erfolg hatte.
Der Literaturwissenschaftler Rainer Rutz hat nun ein
grundlegendes Werk über dieses deutsche Propagandainstrument vorgelegt,
dass ab April 1940 und bis zum April 1945 in zahlreichen Sprachen
publiziert wurde.
Bereits 2004 räumte der französische Autor Sébastien
Saur mit der überaus hartnäckigen Legende auf, in Signal sei auf
rassistische und antisemitische Töne verzichtet worden. Da war sehr wohl
die Rede von einem zukünftigen Europa unter deutscher Herrschaft, vom
"Judo-Bolschewismus", von "jüdischen Weltherrschaftsplänen" oder dem
"furchtbarsten Verbrechen der Weltgeschichte", dem Welteroberungskrieg
des Judentums".
Hans Hubmann führte anlässlich der Einnahme der
moldawischen Hauptstadt Kischinew vor, wen die deutschen Soldaten "aus
den Schlupfwinkeln" hervorgezerrt hätten. Ein "jüdischer Heckenschütze"
war darunter, ein Spitzel der "GPU" und ein "Kriegskommissar,
überzeugter und fanatischer Kommunist."
1980 bekundete der gleiche Hubmann in seiner Biographie
"Ich blieb mein ganzes Leben lang ein völlig unpolitischer Mensch" und
im Vorwort wurde ihm auch der obligate Persilschein erteilt: "Er war
dabei, aber er hat nicht ‚mitgemacht’. Er war menschlich immer
unantastbar, er hat sich nichts vorzuwerfen.
Die Soldaten der Wehrmacht wurden von Signal als
Lichtgestalten porträtiert, die immer siegen. Das ging am Anfang ganz
gut. Als sich dann die Niederlage abzuzeichnen begann, folgten
Durchhalteparolen und die Schilderung einer schrecklichen Zeit, die nach
der Naziherrschaft folgen würde.
Einer der einflussreichsten Journalisten unter den
Machern des Signal war Giselher Wirsing, der in der Bundesrepublik seine
Karriere bei der CDU-nahen "Christ und Welt" (bis 1963 auflagenstärkste
Wochenzeitung) fortführen konnte. Seit Herbst 1932 "in einem freien
Mitarbeiterverhältnis zur SS," bekleidete er später den Rang eines
SS-Hauptsturmführers. Für den Sicherheitsdienst (SD) unternahm er
"Forschungsreisen" nach Palästina und in die USA. 1940 wurde er zum
SS-Sturmbannführer befördert. Bekanntheit erreichte Wirsing vor allem
durch seine antisemitischen und antibritischen Propagandaschriften
"Engländer, Juden und Araber in Palästina" (1938) und "100 Familien
beherrschen das Empire" (1940) Den zweifelhaften Höhepunkt seines
Schaffens bildete "Der maßlose Kontinent" (1942), ein fast 500 Seiten
umfassendes antiamerikanisches Hetzwerk, das mit dem "Amerikanismus"
abrechnete und einem ungezügelten Antisemitismus huldigte. Wirsing wurde
zwar nach dem Krieg kurze Zeit interniert, doch behinderte seine
Vergangenheit als antisemitischer Hetzer, der u.a. auch bei der
Eröffnung von Rosenbergs Institut zur Erforschung der Judenfrage 1941
eine Rede gehalten hatte, nicht seine Karriere.
Fast alle festen SIGNAL-Mitarbeiter saßen in der jungen
Bundesrepublik wieder in Herausgeber-, Redaktions- und
Chefredaktionsetagen, bei den auflagenstarken Illustrierten QUICK,
REVUE, DER SPIEGEL und STERN ebenso wie bei der Wochenzeitung CHRIST UND
WELT, den Programmzeitschriften HÖR ZU und RADIO-REVUE, dem KONSTANZER
SÜDKURIER oder dem MÜNCHNER MERKUR.
Keine so glänzende Karriere machte nach dem Krieg der
NSDAP-Gauamtsleiter Karl Springenschmid, der Organisator und Redner der
Bücherverbrennung in Salzburg am 30.4.1938, der im Signal seine Texte
publizieren konnte. Er befand sich 1945 bis 1951 im Untergrund und war
danach Lehrer in Salzburg und aktiv beim einschlägigen Deutschen
Kulturwerk Europäischen Geistes. Wesentlich geschickter war da der
Österreicher Heinrich Satter, kein halbes Jahr verstrich seit der
deutschen Kapitulation, bis die Österreichische Zeitung und das
SPÖ-Zentralorgan Arbeiterzeitung neue Beiträge aus seiner Feder
veröffentlichten.
Signal konnte in den ersten Jahren auf die Erfolge der
Wehrmacht hinweisen. Anlässlich des Balkanfeldzuges im Frühjahr 1941 gab
es Begeisterung für Kroatien und Griechenland und Abscheu für Serbien.
Die Serben wurden als "Verschwörer", "Banditen", "Terroristen"
dargestellt. Für den Militärputsch in Belgrad, der die
deutschfreundliche Regierung wegfegte, machte Signal USA-Präsident
Roosevelt verantwortlich, es war "eine Summe von Überheblichkeit,
Dummheit, Bluff und Größenwahn der USA-Staatsführung, die den
jugoslawischen Staat vernichtete."
Noch im Januar 1941 konnte man da lesen, "dass es Europa immer gut ging,
wenn die beiden Großmächte [Deutschland und Russland K.P.]
zusammenarbeiteten". "Als Deutschland und Rußland im tödlichen Kampf
aufeinanderprallten, verloren beide. 1939 hat es sich gezeigt, daß diese
Lehre nicht umsonst war." Bald sollte sich diese Linie ändern und die
Sowjetunion, nur noch als "das schlechthin Böse und Abgründige" gezeigt
werden.
Signal zeigte nicht nur die Soldaten und Offiziere der
Wehrmacht als Lichtgestalten sondern berichtete auch über die heile Welt
der Volksgemeinschaft in Deutschland, die als Muster für ganz Europa
dienen sollte und schlug insbesondere ab 1943 "sozialistische" Töne an.
Wirsing der bald nach dem Krieg konservativ wurde, deklamierte im Herbst
1944: "Alle europäischen Völker sind der Auswüchse der kapitalistischen
Ausbeutung, ob sie nun von außen oder innen erfolgt, überdrüssig. Sie
verlangen nach einer sozialistischen Gemeinschaft, die indes nur im
nationalen Rahmen möglich sein kann."
Wirsing schrieb im Februar 1944, würde de Gaulle, dem
Vorsitzenden "des Algerienkommitees von Moskaus Gnaden" unter "den
Fittichen des Amerikanismus" jemals die Rückkehr "in das französische
Mutterland" gelingen, dann "müßte in Frankreich ein Jahrzehnt des
Mordens, der Denunziationen und Verdächtigungen und gleichzeitig des
Hungers der Massen und Bereicherung der Schurken anbrechen, das die
Schreckensherrschaft des Robespierre und des Directoire noch als
angenehme Erinnerung in der Geschichte der Nation erscheinen lassen
würde." In Frankreich, so Wirsig, "bezweifelt niemand mehr, daß de
Gaulle nur noch die Attrappe ist, hinter der sich der Kern eines
Sowjetfrankreichs entfalten würde, wenn der Dissidentengeneral zum Zuge
käme."
Von den über 2,4 Millionen gedruckten Exemplaren der
Dezembernummer 1942 entfielen 171.000 auf die deutsch-ungarische
Ausgabe. Im April 1943, 16 Monate nach dem Start der finnischen Ausgabe,
wurden allein für diesen Sprachraum 80.000 Stück gedruckt. Insgesamt
stiegen die Produktionsziffern für französischsprachige Teilauflage
zwischen Dezember 1941 und Dezember 1942 von 504.000 auf 750.000 Stück,
mit 680.000 Exemplaren machte diese im Juni 1943 noch mehr als ein
Viertel der Gesamtauflage aus.
Wie kam es, "dass ein Propagandaorgan der Besatzer einen
so riesigen Leserstamm unter den Besetzten finden konnte"?
Rainer Rutz hat auf 446 Seiten ein flüssig und nuanciert
geschriebenes Buch über eines der wichtigsten Propagandainstrumente des
"Dritten Reichs" publiziert, das bislang von der Forschung eher
stiefmütterlich behandelt wurde. Schade, dass dieses wichtige Buch ohne
Personenregister erschienen ist.
hagalil.com
01-07-07 |