Ram Oren:
Das Kainsmal
1945: A German concentration camp is
liberated by advancing American army. A lone survivor staggers out and on
the road nearby finds a German convoy, strafed by the Americans. From one of
the burnedout cars comes the cry of an infant...
![](../keshet/kain-b.gif)
Ram Oren, geboren in Tel-Aviv, wo er auch heute lebt,
steht seit Jahren an der Spitze der israelischen Bestsellerlisten. Der
Jurist und langjährige Mitarbeiter der größten israelischen Tageszeitung
"Jedioth achronoth", brachte seinen ersten Roman 1994 heraus, L’Appât
(Pituj?). Der Roman machte ihn auf Anhieb zum "Mann des Jahres" im Bereich
der Literatur. Bisher liegen neun Bücher von Oren vor, alle waren
außerordentlich erfolgreich. Publishers Weekly bezeichnete ihn als "Israel's
John Grisham". Inzwischen wurde Hollywood auf Oren aufmerksam.
Die Schuld
Von Ram Oren
Unter den Buchbindern von Kischinew war mein Vater nicht
nur als besonders anständiger Mann bekannt, sondern auch als einer, für den
Zionismus Leben und Seele bedeutete. Er las und schrieb Hebräisch, benutzte
seine knappen Ersparnisse, um Orangen aus Jaffa zu kaufen und Photoalben aus
Jerusalem. Wenn er während seiner Arbeit eine Pause machte, starrte er
hinaus auf den trüben Horizont, wo ganz weit dahinter, im Schwarzen Meer,
die Schiffe nach Eretz Israel fuhren.
Sein großer Traum von Alijah wurde mehrmals zerstört, denn die
Mandatsregierung, lehnte mit kühler Gleichgültigkeit seine Ansuchen um ein
Einwanderervisum ab. Aber mein Vater, der auch ein sehr starrsinniger Mann
war, bestach jeden, den er bestechen musste, und schaffte es, sich einer
Delegation von Athleten, die zur Makkabiade nach Tel Aviv fuhren,
anzuschließen. Nur ein paar Mitglieder der Delegation wussten, dass mein
Vater nie in seinem Leben ein Sprinter oder Weitstreckenläufer gewesen war,
dass er niemals einen Diskus oder Hammer geworfen hatte oder überhaupt an
irgendeinem Sport teilgenommen hatte. Schon am ersten Tag des Wettbewerbes
stahl er sich davon, mietete ein altes Geschäft am Rande von Jaffa, brachte
ein hebräisches Schild mit seinem Namen und Handwerk an - und kehrte zur
Buchbinderei zurück. Kischinew sah er niemals wieder.
Meine Mutter kam aus der Ukraine, als Teil eines Programmes zur
Familienzusammenführung. Sie hatte einen blonden Zopf um ihren Kopf gewunden
und sie liebte Bücher und Musik. Eines Samstags saß sie zufällig neben
meinem Vater beim Oneg Schabbat. Sie gingen gemeinsam weg und mein Vater
begleitete sie nach Hause. Kurze Zeit später heirateten sie.
Sie putzen den Dachboden der Buchbinderei, der als
Papierlager und Unterkunft einer stattlichen Anzahl Mäuse diente, und
verwandelten eine Ecke in ihre Wohnung. Sie waren beide arm, aber das hielt
sie nicht davon ab, sich ein Kind zu wünschen. Meine Mutter hatte eine
schwierige Schwangerschaft und mein Vater musste von einem Freund Geld
ausleihen, um die medizinische Behandlung bezahlen zu können. Dann ging er
in die Stadt, in die Ordination des bekannten Tel Aviver Gynäkologen Prof.
Irvin Rabau, und flehte ihn um einen Hausbesuch an.
Das war kein einfaches Ansuchen. Vor allem, weil der berühmte Professer ein
"Jecke" war, mit einem schweren deutschen Akzent. Außerdem war er zu
beschäftigt, um Hausbesuche bei seinen Patienten zu machen. Drittens war der
südliche Teil der Stadt damals eine unsichere Gegend. Aufgebrachte Araber
aus Jaffa hatten jüdische Häuser und Geschäfte überfallen, verwüstet, Feuer
gelegt und Leute angegriffen. Aber der Professor konnte dem bekümmerten
Gesichtsausdruck meines Vaters nicht widerstehen. Ein britischer Polizist
eskortierte seinen Ford bis zum Eingang der Buchbinderei, damit er nicht zu
Schaden komme.
Er trug einen teuren Anzug und duftete nach Eau de Cologne, das sofort den
drückenden Geruch des Papiers und des Leims vertrieb. Prof. Rabau stieg die
wackelige Holztreppe hinauf, die immer gefährlich im Dunkeln lag, und betrat
den Dachboden. Im Zimmer, neben dem Fenster, sah er einen Wasserkocher auf
einem Ofen. Meine Mutter, die daneben lag, erklärte ihm, dass sie und mein
Vater das kochende Wasser bereitgestellt hatten, um es auf Vandalen zu
schütten, wenn sie versuchen sollten, in das Geschäft einzubrechen. Der
Professor war geschockt und schrie "Mein Gott!"
Der Professor verbrachte eine lange Zeit mit der Untersuchung meiner Mutter.
Dann gab er ihr eine Medizin und versicherte ihr, dass alles in Ordnung sein
werde. Als mein Vater bezahlen wollte, blickte der Professor im schäbigen
Zimmer umher, auf den nassen Plafond und das Eisenbett, in dem meine Mutter
lag, und lehnte entschieden ab, eine Zahlung zu akzeptieren. Er nahm keinen
Pfennig, nicht bei seinen nachfolgenden Besuchen und auch nicht nach der
Geburt, bei der er meiner Mutter mit großen Anstrengungen geholfen hatte,
mich gesund und in einem Stück auf die Welt zu bringen.
Meine Mutter schüttelte müde und schweißnass seine Hand und murmelte:
"Danke." Mein Vater, der überhaupt nicht religiös war, sagte: "Gott hat sie
zu uns geschickt." Der Professor nahm auch kein Geld für seine Geburtshilfe.
Die Jahre vergingen. Meine Eltern übersiedelten in eine richtige Wohnung in
der Mitte von Tel Aviv. Mein Vater band weiterhin seine Bücher in dem
Geschäft in Jaffa. Meine Mutter wurde noch zweimal schwanger, zwei normale
Schwangerschaften, ohne Komplikationen, die keine besondere medizinische
Betreuung verlangten. Den Professor, dem ich die Tatsache, dass ich lebe und
atme, verdanke, habe ich nie gesehen.
Meine Mutter starb, als ich 22 Jahre alt war. Der Verlust war sehr schwer
für meinen Vater. Als er 70 war, hörte er auf, Bücher zu binden und widmete
sich dem Lesen und Schreiben. Am Morgen las und schrieb er, am Nachmittag
ging er spazieren, traf Freunde, bestellte einen Milchkaffee im Ditza Café
und vermisste meine Mutter.
Eines Tages, als er 75 Jahre alt war, sah er einen alten Mann, der auf dem
Gehsteig in der Frishman Strasse ausgerutscht war. Mein Vater eilte ihm zu
Hilfe. Als er den alten Mann aufhob, sahen sie einander an. Mein Vater
erinnerte sich zuerst:
"Prof. Rabau?", fragte er.
"Ja. Und wer sind Sie ...?"
Mein Vater sagte es ihm.
"Ja ... Ja ... Jetzt erinnere ich mich. Wie geht es Ihrer Frau?"
"Sie ist vor langer Zeit gestorben."
"Das tut mir leid. Und das Kind?"
"Er schreibt Bücher."
"Verzeihen Sie ... ich schäme mich, aber ich lese keine Bücher auf hebräisch
..."
Er hatte immer noch denselben deutschen Akzent, aber das Alter hatte starke
Spuren hinterlassen: seine Haltung war gebückt, sein Ausdruck müde und sein
Schritt unsicher. Mein Vater begleitete ihn nach Hause. Auf dem Weg erwähnte
Prof. Rabau, wie sehr er es bedaure, niemanden zu haben, mit dem er
regelmäßig sprechen könne. "Dann komme ich morgen auch", sagte mein Vater.
Er kam. Die beiden verbrachten Stunden damit, in der Stadt spazieren zu
gehen, vertieft in Gespräche über Politik, klassische Literatur und Musik.
Dann setzten sie sich nieder, tranken Kaffee und aßen Apfelstrudel. Als sie
sich verabschiedeten, sagte der Professor: "Vielen Dank. Es ist lange her,
dass ich so mit jemandem gesprochen habe."
"Bis morgen", sagte mein Vater.
"Sicherlich ist das anstrengend für Sie ..."
"Nein, überhaupt nicht."
Der Professor fing an, zu sagen, er stimme nur zu, wenn er seinen neuen
Gefährten für die Zeit, die sie miteinander verbringen, bezahle, aber mein
Vater unterbrach ihn und sagte, dass er nicht im Traum daran denke, Geld zu
nehmen. "Warum?", fragte der Professor. Und mein Vater antwortete: "Weil ich
niemals zurückzahlen kann, was ich ihnen schulde."
Und so, bis zum Tod Prof. Rabaus zahlte mein Vater seine Schuld in Raten: Er
kümmerte sich um den Mann, ging mit ihm spazieren, verbrachte Zeit mit ihm,
las ihm hebräische Bücher vor (inklusive jener, die ich geschrieben habe).
Hier und da findet man noch Leute, die sich an die beiden erinnern können,
zwei alte Männer, die gemächlich die Gehsteige der Stadt entlang schlendern,
einander unterstützend und sinnierend über längst vergangene Menschen und
Zeiten.
Ram Oren ist der Eigentümer des Keter Verlages und
Bestseller Autor
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Ram Oren is Israel's most popular author. Called "Israel's
John Grisham" by Publishers Weekly, his books are runaway bestsellers and
one, bought by Hollywood, is soon to be made into a major motion picture.
Ram Oren, a lawyer by training, was for many years a senior editor at
Yedioth Aharonot, Israel's most widely-read newspaper.
Ram Oren est né à Tel-Aviv où il vit actuellement.
Longtemps journaliste à Yédiot haHaronot, l’un des plus grands quotidiens
israéliens, il publie son premier roman en 1994, L’Appât, un best-seller qui
lui vaut le prix de "l’Homme de l’année" en littérature. Il est l’auteur, à
ce jour, de neuf livres, tous d’immenses succès. Ram Oren a aussi écrit des
séries télévisées très populaires et est l’un des patrons de la maison
d’édition Keshet, qui publie des écrivains israéliens majeurs.
hagalil.com
12-02-04 |
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Ot Kain
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Ram Oren
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stmus.com
Oren, Ram
The Sign of Cain - English edition
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