Aus dem Leben eines jüdischen Emigranten:
Gad Granach - Heimat los
Der NDR
zeigte am Montag ein Portait von Gad Granach. Granach erzählte seine
Lebensgeschichte, während er die Stationen seines Lebens nachging - auch
physisch. Er besuchte Berlin, wo er aufwuchs, Hamburg, wo er auf die
Emigration und die Arbeit in einem Kibbuz vorbereitet wurde. Er zeigte
seine Stationen in Israel - Haifa, Tel Aviv, Totes Meer - und erzählte
von seiner Familie, seinen Erfahrungen, seinen Wünschen, Träumen,
Hoffnungen ...
Die Offenheit Granachs beeindruckt. Er hat die Gabe, seine Gefühle in
Worte zu fassen, die man versteht, Worte, die zwischen Zynismus und Witz
zu schweben scheinen. Er macht einen eher rauhen, unsentimentalen
Eindruck, spricht distanziert, aber gerade diese spezielle Art macht ihn
so glaubhaft.
Sein Vater, der berühmte Schauspieler Alexander Granach, stammte aus dem
ostjüdischen Millieu, seine Mutter kam aus einer assimilierten Familie
des Westens. Die Familie lebte im assimilierten Millieu Berlins und der
Sohn lernte das Ostjudentum nur durch Besuche mit seinem Vater im
Scheunenviertel kennen.
Gad Granach mochte gleich die "militante" Form der Jüdischkeit, das
Zeigen, dass man Jude ist. Von seiner Mutter hatte er stets gehört, er
solle sich - "psst" - unauffällig verhalten, um keinen Antisemitismus
heraufzubeschwören. Ihm war schon früh klar, dass auch ein "psst" keinen
Antisemitismus verhindert. Granach: "Wenn es keine Juden gäbe, gegen die
sich der Antisemitismus richten könne, müsste man sie eigens erfinden."
Er beschreibt den Menschen als ein Wesen, dass ein Objekt des Hasses
benötige, und da sei das jüdische Volk als Ziel des Hasses besonders
qualifiziert, sozusagen schon professionalisiert durch Jahrhunderte
lange Erfahrung.
Mit 21 Jahren im Jahr 1936 wanderte Granach nach Palästina aus. Er begann
als Bauarbeiter in Tel Aviv und arbeitete später als Lokomotivführer am
Toten Meer. Vom Krieg und der Schoah bekam er anfangs fast nichts mit.
Er beschreibt sein Leben am Toten Meer als eine Art "Insel", die vom
Krieg ausgenommen schien. Man spürt, wenn er spricht, seinen Stolz auf
sein Mitwirken beim Aufbau Israels, seine Freude, nicht mehr auf der
Opferseite zu stehen, seine Liebe zum Land, das er als Pionier
mitbegründen durfte. Aber man spürt auch seine Trauer und Scham über
sein Nichtwissen während dieser Zeit. Erst 1942 mit den ersten großen
Einwanderungswellen wurde ihm und den anderen jungen Juden, die relativ
frühzeitig Deutschland verlassen hatten, etwas klarer, was in
Deutschland geschah, und doch spricht er davon, wie unfassbar ihm diese
Tagödie damals erschien, wie abstrakt für ihn immer noch die Zahl 6
Millionen ist. Er muss sich das Leid immer wieder anhand konkreter
Einzelschicksale vergegenwärtigen, weil die Dimensionen sonst unfassbar
sind.
Bei seinen Erzählungen über die Familie überzeugt Granach durch die
Fähigkeit zu differenzieren. Er beschreibt die enge Bindung an die
Mutter, als eine Art Verbündete und die eher distanziert-bewundernde
Beziehung zum Vater, die dennoch nicht weniger innig ist.
Der Vater, bis dahin als erfolgreicher Schauspieler auf deutschen Bühnen
und in Filmen zu Hause, verließ Deutschland schon früh und ging nach
Amerika. In Amerika bekam er wegen seines deutschen Akzents vorzugsweise
Nazi-Rollen angeboten, die er auch erfolgreich spielte. Der Wahnsinn ist
nur noch durch die Realität zu übertreffen.
Inge S.
Lesetipp:
Gad Granach
Heimat los.
Aus dem Leben eines jüdischen Emigranten
hagalil.com
/ 16-01-02 |