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Martin Schäuble, Noah Flug:
Die Geschichte der Israelis und Palästinenser
Carl Hanser Verlag 2007
Euro 17,90

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Anstelle eines Nachwortes:
"Das ist unser Zuhause"

Leseprobe

Keine der Nahost-Konferenzen brachte den Menschen bislang einen dauerhaften Frieden. Einen Ausweg aus der Gewaltspirale suchen israelische und palästinensische Organisationen oft mit internationaler Hilfe. Manche führen junge Israelis und Palästinenser zusammen, damit sie über ihr Schicksal reden – und zwar in einem Friedenscamp im Ausland, weit weg von alltäglichen Einflüssen.

Der 16-jährige Palästinenser Aiyub Tutundschi lernte auf diese Weise den gleichaltrigen Israeli Elad Schachar kennen. "Ich sah Elad zum ersten Mal bei einem Vortreffen in Jerusalem. Etwa zwanzig Leute saßen in einem Raum zusammen. Er kam zu spät und war der einzige Teilnehmer mit einer Kippa. Ich war etwas schockiert und wunderte mich, dass so jemand in ein Friedenscamp geht. Ich hatte zuvor noch nie mit Israelis gesprochen. Ich dachte gar nicht daran, ich dachte, es ist reine Zeitverschwendung."

Der Israeli Elad Schachar hatte dagegen schon Erfahrungen mit der anderen Seite gemacht. "Ich hatte schon mal mit Palästinensern geredet. Es war nie ein normales Gespräch. Ich wusste nicht, dass Aiyub Palästinenser ist. Wenn ich ein Bild mit zwei Menschen vor mir sehe und gefragt werde, wer ist der Palästinenser und wer der Jude – das könnte ich nicht sagen, es gibt kein bestimmtes Merkmal. Erst als er seinen Namen gesagt hat, da war mir es sofort klar, dass er Palästinenser ist. So nennt sich kein Jude [Aiyub ist der arabische Name für Hiob, eine bei religiösen Juden umstrittene Figur im Alten Testament]."

Das erste Gespräch zwischen beiden ergab sich erst auf der anderen Seite des Atlantiks, in einem Friedenscamp in New York. Aiyub erinnert sich: "Wir mussten uns im Camp ein Zimmer und ein Hochbett teilen. Ich schlief oben, er unten. Ich redete mit Elad zum ersten Mal in diesem Zimmer. Wir fingen an, uns kennenzulernen." Elad weiß noch, worüber er mit Aiyub beim ersten Mal diskutierte. "Wir sprachen über alles, nur nicht über Politik. Wir redeten über Musik, Kinofilme und die Mädchen im Camp. Ich fand es anfangs ziemlich verrückt, mit einem Palästinenser in einem Zimmer zu schlafen. In dem Camp waren rund 60 Leute aus der ganzen Welt. Es ging um die Konflikte zum Beispiel in Nordirland, in Südafrika und um uns. Einmal suchten sie zwei Freiwillige, die vor der ganzen Gruppe diskutieren mussten. Alle zeigten auf Aiyub und mich, sie wollten etwas erleben. Wir hatten am Vortag einen Streit. Eigentlich sollten wir da nur eine Präsentation machen, doch wir unterbrachen uns gegenseitig, fingen sogar an zu schreien."

Aiyub denkt ungern zurück an diesen Tumult. "Wir waren richtig schlecht. Sie brachten uns später in dem Camp bei, wie zugehört und diskutiert wird." Ein wichtiges Thema für Aiyub war die Situation im Gazastreifen. "Die Israelis sagen, sie hätten die Siedlungen freiwillig geräumt und das Gebiet den Palästinensern übergeben. Nach meiner Meinung haben die Israelis den Gazastreifen verlassen, weil sie die Lage nicht mehr kontrollieren konnten. Wir sind uns in vielen Dingen nicht einig."

Der Israeli Elad sieht das ähnlich. "Es ist fast unmöglich, über den Konflikt zu sprechen. Was für Aiyub Fakten sind, sind für mich keine und andersherum. Die Palästinenser sagen, wir seien in Gaza davongerannt. Wir sehen das aus einem ganz anderen Blickwinkel. Und das Camp hat es mir ermöglicht, Dinge auch von der anderen Seite zu sehen. Ich lebte auf einmal mit Menschen zusammen, die ich zuvor als meine Feinde betrachtet habe. Doch Aiyub hasste mich nicht. Er akzeptierte, dass ich existiere. Die Palästinenser, die ein paar hundert Meter von meiner Stadt entfernt leben, machen das nicht. Die sehen mich nicht einmal an. Jeden Freitag nach dem Gebet werfen sie Steine nach uns. Einmal platzierten sie eine Bombe bei unserem Nachbarn vor der Haustür. Er verlor eine Hand. Jetzt trennt uns ein Zaun von dem palästinensischen Dorf."

Aiyub erzählte Elad von seinen Erlebnissen mit Israelis. "Einmal wollte ich zum Basketballspielen nach Jerusalem, in die Altstadt. Am Neuen Tor standen zwei Polizisten, es war während des Freitagsgebetes, sie ließen daher keine jungen Palästinenser rein. Dann stritt ich mich mit der Polizistin, ich schrie, und sie schrie zurück. Dann drückte sie mich mit ihrem Schlagstock weg, es kam zu einem Gerangel, und sie brachten mich aufs Revier. Ich hatte richtig Angst. Sie fragten mich nichts, sondern ließen mich nur warten. Nach fünf Stunden durfte ich nach Hause."

Für Elad hat sich nach dem Friedenscamp viel verändert. "Ich dachte, es gibt keine Chance für Frieden. Ich war der Meinung, wir brauchen Barrieren und Mauern, um uns zu schützen. Aber es gibt viele Leute wie Aiyub, nur leider nicht in der palästinensischen Regierung. Dasselbe gilt für mich und meine Regierung. Viele sind zu stolz und dickköpfig. Leute wie Aiyub und ich müssten uns mehr durchsetzen. Das gilt auch in der eigenen Familie, ich muss meinen Geschwistern zeigen, dass es nicht nur eine Meinung gibt. Es ist dumm, Aiyub zu hassen, nur weil jemand mit seiner Religion jemanden umgebracht hat, den ich kenne."

Aiyub zieht ein ähnliches Fazit. "Auf beiden Seiten gibt es schlechte Leute. Elad und ich glauben zwar an unterschiedliche Fakten, aber wir können miteinander reden. Wenn wir beide es schaffen, im selben Zimmer zu wohnen, dann muss es doch möglich sein, friedlich am gleichen Ort zu leben. Für mich heißt das Land Palästina, für Elad Israel. Über den Namen können wir uns später streiten, wenn sich beide Völker anerkennen und alle die gleichen Rechte haben. Wir kämpfen seit über 60 Jahren gegeneinander. Nichts wurde erreicht. Beide Seiten haben so viel Zeit verschwendet, um einen eigenen Staat zu haben. Wieso nicht Zeit für Frieden verschwenden?"

Radikale Argumente lehnt auch Elad ab. "Manche Israelis sagen, die Palästinenser sollen zurück in die arabischen Nachbarländer. Aber das ist so, als wenn wir Juden dahin zurück sollen, wo wir herkommen. Ich bin von hier, ich habe keinen Ort, wohin ich zurückkann. Das Gleiche gilt aber auch für Aiyub. Wir sind hier, das ist unser Zuhause, und wir müssen eine Lösung finden."

hagalil.com 26-11-07











 

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