Alle, denen der Ausgang der alliierten
Intervention im Irak bittere Enttäuschungen gebracht hat denn die
Republikanischen Garden haben (fast) nicht gekämpft, der Nahe Osten ist
nicht aufgestanden, und vor allem die meisten Irakis haben den Abgang
des Baath-Regimes nicht betrauert werden über dieses Buch des
international bekannten Publizisten und Soziologen, der in der Form
eines Tagebuches eine nüchterne Analyse der Geschehnisse vorgelegt hat,
nicht erfreut sein.Insbesondere treffend seine Bemerkungen über
die große Protestaktionen Mitte Februar: "Keineswegs fehlt es dem
Protest an aggressiven Tönen. Die Personifikation der Weltmacht, der
Präsident der USA, ist Zielscheibe der Satire und Bloßstellung. Die
Ohnmacht macht sich Luft, indem sie die Supermacht lächerlich zu machen
sucht. Ähnliches widerfährt ihren Gefolgsleuten im eigenen Lande. Über
den irakischen Despoten findet sich nirgendwo ein Anflug von Hohn....
Die Wahrnehmung der Gefahr ist im Protestzug gründlich verschoben.
Die Mehrzahl der Demonstranten ist der Ansicht, die von Saddam
Hussein ausgehende Bedrohung sei weit geringer als das mit seiner
Beseitigung verbundene Risiko. Man hält die USA für machtbesessen und
beutegierig, im besten Fall noch für überängstlich. Die Kriege des
letzten Jahrhunderts hätten Europa nicht nur Moral, sondern auch größere
Toleranz gelehrt. Doch ist die Toleranz des Appeasements von Verdrängung
kaum zu unterscheiden.
Das Unvermögen, auf Gefahren aktiv zu reagieren, hat seinen Grund
nicht zuletzt in einem tiefsitzenden Gefühl der eigenen Ohnmacht. Was
man nicht ändern kann, will man möglichst vergessen. Wofür die eigene
Macht fehlt, das existiert nicht... Man geißelt den angeblichen
"Alleingang" der Alliierten, weil er zeigt, wie bedeutungslos man selbst
ist... Das schlimmste Szenario findet mehr Glauben als jede rationale
Abwägung realer Risiken. Zuletzt aber ist es nur ein blamables Spiel mit
der Apokalypse... Nicht noch einmal will man die Schuld auf sich laden,
nicht rechtzeitig protestiert zu haben. Nicht die politische Freiheit
von Hegemonie oder Despotie steht auf den Fahnen, sondern die Befreiung
von latenter Schuldangst.
In einem Land, das zwei Weltkriege begonnen und verloren hat, ist der
Bedarf nach moralischer Eindeutigkeit und sittlicher Verbesserung
besonders hoch... Die große Zahl entlastet von Zweifeln, und sie
verschafft für kurze Zeit das erhebende Gefühl des Gleichklangs. Der
tragende Affekt des Protestes ist die Freude über die unverhoffte
Gemeinsamkeit. Eine heitere Stimmung prägt den Festumzug. Der Protest
feiert sich selbst. Die Vielzahl trägt den einzelnen über seine Ohnmacht
hinweg. Mit den Tatsachen der Macht jedoch hat all dies wenig zu tun."
Teile des Textes sind im Frühjahr in der "Frankfurter Rundschau", der
"Süddeutschen Zeitung" und in der "Weltwoche" erschienen. Das 207 Seiten
umfassende Buch, die erste profunde Untersuchung des Krieges im Irak,
ist denen zu empfehlen, die beim Lesen mitdenken können und auch bereit
sind, sich mit Tatsachen auseinander zu setzen.