Gerd R. Ueberschär:
Für ein anderes Deutschland
Der deutsche Widerstand gegen den NS-Staat 1933-1945
Fischer Tb 2006
Euro 12,95
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Jochen Böhler:
Auftakt zum Vernichtungs-krieg
Die Wehrmacht in Polen 1939
Fischer Tb 2006
Euro 12,95
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Widerstand und Vernichtungskrieg:
Die letzten zwei Bücher der schwarzen Reihe
Rezension von Karl Pfeifer
Die schwarze Reihe der Fischertaschenbücher bieten um
den Preis einer Mahlzeit erstklassige Bücher über die Zeit des
Nationalsozialismus an, die, gebunden ein vielfaches mehr kosten. Das
ermöglicht auch jungen Menschen sich mit dieser Zeit zu befassen.
In dieser Reihe erschien eine kompakte Geschichte des
deutschen Widerstands gegen den NS-Staat von Gerd R. Ueberschär, der einen
kurzgefassten Überblick über die zwölf Jahre des "Tausendjährigen Reiches"
und die gesamte Bandbreite des Widerstands bietet.
So ganz nebenbei räumt das Buch auch mit alten
DDR-Legenden von der Solidarität des deutschen Volkes mit den Kommunisten
auf: "So ist es bezeichnend, dass z.B. im Zuchthaus Brandenburg-Görden
eingesperrte Hitlergegner, wie der KPD-Funktionär Erich Honecker, (der 1937
als illegaler kommunistischer Kurier vom Volksgerichtshof zu zehn Jahren
Zuchthaus verurteilt wurde) nach einer Flucht Anfang März 1945 kurz darauf
wieder freiwillig in das Zuchthaus zurückkehrten, weil sie aufgrund
fehlender Solidarität bei der Bevölkerung wegen der lebensbedrohenden
Schwierigkeiten außerhalb der Zuchthausmauern resignierten und vom
lebensgefährlichen Aufbau einer neuen Widerstandsgruppe Abstand" nahmen.
Jochen Böhlers "Auftakt zum Vernichtungskrieg/Die
Wehrmacht in Polen 1939", widerlegt die Legende, dass der Vernichtungskrieg
erst mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 begonnen hätte.
Das Buch wird mit dem Zitat eines Kommandeurs eines
Artillerie-Regiments vom 12.10.1939 eingeleitet, das für sich spricht: "Und
wir haben die traurigen Bilder gesehen und miterlebt, dass deutsche Soldaten
sengen, brennen, morden, plündern, ohne sich etwas dabei zu denken.
Erwachsene Menschen, die sich nicht einmal dessen bewusst sind, was sie tun,
die – ohne sich ein Gewissen daraus zu machen – gegen gegebene Gesetze und
Vorschriften und gegen die Ehre des deutschen Soldaten verstoßen."
Der Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen
Historischen Institut Warschau, hat den weit verbreiteten Antisemitismus und
Rassismus innerhalb der Wehrmacht gründlich dokumentiert. Im Kapitel
"Freischärlerwahn" zeigt er auf, wie polnischen Soldaten, die sich aufgrund
der rapide nach Osten verlagernden Frontlinie im rückwärtigen Armeegebiet
der Wehrmacht wiederfanden, der Kombattentenstatus aberkannt wurde. "Die Wut
der Wehrmachtsoldaten aber richtete sich vor allem gegen Zivilisten, die
ohne eigenes Zutun in die deutsche Kampflinie geraten waren. Sie wurden als
Freischärler angesehen, auch wenn für eine Teilnahme am Kampf keine Beweise
vorlagen... Ihr Zorn entlud sich in Brandstiftungen und Massenerschießungen
von Zivilisten in polnischen Ortschaften sowie in der Tötung polnischer
Soldaten unmittelbar nach der Gefangennahme."
Es kam auch zur Diskriminierung und Tötung jüdischer Kriegsgefangener, zu
"Blitzpogromen", Plünderungen und Vergewaltigungen.
Auch die Kooperation der Wehrmacht mit SS- und
Polizeieinheiten wird detailliert geschildert.
Das Buch erhebt keine Pauschalbeschuldigungen, zeigt, aber
auf das die verallgemeinernde Apologie der Rechtsextremisten "Unsere
Großväter waren keine Verbrecher" fehl am Platz ist.
hagalil.com
03-07-06 |