Dore Gold,
Hatred's
Kingdom: How
Saudi Arabia
Supports the
New Global
Terrorism,
Regnery
Publishing,
Washington
D.C. 2003
Euro 26,19
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Seit dem 11. September, der neuen
Zündstufe globalen Islamterrors, dauert die Flut der Veröffentlichungen
über Islam und Islamismus sowie die Rolle des Westens im Konflikt mit
dieser erweiterten Gewaltdimension ungebrochen an. Die charismatische
Gestalt des Usama bin Ladin, die Stoßtruppaktion in Afghanistan und der
Irakkrieg haben die Gründe und Hintergründe des islamischen Terrors
indes nicht wirklich erhellen können, sondern die Spekulationen eher
noch weiter angeheizt. Unter den neueren
Publikationen zu dieser schwierigen Thematik scheint eine Darstellung
besonderes Furore gemacht zu haben. Gemeint ist Hatred's Kingdom -
übersetzt: Königreich des Hasses - ein Buch, das nicht nur seines
provokanten Titels wegen den Weg in die Bestsellerliste der New York
Times gefunden hat. Autor des gefragten Werks ist Dore Gold, Israels
ehemaliger UNO-Botschafter und außenpolitischer Berater des
Ministerpräsidenten - also immerhin jemand mit Zugang zu Einsichten und
Materialien, die über den einschlägigen Durchschnitt hinausgehen. Mit
seiner Überschrift will Gold jene wahhabitische Islamform kennzeichnen,
die der saudischen Monarchie als Herrschaftsideologie dient und in den
letzten zwei Jahrzehnten durch eine wachsende Gewaltbereitschaft
aufgefallen ist. Immer häufiger tritt Saudi-Arabien seither als
Finanzier und Drahtzieher von Terrorgruppen und -aktionen auf, wobei
nicht zuletzt drei Viertel der Attentäter des 11. September aus diesem
Land kamen und sich auf den Koran beriefen. So stellt Gold den
Wahhabismus, seine Geschichte und Entwicklung, ins Zentrum seiner
Darstellung, und es lohnt sich, sie mitzuverfolgen.
Das saudische Königreich führt sich auf einen
Loyalitätsvertrag zurück, den 1744 der Dynastiegründer Muh. Ibn Sa'ud
und der Islamreformer Ibn Abdul-Wahhab abschlossen, um sich über die
Wahrung der islamischen Glaubensordnung gegenseitig Schutz und
Legitimation zuzusichern. Nach diversen Anläufen und zum Teil blutigen
Kämpfen gegen Osmanen, Schiiten und später die Briten gelang es der
Saudi-Dynastie schließlich, sich ab 1932 in der bis heute geltenden Form
zu etablieren. Der wahhabitische Islam stützt sich auf eine extrem
orthodoxe Tradition, die einen strengen Monotheismaus vertritt, und jede
Abweichung unnachgiebig verfolgt.
Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich die
Wahhabiten-Bewegung mit den sogenannten "Hidjra-Brüdern" verbunden, die
wie einst ihr Prophet nun in einen erneuerten Glauben hinausgehen und
alle Götzendiener, vor allem die westlichen Eindringlinge, bekämpfen
wollten. In Ägypten war parallel dazu eine weitere große Reformbewegung
entstanden, aus der sich unter wahhabitischem Einfluß die bekannte
Muslimbruderschaft bildete - bis heute die mit Abstand größte
Einzelbewegung des Islam. Indem sie ein Wechselspiel aus sanften,
offenen Sozialgruppen und harten, verdeckten Terrorkadern betreibt,
bekämpft diese Gemeinschaft die aus ihrer Sicht unislamischen Regime und
breitet sich zugleich in den wichtigen Ländern des Westens aus. Mit der
Ideologie und Finanzkraft des saudischen Wahhabismus konnte sie eine
wirkungsvolle Allianz eingehen, aus der schlagkräftige Terrorgruppen wie
der ägyptische Djihad, die palästinensische Hamas und die globale
Al-Qa'ida hervorgingen, die ihrerseits schließlich die USA zum Handeln
zwang.
Gold versteht es - und darin liegt die Stärke des
Buches - diesen nicht ganz einfachen Ablauf in plausiblen Stufen vor dem
Leser zu entfalten. Dabei greift er im Überbau des Islam ein wenig zu
kurz, wenn er sich mit der bekannten, nicht weniger ungeprüften
Komfortfloskel der "Toleranz" begnügt, der zufolge "der Islam nicht das
Problem" ist. Die historische Realität zeigt vielmehr, daß die
scheinbare Toleranz des Islam – aktuell und historisch - nicht die große
Masse der Nichtmuslime, sondern allenfalls deren Eliten betrifft, soweit
deren Macht den Muslimen nutzbar gemacht werden kann. Ähnlich geht es
dem Begriff des Djihad. Gold sieht zwar, daß die modernen Islamisten den
Kampf praktizieren und Nichtmuslime ständig bedrohen oder sogar töten,
führt dies jedoch auf den grassierenden Wahhabismus als pervertierte,
zeitbedingte Sonderform des Islam und nicht auf dessen
koranisch-historische Verhaltensstrukturen zurück. Während ihm also die
Einordnung in den Gesamtkontext eher fehlt, bietet er eine Fülle von
Zitaten an, die die Unmittelbarkeit der Ideologie verdeutlichen. So
nimmt z.B. Abdullah Azzam, Schöpfer des weltweiten Djihad und Mentor des
Usama bin Ladin, kein Blatt vor den Mund:
"Diejenigen, die glauben, daß Islam gedeihen und ohne
Kampf und Blut siegen kann, haben keine Ahnung von der Natur dieser
Religion!"
Detailliert schildert der Autor, wie sich der
saudische Herrschaftsverbund aus Königsfamilie und Imamschaft über die
80er und 90er Jahre schrittweise radikalisiert und dabei von den USA als
Führungsmacht abgekoppelt hat. Immer entschiedener schaltet sich die
Islamische Weltliga, eine 1962 gegründete Organisation, in die
islamweite Verbreitung des wahhabitischen Islam ein. Ihre wichtigsten
Arme sind dabei die World Assembly of Muslim Youth (WAMY) und die
International Islamic Relief Organisation (IIRO), die mit ihren sozialen
und humanitären Fassaden als perfekte Tarnsysteme für die weltweite
Versorgung der Kontaktstellen mit Propaganda, Logistik und Finanzen
genutzt werden. Während sie nach außen das in den 90er Jahren abkühlende
Verhältnis zu den USA verbal zu wahren suchen, bauen die Saudis nach
innen ihr Netz von Terrorzellen, Moscheen und diversen Organisationen
global aus. In den Jahren 1995/96 schwenkt auch Usama bin Ladin wieder
in die Kooperation mit der saudischen Führung ein, nachdem deren
Aggressivität gegenüber dem Westen sich seinen Standards angenähert hat.
Beide Seiten haben eingesehen, daß sie in der - noch verdeckten -
Bündelung von Terrorexpertise und Kapital ihre Erfolgschance sowohl in
komplexen Projekten wie der Zerstörung des World Trade Center als auch
im Zukunftskampf gegen den Westen überhaupt verbessern können.
Allerdings läßt Gold die Beiträge nur ahnen, welche
die US-Regierungen und Geheimdienste zu dieser Entwicklung geleistet
haben. Kontakte zu führenden Saudi-Familien und Terrorfinanziers sowie
die Kooperation mit zahlreichen Extremisten ließen sie zu stillen
Teilnehmern am islamischen Radikalisierungsprozeß werden, so daß sie
auch die Ausbreitung der Terrorgruppen im eigenen Lande viel zu lange
duldeten. Exakt das gleiche Phänomen läßt sich auch im deutschen
"Dialog" erkennen, der unbeirrt mit Vertretern aus dem saudischen
Gewaltumfeld geführt wird. In diesem Sinne konnten die "Friedensmärsche"
vor und während des Irakkrieges nicht nur als Demonstration gegen die
USA und Israel, sondern vor allem als Parteinahme für den terrorbereiten
und frauenfeindlichen Islamismus saudischer Prägung dienen. Wie ungleich
sich dabei der Blick durch die Dialogbrillen gestaltet, faßt
Mekka-Scheich Ahmad Siami für die islamische Meinungsherrschaft
zusammen:
"Dieser Papst, der Kopf der Katholischen Kirche, und
diejenigen, die ihm im Ruf nach der Einheit der Religionen folgen, sind
die Nachkommen der spanischen Inquisitoren, die die Muslime höchst
abscheulich folterten ... Sie sind die Abkömmlinge der Kreuzfahrer im
islamischen Osten, die zahllose Muslime töteten und deren Frauen
gefangennahmen. Sie sind die Täter der Massenmorde von
Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Indonesien und Tschetschenien ... Können
wir von diesen mörderischen Wölfen Mitleid erwarten?"
Mit den islamistischen Terrorpredigern wächst eine
paranoide und zugleich totalitäre Herausforderung heran, deren
Sprengkraft für die westlichen Demokratien kaum überschätzt werden kann.
Oft versagen jedoch deren Prüfmechanismen schon bei ihren eigenen
"Verantwortlichen". Viele von ihnen verkennen die Wurzeln des
islamischen Radikalismus umso bereitwilliger, je überzeugender dessen
Vertreter ihnen die Zuckerbrotformeln von der "Religion des Friedens"
oder auch finanzielle Zuwendungen verabfolgen. Sie könnten also selbst
zu dem "Problem" werden, das der Islam in ihren Augen nicht ist. Dennoch
sind sie vor Allahs Korrekturpeitsche keineswegs sicher, wie sie der
einflußreiche Mekka-Scheich Ghazawi beschreibt:
"Der Terror, d.h. die Erzeugung von Entsetzen, die
nach islamischem Gesetz erlaubt ist, besteht in der Einschüchterung der
Feiglinge und Heuchler, der Säkularisten und Abweichler, die nach Allahs
Gesetz zu bestrafen sind ... Der Begriff "Terror", den die (westlichen)
Medien verwenden, entspricht dem Djihad für Allah, und Djihad ist die
Spitze des Islam".
In Europa, wo die großen Parteien bzw. Kommission und
Ministerrat die Institutionen der Politik, des Rechts und der Medien
bereits weitgehend vereinnahmt haben, hat das islamische Politsystem
unter dem Schutz der Religionsfreiheit bislang eine nähere Prüfung
verhindern können, wie auch der sorglose Umgang mit dem EU-Beitritt der
Türkei zeigt. Golds Buch macht freilich deutlich, dass an diesem Punkt
das "Königreich des Hasses" und seine aggressive Ideologie einen neuen
Spaltungsvorgang verstärken könnte, der Europa zunehmend von Amerika
trennt. |