Jüdische Emigranten aus Deutschland 1933-1939:
Paris - eine neue Heimat?
"Wirtschaftsemigranten" hat man sie oft genannt: Juden,
die Deutschland verließen, weil sie ihren Beruf in Deutschland nicht
mehr ausüben konnten oder sich bedroht fühlten. Bereits 1933 emigrierten
sie zahlreicher als die bekannteren Emigrantengruppen: Schriftsteller,
Künstler und politische Aktivisten. In Paris lebten bald 10.000
Flüchtlinge aus Deutschland. Während die politischen Exilanten auf
gepackten Koffern saßen, hofften die jüdischen Emigranten in Frankreich
eine neue Heimat zu finden.
Die Autorin zeichnet ein genaues Bild dieser beinahe
unbekannten Emigration: Wer waren diese Emigranten? Woher kamen sie?
Warum emigrierten sie so früh und ausgerechnet nach Frankreich? In Paris
mußten sie sich beruflich völlig neu orientieren. Während Tausende
scheiterten und Frankreich bald wieder verlassen mußten, gelang es
überraschend vielen, sich ein neues Leben aufzubauen. Schwieriger
gestaltete sich die soziale Integration: Die Juden aus Deutschland
trafen sich in eigenen Vereinen, hielten eigene Gottesdienste ab. Bald
fragten sie sich, ob sie primär Deutsche, potentielle Franzosen oder
Juden sein wollten.
Der Krieg unterbrach die beginnende Eingewöhnung: Alle
deutschen und österreichischen Staatsbürger wurden als feindliche
Ausländer interniert. Dennoch gelang es einem Teil der Emigranten, nach
der Niederlage noch zu fliehen; andere überlebten mit Hilfe von
Franzosen, während einige Tausend deportiert wurden.
Die Autorin füllt mit dieser Arbeit eine Forschungslücke.
Denn im Unterschied zu den zahlreichen Analysen der politischen und
intellektuellen Emigration, legt Julia Franke ihren Schwerpunkt auf das
Exil der kleinen, einfachen Leute. Sie untersuchte Archivmaterialien von
Behörden und Hilforganisationen, wertete Zeitschriften und
Autobiografien aus und baute so eine Datenbank von 1400 jüdischen
Emigrantenschicksalen auf. Durch die Verbindung von Struktur- und
Erfahrungsgeschichte entwickelt die Autorin ein breites Bild der
Exilserfahrung in der französischen Emigration. Sie zeigt die Motive für
die Auswanderung, die ersten, meist deprimierenden Erfahrungen in
Frankreich, dem "Land der Menschenrechte", die Schwierigkeiten bei der
Eingewöhnung und im neuen Alltag.
Die Untersuchung wird durch die Geschichte eines
Emigrantenehepaares Ernst und Erna Feder umrahmt, die in Ernst Feders
Tagebuch dokumentiert ist. Julia Franke wählte dieses Beispiel, um
"einige Probleme und Lebenswege an einem ausführlicher dargestellten
Schicksal verdeutlichen" zu können.
Special - -
Zur Lage in Frankreich 2003
al / hagalil.com
07-12-03 |