Nathan Stoltzfus: Widerstand des Herzens. Der Aufstand
der Berliner Frauen in der Rosenstraße - 1943.
DTV München 2002
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Anfang März 1943 wurden in Berlin die noch in der Stadt
verbliebenen Juden, vor allem aus sogenannten Mischehen, von
der Gestapo verhaftet und in ein Sammellager in der
Rosenstraße gebracht, um deportiert zu werden. Doch
Familienangehörige und Freunde versammelten sich
protestierend tagelang immer wieder vor dem Gebäude, ließen
sich von Erpressungsversuchen und Gewaltandrohungen nicht
einschüchtern und erreichten schließlich das kaum
Glaubliche: Ihre Angehörigen wurden freigelassen.
Nathan
Stoltzfus untersuchte dieses bisher wenig erforschte Kapitel
der Geschichte des Nationalsozialismus und machte auf das
Schicksal der "Mischehen" und "Mischlinge" aufmerksam. Sein
beeindruckendes Buch, ursprünglich als Dissertation an der
Harvard University eingereicht, liegt nun in deutscher
Übersetzung vor. Stoltzfus stützt sich im wesentlichen auf
die Grundlage zahlreicher Interviews mit Zeitzeugen und
lieferte eine überzeugende Arbeit nach den Methoden der Oral
History. Neben den Überlebenden aus drei "Mischehen" sowie
zwei "Mischlinge" konnte er auf der Seite der Täter Leopold
Gutterer, damals Staatssekretär von Joseph Goebbels im
Propagandaministerium, als Interviewpartner gewinnen.
Den Rahmen für
die Darstellung der Protestaktion selbst bildet seine
Untersuchung zum Thema "Mischlinge", "Mischehen" und
nationalsozialistische Familien- und Rassenpolitik. Die
englische Originalausgabe deutet dies bereits im Untertitel
an: "Intermarriage and the Rosenstrasse Protest in Nazi
Germany".
Der Autor
stell darüber hinaus die grundsätzliche Frage nach den
Erfolgsaussichten von zivilen Protestaktionen und deren
Rahmenbedingungen. Einerseits betont er dabei stets die
persönliche Leistung: "Es erforderte ungeheuren Mut, Tag für
Tag auf einer Berliner Straße zu stehen und öffentlich
gegenüber der Gestapo seine Verbundenheit mit Juden zu
bekennen, ganz gleich, ob es Familienangehörige waren oder
nicht." Andererseits stellt Stoltzfus Überlegungen zum
Widerstand im allgemeinen und den singulären Bedingungen des
Aufstandes in der Rosenstraße an. Als teilweise
vergleichbare Fälle führt er beispielweise den Protest gegen
die Beseitigung der Kreuze in den katholischen Schulen des
Oldenburger Münsterlandes und Bayerns an. Auch wenn hier
vieles spekulativ bleiben muß, könnte Stoltzfus neue Impulse
für die Widerstandsforschung allgemein geben.
Nathan Stoltzfus, geboren 1954, studierte Geschichte an der
Harvard University und an der Freien Universität Berlin. Er
lehrt Moderne Europäische Geschichte an der Florida State
University.
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