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Zu viel Geschichte, zu wenig Geographie:
Das Los des jüdischen Volkes

Das Vorwort zur inzwischen als Taschenbuch vorliegenden "Universalgeschichte der Juden"

Eli Barnavi

Zu viel Geschichte, zu wenig Geographie - dieser berühmte Aphorismus, mit dem Sir Isaiah Berlin versuchte, das Los des jüdischen Volkes kurz und bündig auf einen Nenner zu bringen - kam mir bei der Lektüre der Korrekturfahnen zur "Universalgeschichte der Juden - Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart" dieses Buches in den Sinn.

Nicht genug Geographie? Warum? Selbst ein flüchtiger Blick auf diesen Atlas enthüllt, daß die Karten des Verlaufs der jüdischen Geschichte faktisch die ganze Welt abdecken. Das Interesse an einer Kurzfassung der jüdischen Geschichte sollte keinesfalls einzig und allein auf eine jüdische Leserschaft beschränkt sein. Ganz im Gegenteil, gerade da die Juden für über 2.000 Jahre nicht in eigenen Ländern lebten, war ihr Schicksal stets auf untrennbare Weise mit der Geschichte anderer Nationen und Kulturen verflochten.

Die Fachhistoriker, die an diesem Atlas mitgewirkt haben, waren bemüht, ein hohes wissenschaftliches Niveau zu wahren, ohne einem wissenschaftlichen "Jargon" zu verfallen, der den Nichthistoriker abschrecken würde. Das Buch kann als eine, von Kapitel zu Kapitel aufeinander aufbauende und zusammenhängende Erzählung gelesen werden. Gleichermaßen bildet aber auch jedes Kapitel eine Einheit für sich. Jedes Kapitel umfaßt eine Doppelseite mit vier Abteilungen: einem Text, der dem Leser wesentliche Einsichten in eine bestimmte Periode, ein soziokulturelles Thema oder einen grundlegenden Mythos vermitteln soll; eine Landkarte oder eine Verbindung verschiedener Karten, durch die die dargestellten historischen Ereignisse in die Dimension des Raumes übertragen werden; eine Chronologie der behandelten Ereignisse; und schließlich Illustrationen, die den Text nicht einfach ausschmücken, sondern dem Leser helfen sollen, zentrale Aspekte des Themas plastisch und in ihrer historischen Vielfalt zu erfassen.

Der chronologische "Ausflug" in die Geschichte des jüdischen Volkes wird regelmäßig von Kapiteln unterbrochen, in denen einzelnen Themen durch die Geschichte nachgegangen wird: die Wanderbewegungen, die Kunst des Manuskripts, die Idee des Monotheismus, religiöse Tabus, die Beziehung von Staat und Religion, die Legende des Ewigen Juden usw. Drei Texte sollen den Leser zu Beginn in übergreifende Fragestellungen einführen: Die ersten beiden analysieren jüdische Vorstellungen von Raum und Zeit, während der dritte Text wichtige demographische Veränderungen einer Nation skizziert, der versprochen wurde, so zahlreich zu werden „wie die Sterne des Himmels und der Sand am Rande des Meeres" (1. Buch Moses, 22:17).

Einem Buch liegt stets eine Reihe von Entscheidungen zu Grunde - manche eher schmerzhaft. Eine unserer Entscheidungen war, daß es sich um eine Geschichte des jüdischen Volkes und nicht des Judaismus oder des jüdischen Glaubens handeln sollte. Das war nicht als ideologisches Postulat gedacht, sondern ergab sich aus historischen Überlegungen. Wie könnte man auch eine Chronik des Volkes Israel anlegen, ohne dessen Existenz vorauszusetzen? Einzig in diesem Sinn kann der Ausspruch von Sir Isaiah richtig verstanden werden: Seine Bedeutung des Wortes "Geographie", die den Juden so bitterlich abging, läuft auf das Fehlen einer "nationalen Geographie" hinaus. Kurz, zu viel Geschichte, zu wenig Staat.

Zu viel Geschichte, zu wenig Staat

Nachdem dies einmal geklärt war, begannen jedoch die wirklichen Probleme. Welchen Platz sollte der Staat Israel einnehmen in einem Freskogemälde wie dem vorliegenden, das sich bemüht, die Universalgeschichte der Juden von Ur bis New York, von Babylon bis Tel Aviv nachzuzeichnen. Anders gesagt, kann man die Transformation einer „nationalen" Perspektive in einer teleologischen Erzählung vermeiden, in der die viertausendjährige Geschichte des jüdischen Volkes, als unvermeidlich zu einem spezifischen Ende führend, verstanden wird? Würde man damit nicht rückwirkend der ganzen Geschichte eine vorbestimmte Bedeutung geben? Wie läßt sich eine judeozentrische Geschichtsbetrachtung vermeiden, wie kann man ihr widerstehen?

Schließlich, wie kann die jüdische Geschichte aus dem Tal der Tränen, mit dem sie so oft assoziiert wird, befreit werden - ein Unterfangen, um das sich Salo Baron bereits vor einem halben Jahrhundert in seinem monumentalen Werk "Eine soziale und religiöse Geschichte der Juden" bemühte. Die zionistische Mythologie - und alle nationalen Bewegungen nähren sich von ihren eigenen Mythen - tendiert dazu, die zwanzig Jahrhunderte des Exils als einen langen beschwerlichen Treck durch einen dunklen und schmutzigen Tunnel darzustellen, um dieses unüblich lange "Mittelalter" dann in eine nationale "Renaissance" münden zu lassen. Doch heute wird die Diaspora nicht mehr auf diese Art und Weise betrachtet, und wir haben uns bemüht, ihr wieder den angebrachten Platz zukommen zu lassen. Abgesehen davon schien es uns wesentlich, der intellektuell sterilen Wahrnehmung der jüdischen Geschichte als einer kontinuierlichen Abfolge von Leiden, Pogromen und nationaler Erlösung unter dem Motto "alle gegen uns" zu widerstehen.

"Siehe da ein Volk, abgesondert wohnt es und unter die Völker läßt es sich nicht rechnen" (4. Buch Moses, 23:9). Diese Prophezeiung von Bileam bildet zweifelsohne das Hauptproblem der Geschichte, aber es ist nicht die ganze Geschichte.

Hier liegt nun unsere Universalgeschichte der Juden vor. Ich möchte meinen Dank all denen aussprechen, die dies ermöglicht haben: Dem Team von Hachette-Litterature in Paris bin ich zu Dank verpflichtet, vor allem Francoise Cibiel-Lavalle, die sich nicht nur als eine hervorragende Lektorin, sondern als eine aufmerksame und verständnisvolle Freundin erwiesen hat. Danken möchte ich auch Pierre Vidal-Naquet, dessen umfassende Belesenheit uns manche Fallgrube erspart hat. In Israel, wo dieses Projekt entwickelt und durchgeführt wurde, möchte ich dem Team von Tel Aviv Books danken, allen voran Mulli Melzer, dem Lektor, und Dani Tracz, dem Direktor. Ohne diese zwei Gefährten, wäre dieses Abenteuer nicht nur ein geringeres Vergnügen, sondern einfach unmöglich gewesen.

Abschließend eine persönliche Anmerkung: Wie in jedem Gemeinschaftsunternehmen sind die Ideen und Meinungen in den verschiedenen Kapiteln den jeweiligen Autoren zuzuschreiben, doch die abschließende Verantwortung liegt bei mir. Lord Acton drückte einst seinen Wunsch aus, die Schlacht von Waterloo so zu präsentieren, daß Engländer und Franzosen, Deutsche und Holländer gleichermaßen zufrieden gestellt wären. Das war in der Tat eine edle Idee. Doch im Unterschied zu Waterloo gehen Israels Kämpfe bis auf den heutigen Tag weiter, rufen Leidenschaften und erbitterte Diskussionen hervor. Genausowenig wie hier Platz für Provokationen war, ist ein Konsens angestrebt worden. Es ist daher nur logisch, wenn viele Leser mit einzelnen Kapiteln nicht übereinstimmen - und dies sogar aus diametral entgegengesetzten Gründen. Das ist vielleicht auch unvermeidbar. Unstrittig sind in der Geschichtswissenschaft nur die bewiesenen Fakten, ihre Bedeutung ist eine Frage der Interpretation.

Über die deutsche Ausgabe

Frank Stern

Dieser Atlas entstand in Israel. Entworfen von französischen und israelischen Wissenschaftlern liegt das Buch inzwischen in vier Sprachen vor. Die deutsche Ausgabe, obgleich sie sich weitgehend an der englischen Fassung orientiert, fußt ebenso auf der hebräischen und französischen Ausgabe. Doch handelt es sich nicht einfach um eine Übersetzung. Die Welt der deutschen Sprache, Assoziationen und Konnotationen, die für den deutschen Kulturkreis von Bedeutung sind, sowie Ereignisse der deutschen und österreichischen Geschichte waren zu berücksichtigen, über Kürzungen war zu entscheiden, Erweiterungen in Erwägung zu ziehen. Zugleich galt es, Geist, Stil und Absicht der individuellen Autoren so weit wie möglich zu bewahren.

Der Charakter einer Darstellung der Geschichte des jüdischen Volkes ließ es geboten erscheinen, spezifisch jüdische Konzeptionen und hebräische Termini zu benutzen und sie im Verlauf der Darstellung zu erklären. Nicht alles, was aufgrund der deutschen Geschichte heute im Hinblick auf die jüdische Geschichte Sprachgebrauch zu sein scheint, wurde vorschnell übernommen. Der Assoziation sollte auch auf dem Feld der Sprache und Begriffe die Analyse vorangehen.

Mein besonderer Dank gilt Adina Stern, die sich auf der Suche nach verbindlichen Schreibweisen und deutschsprachigen Übersetzungen der Quellen durch wahre Berge von Literatur, Atlanten und Wörterbüchern wühlen mußte. Ohne ihre Hilfe hätte sich so mancher wissenschaftliche Engpaß als Sackgasse erwiesen. Ihr wie auch Susanne Stern sei darüber hinaus für das wiederholte Lesen der Korrekturfahnen und die Sorge um die Einheitlichkeit des Buches gedankt. Hierbei konnten wir viel von der Zusammenarbeit mit Mulli Melzer und Dani Tracz von Tel Aviv Books und deren Erfahrungen mit der hebräischen, französischen und englischen Ausgabe profitieren. Von Bedeutung bei der Schlußredaktion der deutschen Ausgabe war auch die konstruktive Zusammenarbeit mit Anna Lorenz in Wien, die auf der Seite des Christian Brandstätter Verlages lektorierend und mit wohlbedachten Vorschlägen unsere Arbeit unterstützte. Abschließend sei angemerkt, daß die Häufung der Familiennamen Stern des Tel Aviver Teams keine verwandtschaftlichen Hintergründe hat, sondern rein zufällig ist. Allen drei gemeinsam ist allerdings, daß sie zwischen den 60er und 80er Jahren aus der Bundesrepublik Deutschland und aus Österreich nach Israel gegangen sind, sozusagen aus persönlicher Perspektive zu den Wanderbewegungen der Juden beigetragen haben.

Universalgeschichte der Juden
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hagalil.com 28-03-04











 

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