Henryk M. Broder:
Die Irren von Zion
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Die Lage in Israel ist offen und explosiv. Der
Frieden mit den Palästinensern, vor ein paar Jahren mit dem Abkommen von
Oslo zum Greifen nahe, ist wieder in weite Ferne gerückt. Fanatismus, falsch
verstandenes Heldentum, Eigennutz und unbezähmbare Ungeduld gewinnen immer
wieder die Oberhand über die Stimmen der Vernunft in diesem Dauerkonflikt,
der tief in der Geschichte wurzelt.
Henryk M. Broder beschreibt in seinen hier
zusammengestellten Reportagen, Interviews, Anekdoten und Essays den ganz
normalen Wahnsinn im Heiligen Land, pointiert, witzig und engagiert.
Henryk M. Broder, geboren 1946
in Katowice, Polen, ist Journalist beim ›Spiegel‹ und lebt in Berlin und
Jerusalem. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a.: ›Erbarmen mit den
Deutschen‹ (1993); ›Schöne Bescherung. Unterwegs im Neuen Deutschland‹
(1994); ›Volk und Wahn‹ (1996).
dtv-Leseprobe
Jedes Jahr werden in Israel 40.000 bis 50.000 Autos
geklaut. Die meisten landen in den palästinensischen Autonomiegebieten, vor
allem in Gaza.
Der Tatbestand ist bekannt, wird aber weitgehend
ignoriert, denn alle profitieren davon: die Palästinenser, weil sie an
ordentliche Autos kommen, die israelischen Versicherungen, weil sie einen
Grund haben, ihre Tarife laufend zu erhöhen, und der israelische
Finanzminister, weil er horrende Abgaben auf alle eingeführten Autos
kassiert.
Ein VW-Golf kostet in Israel soviel wie ein Mercedes in
der Bundesrepublik. Nur ab und zu gibt es eine kleine Aufregung, wenn zum
Beispiel ein palästinensischer Unterhändler zu einem Treffen mit
israelischen Unterhändlern in einem Volvo vorfährt, der mal einem der
anwesenden Israelis gehört hat, und dieser seinen Ex-Wagen wieder erkennt.
Der organisierte Auto-Klau ist praktisch das einzige
Gebiet, auf dem die israelisch-palästinensische Zusammenarbeit klappt.
Jüdische und arabische Gangster arbeiten friedlich und effektiv Hand in
Hand; sobald die Autos in Gaza angekommen sind, werden sie von der
palästinensischen Autonomiebehörde gegen eine Gebühr als geklaut registriert
und für den Verkehr zugelassen. So macht auch die Finanzverwaltung der
Palestinian Authority (PA) einen kleinen Gewinn. Und niemand gibt sich die
geringste Mühe, die Sache zu verschleiern. Im Gegenteil! Man kann die Autos,
die in Gaza unterwegs sind, anhand der Nummernschilder auseinander halten:
Taxen haben grüne Schilder mit weißen Nummer, legale Autos weiße Schilder
mit grüner Schrift, die geklauten weiße Schilder mit schwarzer Schrift,
wobei bei den geklauten noch zwischen den Autos unterschieden wird, die von
Privatleuten (Nummer und zwei Buchstaben) oder von Mitarbeitern der
Autonomiebehörde (Nummer und drei Buchstaben) gefahren werden.
Die Mitarbeiter der PA müssen für die Zulassung ihrer
Autos keine Gebühr zahlen. Sie genießen eine Art Beamtenprivileg. Die
Minister der PA fahren Autos mit roten VIP-Nummern. Es hat alles sein
perfekte Ordnung. Früher, erzählt ein Palästinenser und meint damit die Zeit
vor dem Einzug Arafats im Sommer 1994, als noch der ganze Gaza-Streifen von
Israel besetzt war, kamen Israelis und Palästinenser auf andere Weise
miteinander ins Geschäft. Israelische Zuhälter brachten israelische Nutten
nach Gaza, wo Alkohol und Sex schon immer zu den knappen und begehrten
Gütern gehörten. Die Preise waren okay, und die israelischen Profi-Frauen
machten Sachen, von denen Palästinenserinnen nicht einmal wissen, dass es
sie gibt. Am meisten begehrt (und am teuersten) war damals die
»Soldaten-Nummer«. Die Frauen zogen israelische Armee-Uniformen an, und die
palästinensischen Freier konnten endlich ihren Traum ausleben: »Fuck the
enemy!«. Damit ist es nun vorbei, aber Autos klauen macht auch Spaß, fördert
die Mobilität, stärkt die Wirtschaft und hebt das Selbstbewußtsein. »Fuck
the enemy!« gilt noch immer, wird aber nicht mehr ganz wörtlich genommen.
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Interview zum
Erscheinen der Erstausgabe
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hagalil.com
28-03-04 |