Rafael Seligmann:
Schalom meine Liebe
Der Roman zum ersten
deutsch-jüdischen Gegenwartsfilm.
dtv
20173 / Leseprobe
Sie hörte den Schlüssel in
der Wohnungstür. Ron trat ins Zimmer. Er überreichte Ingrid einen Strauß
Rosen, den er im Bahnhof besorgt hatte. Sie wollte etwas sagen, doch Ron
hielt ihr mit seiner kalten Hand sanft den Mund zu. Langsam löste er
seinen Griff – um sogleich ihre Lippen mit einem Kuß erneut zu
versiegeln. Ingrid wollte sich losmachen, dem Burschen gehörig die
Leviten lesen. Doch sie spürte, wie Ron sich an sie klammerte. Er
brauchte sie. Ingrid strich über seine widerspenstigen Haare, fuhr über
seine fledermausartig abstehenden Ohren ujnd drückte den Unruhigen an
sich.
Ingrid merkte, wie Rons Anspannung nachließ. Sie genoß seinen Kuß, seine
Zärtlichkeiten. Ron wurde sicherer. Er spielte mit ihren Brüsten. Ingrid
spürte wie ihr Leib heiß und feucht wurde. Rons Zunge tanzte in ihrem
Mund. Er bog ihren Kopf zurück. Mit einem Ruck machte sich Ingrid los
»Erst läßt du mich kochen, dann hängen.«
Rons Gesicht war gerötet, die Frisur zerzaust. Doch plötzlich blitzte der
Schalk in seinen Augen auf. Er blickte mit gespielt vorwurfsvoller Mine
an sich herunter. »Genau wie du!«
Ingrid lacht auf. Sie bemühte sich, wieder eine ernste Mine aufzusetzen.
Sie durfte Ron nicht alles durchgehen lassen: »Wo bist du bis jetzt
rumgehangen?«
»Arbeit! Nichts als Arbeit!«.
»Jobs du seit neuestem als Diskjockey?«
Ron schüttelte grinsend den Kopf. »Nein, nein ich mußte meine Mischpoche
kurz zu einer Hochzeit begleiten...«
»Warum hast Du mich nicht mitgenommen?«
»Weil ich so schnell wie möglich wieder verschwinden wollte.«
Ingrid ahnte, daß Ron ihr etwas verschwieg, deshalb beharrte sie auf ihrer
Frage. »Warum?«
»Was willst du hören?«
»Die Wahrheit!«
»Es war eine jüdische Hochzeit...«
»Und da habe ich als Schickse nichts zu suchen?!«
Das Schimpfwort brachte Ron erneut in Harnisch! »Scheiße! Unsinn!
Natürlich hättest du mitkommen können!«
»Ohne davon zu wissen.«
»Meine Mutter ist Schuld!«
»Nein, du!«
Ron ließ sich von Ingrids Einwurf nicht beirren. Er lief schreiend auf und
ab. »Edith war Christin! Sie selbst ist zum Judentum übergetreten. Jetzt
führt sie sich als Oberjüdin auf! Als Großinquisitatorin! Ich hab die
Schnauze voll davon!«
»Warum hast du mich dann nicht mitgenommen!«
»Weil ich ein Feigling bin.«
Rons augenblickliche Ehrlichkeit ließ Ingrids Zorn verfliegen.
Zärtlichkeit für den Geliebten erfüllte sie. Sie umarmte Ron.
Rafael
Seligmann,
Schalom meine Liebe
DTV 1998
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