Kobi Oz: Moshe Chuwato und der Rabe.
Übersetzung:
Ulrike Harnisch
Vlggr. Droemer Weltbild 2002
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Moshe Chuwato ist 1,90 Meter
groß und leidet ein bisschen darunter. Hält Gott ihn für
einen Basketballspieler? Mit Sport hat Moshe nichts am Hut,
er reißt gerade seinen Dienst in der israelischen Armee
herunter und braucht nicht viel, um sich gut zu fühlen:
Alkohol, gute Musik, eine Frau und ab und an eine
ordentliche Depression. "Im
Radio berichten sie von zwei Terroranschlägen, bei denen
gestern dreißig Menschen ums Leben gekommen sind. Ein
Anschlag war in Aschkelon an einer Bushaltestelle, von wo
aus die Soldaten immer nach Hause trampen, und die zweite
Bombe ging in einem Jerusalemer Bus hoch. Davon unberührt
fahre ich mit dem Bus nach Beer Sheva. Diese Anschläge sind
für unsere Fernsehjournalisten immer ein gefundenes Fressen.
Egal, ob es Kobi Meidan mit seiner ausgezeichneten Stimme
ist oder einer der beiden Nachwuchstalenten Rafi Reschef und
Ja'akov Elon, denen es mehr auf ihr geschniegeltes Äußeres
ankommt, als auf das, was sie zu sagen haben. Gott sei Dank
gibt es noch unseren Chaim Javin, der die Schnitzer der
anderen immer wieder ausbügelt. In den Live-Berichten stehen
sie nun, junge oder alte Journalisten, mit ernster Miene,
krampfhaft darum bemüht, das Vorgefallene in große und
tragische Worte zu fassen, nur ab und zu unterbrochen von
dem ein oder anderem Ah-Äh. Alle
beschreiben "diesen Tag" immer mit denselben Formulierungen,
als einen besonders schwerwiegenden in der Geschichte des
israelischen Volkes. Egal, ob es kahlköpfige oder bebrillte
Kommentatoren sind oder alte Armee-Pensionäre mit ihren
starren, konzentrierten Hebräisch oder gelehrte Akademiker,
deren Hebräisch nur so mit wissenschaftlichen Fremdwörtern
gespickt ist. Dazu kommen noch die ewig schwafelnden
Politiker, deren Rhetorik, mit vielen Worten nicht zu sagen,
kaum zu überbieten ist. Das Ganze
wird dann nun noch übertroffen von diesem tragischen
Selbstmitleid, das irgendwie an das israelische Liedgut
erinnert, ein bisschen weinerlich und immer schön traurig.
Diese ganzen schmalzigen Lieder, die uns doch nichts zu
sagen haben. Vielleicht ist es nicht schön, das zu sagen,
aber ich wette, dass der Trauermarsch für den nächsten
Anschlag schon fertig in einer Schublade liegt. Andererseits
gibt es genügend Leute wie mich, die ohne großes Trara zum
normalen Leben zurückkehren wollen. Elieser Ben Jehuda, der
sein Leben damit zubrachte, aus der Sprache der Bibel eine
Sprache für das moderne jüdische Volk zu schaffen, wäre
entsetzt darüber, wie wir täglich sein Hebräisch verkommen
lassen, es lediglich bei Terroranschlägen oder anderen
traurigen Ereignissen mühsam wieder aufpolieren. Plötzliche
entsinnen wir uns wieder geistreicher Begriffe und
Wendungen, die wir sonst nie in den Mund nehmen würden.
Tragisch, dass Israel nur an solchen Tagen etwas Besonderes
ist. Im Alltag ist davon kaum etwas zu spüren, es
disqualifiziert sich selbst."
Moshe Chuwato und der Rabe ist ein schillerndes Mosaik
aberwitzigen Geschichten über Menschen, Freundschaften, Landschaft,
Kulinarisches und einen Raben in Israel mit liebenswürdigen Beobachtungen der
israelischen Gesellschaft.
Der Autor dieser Erzählung, Kobi Oz, wurde 1969 als Sohn tunesischer Eltern in
einer kleinen Stadt in Israel geboren. Mit 19 Jahren zog er nach Tel Aviv und
gründete die Band "Tea Packs", mit der er bisher 5 CDs veröffentlichte.
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Tea Packs/Tipex |