antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com
Search haGalil

Newsletter abonnieren
 
 
 

 


Rainmund Löw (Hg.):
Die Fantasie und die Macht.
1968 und danach

Czernin-Verlag Wien 2007
Euro 21,40

Bestellen?

Von einer heißen Viertelstunde zum Antiamerikanismus:
Die österreichischen 68er

Von Stephan Grigat

Langfassung eines Beitrags, der in der Hamburger Monatszeitschrift "Konkret" (Nr. 8/2007) und in der österreichischen Zeitschrift "Zwischenwelten. Literatur – Widerstand – Exil" (Nr.1-2/2007) erschienen ist.

Bezüglich Österreich von "den 68ern" zu sprechen ist eine Übertreibung. Während die bundesrepublikanischen Studenten und Lehrlinge eine weltweit wahrnehmbare Bewegung konstituierten, können die Proteste, die Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts von den österreichischen Universitäten ausgingen, treffend als eine "heiße Viertelstunde" (Fritz Keller) charakterisiert werden. Dieser Unterschied resultiert aus den unterschiedlichen Entwicklungen der postnazistischen Gesellschaften in Deutschland und Österreich.

Die Transformation der NS-Gefolgschaft in ein Opferkollektiv, wie man sie in Deutschland in verstärktem Ausmaß seit der Wiedervereinigung beobachten kann, ist in Österreich seit 1945 mit einer sehr viel konsequenteren Begründung Realität: Die Österreicher waren in ihrer Selbstsicht nicht nur Opfer der alliierten Kriegshandlungen, sondern auch Opfer der Nazis. Diese Selbsteinschätzung wurde von den Siegermächten aus taktischen Erwägungen akzeptiert. In Deutschland erzwang die von den US-Behörden betriebene Reeducation zumindest eine oberflächliche Auseinandersetzung mit den eigenen Verbrechen. Sie vermittelte ein westlich-demokratisches Ideal, an dem die Protestbewegung der 60er Jahre die Realität sowohl der bundesrepublikanischen Gesellschaft, als auch der US-amerikanischen Außen- und Innenpolitik messen konnte. Das fast vollständige Fehlen solch einer Reeducation erschwerte in Österreich die Etablierung einer Bewegung, die sich einerseits an den Idealen der US-amerikanischen demokratischen Siegermacht orientieren und andererseits diese Ideale kritisch gegen die reale Politik der USA in den 60er Jahren hätte richten können.

Die Schwäche der 68er-Bewegung erschwert in Österreich die Herausbildung einer modernisierten Variante der Vergangenheitspolitik, die ein Leugnen der eigenen Verbrechen nicht mehr nötig hat. In Deutschland steht für solch eine Vergangenheitspolitik die abgewählte rot-grüne Bundesregierung als Erbe der regressiven Elemente der 68er-Bewegung. In Österreich steht solch eine Entwicklung erst noch bevor. Sie könnte dort durch eine durchaus wahrscheinliche zukünftige Regierungsbeteiligung der Grünen, in der zahlreiche Linke aus der 68er-Generation aktiv sind, forciert werden.

Dennoch lassen sich Ähnlichkeiten in der Entwicklung der deutschen und österreichischen Linken aufzeigen. Auch in Österreich forcierte die Linke seit 1967 ihre verbalen Angriffe auf Israel, während die Kritik am Antisemitismus eine nur untergeordnete Rolle spielte. Zugleich etablierte sich jene Form des Antiamerikanismus, die für die Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus charakteristisch ist. Die Kritik an den USA wurde mittels ihrer Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus betrieben, etwa 1972 beim Besuch Richard Nixons in Salzburg. Damals entstand eines der bekanntesten Bilder der österreichischen Protestgeschichte. Günther Nenning, in den letzten 30 Jahren einer der einflussreichsten Journalisten Österreichs, Peter Kreisky, der Sohn des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky und andere prominente 68er halten während einer Demonstration Plakate, auf denen steht: "Schreibtisch-Mörder zu Gast: Nixon", wobei das x als großes Hakenkreuz gezeichnet ist.

Aus der 68er-Bewegung entstand auch in Österreich in den 70er-Jahren ein linkes und linksradikales Milieu, dem zahlreiche der heute einflussreichen Meinungsmacher der Alpenrepublik entstammen – sei es in der Politik, den Medien oder auf den Universitäten. Eben diesem Milieu entstammen Leute wie Georg Hoffmann-Ostenhof, der Außenpolitikchef von profil, dem österreichischen Pendant zum Spiegel, oder Peter Pilz, heute Spitzenpolitiker der Grünen und mit seinem Buch Mit Gott gegen Alle. Amerikas Kampf um die Weltherrschaft Bestsellerautor. Bei diesen Linken ist die Kritik der USA in Ressentiment gegen die Hegemonialmacht umgeschlagen; sie beteiligen sich an der weltweiten Mobilmachung gegen den zionistischen Staat; und sie propagieren ein Appeasement gegenüber dem islamischen Faschismus.

Die aus der österreichischen 68er-Bewegung hervorgegangenen K-Gruppen betrieben auch in Österreich eine aggressive Hetze gegen Israel. Der maoistische Kommunistische Bund Österreich (KB), dem in Deutschland der Kommunistische Bund Westdeutschland, nicht der Kommunistische Bund entsprach, wusste über den Staat der Shoahüberlebenden zu berichten: "Dieser Staat ist aggressiv und expansionistisch, er beruht auf Rassenhass und Zionismus". John Bunzl, heute einer der meistinterviewten Nahostexperten in Österreich, erklärte 1973 die Position der trotzkistischen Gruppe Revolutionärer Marxisten (GRM): Es gehe um die "Beseitigung des Zionismus, des zionistischen Staates, der zionistischen Strukturen." Heute unterschreibt Bunzl Solidaritätserklärungen für die Antiimperialistische Koordination, wenn dieser Antisemitismus vorgeworfen wird. Die AIK ist in Österreich aktuell der aggressivste Vertreter eines Antiimperialismus, der explizit das Bündnis zwischen linken und islamischen Kräften anstrebt und auch bereits praktiziert. Bunzl plädiert für die Einbeziehung der Djihadisten von der Hamas in "Friedensgespräche" und verharmlost den Antisemitismus in islamischen und arabischen Gesellschaften als Ausdruck einer nachvollziehbaren Israelkritik. Da nützt es wenig, wenn er immer wieder betont, dass er schon 1973 gegen die Charakterisierung des arabischen Angriffes im Jom Kippur-Krieg als antiimperialistische Großtat seitens seiner Genossen argumentiert habe.

In Österreich wird die Transformation eines verklemmten antiisraelischen Ressentiments hin zu einer offenen Kritik an Israel gerade von Leuten wie Peter Pilz und Georg Hoffmann-Ostenhof betrieben und von jüdischen Nahostexperten wie Bunzl legitimiert. Pilz und Hoffmann-Ostenhof sind zugleich Avantgardisten des Antiamerikanismus. Hoffmann-Ostenhof, ein Parade-68er und früher ein Kader der GRM, übertitelt seine Leitartikel im profil mittlerweile mit Parolen wie "Ami go home" und empfiehlt europäischen Parteipolitikern ganz unverblümt Antiamerikanismus zur Stimmenmaximierung. Peter Pilz, heute Sicherheitssprecher der österreichischen Grünen und früher ebenfalls bei der GRM, erklärt in seinem Bestseller: "Sharon, Putin und Bush sind ebenso Teil des Problems wie Bin Laden." In solchen Aussagen manifestiert sich die Weigerung dieses Milieus, zwischen Zivilisation und Barbarei zu differenzieren. Dagegen gilt es, auf der Differenz zwischen der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft und ihrer negativen Aufhebung, wie sie im Nationalsozialismus vollzogen und im islamischen Djihadismus angestrebt wird, zu beharren. Es muss der Unterschied betont werden, der zwischen einer Ökonomie besteht, deren Zweck die Verwertung von Kapital ist, bei welcher der Tod von Menschen in Kauf genommen wird, aber niemals intendiert ist, und einer Ökonomie des Todes, die als wahnhafte Reaktion aus solcherart Zweckrationalität entspringt, aber mit ihr nicht in eins fällt: sie setzt die Vernichtung als Selbstzweck.

Dass der Weg von der 68er-Revolte hin zur Hetze gegen die USA und Israel jedoch kein zwangsläufiger ist, zeigt ein Sammelband, in dem prominente österreichische 68er über ihre politische Vergangenheit sinnieren. Der das Buch "Die Fantasie und die Macht – 1968 und danach" einleitende Schriftsteller Robert Schindel beispielsweise, früher als Jude gerne in die erste Reihe geschoben, wenn es um die Propaganda gegen Israel ging, heute anerkannter Suhrkamp-Autor, hat während des Libanonkrieges letztes Jahr eine Grußbotschaft für eine der wenigen Israel-Solidaritätsdemonstrationen in Wien geschrieben, in der er klare Worte fand: "Seit fast sechzig Jahren kämpft Israel (...) um sein Überleben. Zu keiner Zeit wollte man Israel und seine Bürger in Frieden leben lassen. Zu jeder Zeit wurde der Traum von Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer weitergeträumt und mit Kriegen, Überfällen, Terroranschlägen wird versucht, dass dieser Traum Wirklichkeit wird. Die öffentliche Meinung tut so, als wäre heute ein Kampf zwischen zwei gleichermaßen schuldigen Parteien im Gange und besteht darauf, doch aufzuhören. Eine Partei hat sechzig Jahre nicht aufgehört. Würden sie das Existenzrecht Israels anerkennen, alle Terrorakte einstellen und hernach über Frieden und sicheren Grenzen aller in der Region verhandeln, wäre morgen Frieden."

Die jüdische Filmemacherin Ruth Beckermann rechnet in dem Band mit ihren ehemaligen Genossen ab: "Schweigen über die NS-Vergangenheit war der Preis für vermeintliche Einheit." Dementsprechend wurde auch, "trotz aller linken Kritik an verschiedenen Bereichen der SPÖ-Politik" über die Ausfälle des sozialdemokratischen Langzeitkanzlers gegen Simon Wiesenthal und gegen israelische Politiker nicht geredet – Ausfälle, die Beckermann als "antisemitische Haltung Bruno Kreiskys und seiner Umgebung" charakterisiert. Sie gehört zu den wenigen in dem Band, die Mängel der 68er-Linken nicht nur benennen, sondern sie auch in Zusammenhang mit der linken Theoriebildung bringen: "Juden als spezielle Opfergruppe während des Nationalsozialismus kamen in der linken Klassenperspektive mit ihren ökonomistischen Faschismustheorien nicht vor." Groß geändert hat sich an dem indifferenten bis aggressiven Verhalten bis heute nichts: "Was wieder kam oder wieder hervorkam, sind die Ressentiments mancher Gesinnungsgenossen von damals, und wie damals sind sie als Kritik an der israelischen Politik verkleidet."

Elisabeth T. Spira ist insofern keine klassische 68erin, als sie bereits im jüdisch-kommunistischen Milieu der Nachkriegszeit politisiert wurde und dort von ihrer Mutter lernte "Wenn einer über Juden schimpft, dann haue ihn" – was sie wenig später auch in die Tat umsetzte, als sie einem Nazi mit einem Stuhl das Nasenbein brach. Spira berichtet davon, wie sie, die heute eine der erfolgreichsten Fernsehjournalistinnen Österreichs ist, ähnlich wie Robert Schindel und Ruth Beckermann, während der Waldheimjahre, als der Antisemitismus in Österreich von der Latenz zur offenen Aggressivität schritt, wieder der jüdischen Gemeinde beitrat, zu der man früher auf Grund der atheistischen Einstellung Distanz gewahrt hatte.

Der Herausgeber Raimund Löw, früher mit Pilz und Hoffmann-Ostenhof bei der GRM, sieht sich heute ganz im Gegensatz zu seinen ehemaligen Genossen als einen "proamerikanischen Linken". Das funktioniert aber offenbar nur, wenn man gleichzeitig gelernt hat Sätzen aufzusagen wie: "Ohne Konkurrenz und Marktwirtschaft drohen einer Gesellschaft Stillstand und Verfall." Was mit Konkurrenz und Marktwirtschaft natürlich völlig unvorstellbar ist: Da geht es ganz dynamisch von einer Krise zur nächsten Hungerkatastrophe. Und Uri Avnery, der bekanntlich den Terrorpaten Arafat für die Friedensbewegung bei den Palästinensern hielt und die Ermordung von tatsächlichen und vermeintlichen Kollaborateuren in den Autonomiegebieten völlig in Ordnung findet, hält der langjährige USA-Korrespondet des ORF für einen "brillanten Journalisten und scharfsinnigen Vordenker der israelischen Friedensbewegung". Ähnlich trostlos geht es in den Beiträgen dann auch weiter. Willi Hemetsberger, der es vom "roten Willi" aus der Uni-Basisgruppe "Roter Börsenkrach" zu einem der erfolgreichsten und dienstältesten Vorstandsdirektoren der Bank Austria-Creditanstalt gebracht hat, kann sich noch daran erinnern, von Adorno gelernt zu haben, "dass nichts Wahres im falschen sein kann" und attestiert ihm ein "geschlossenes ideologisches System", womit selbst noch die Kritische Theorie in den eigenen verbohrten Marxismus-Leninismus von damals integriert wird. Hemetsbergers Beitrag hat allerdings den Vorteil, dass er in dankenswerter Offenheit ausspricht, inwiefern die 68er-Bewegung und ihre Verfallsprodukte die Einübung genau jener Charakterzüge und Sozialtechniken ermöglicht hat, die derartige Erfolge in der Geschäftswelt befördert haben.

Bruno Aigner, heute Sprecher des Bundespräsidenten, hält den jungen Marx für den "unorthodoxen". Über die theoretische Versiertheit der österreichischen 68er erfährt man bei ihm: "Zitate der Philosophen Theodor Adorno und Max Horkheimer befanden sich im Bauch- und Kopfladen der diskutierenden und protestierenden StudentInnen und Jugendlichen." Zu viel mehr als zum großen I haben die Bruchstücke der Frankfurter beim seit rund 30 Jahren als sozialdemokratischen "Querdenker" gehandelten Aigner allerdings nicht gereicht. Und allmählich setzte sich bei ihm dann die geradezu erschütternde Einsicht durch, "dass es Grautöne gibt", worauf er die "Zitate der Philosophen Theodor Adorno und Max Horkheimer" wieder vergas und bei Karl Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" landete.

Aigner ist bis heute so stolz auf eine "strenge Rüge" seitens der SPÖ wegen eines irgendwie kritischen Artikels in einer Parteizeitung, das sie im Buch als Faksimile dargereicht wird. Er hält sein Arbeitszimmer in der Hofburg für "einen geeigneten Ort zum Nach- und Querdenken" und trägt bis heute keine Krawatte, was, wie uns Aigner mitteilt, beim letzten Staatsbesuch nicht mal George Bush gestört habe (waren sie also doch erfolgreich, die 68er!), den er im Übrigen natürlich für "seine Mischung aus Militarismus und christlichem Fundamentalismus" kritisiert. Aigner, der in Österreich als ein Parade-68er gilt, was nach bundesdeutschen Maßstäben nur durchginge, wenn man etwa Dieter Wiefelspütz als einen solchen qualifizierte, betätigt sich als Sprachrohr der alteuropäsichen Ideologie und animiert einen zu Spekulationen, inwiefern Roosevelt in Österreich gescheitert ist: "Nixon ist in Vietnam gescheitert. Bush droht im Irak zu scheitern. Die Lehren daraus sollten sein, dass auch eine Weltmacht wie die USA ihre Vorstellung von Demokratie nicht mit militärischen Mitteln durchsetzen kann und die Talente vom 'Alten Europa' – Diplomatie bzw. politische Lösungen – Sinn machen."

Den meisten 68ern graust heute davor, wie lange sie den Autoritäten des Marxismus-Leninismus gefolgt sind. Peter Pilz schreibt exemplarisch: "Die fromme Geschichte von den guten Revolutionsonkeln Lenin und Trotzki, die vom finsteren Stalin schrecklich hintergangen wurden, hat sich erstaunlich lange in unseren Köpfen gehalten." Doch kein einziger der in dem Band vertretenen 68er ist auf die Idee gekommen, dann vielleicht doch noch einmal bei Marx nachzulesen. Ihre Kritik, das eint sie fast alle, war nie eine radikal-emanzipatorische, sondern mal eine scheinradikale in den Kostümen der Bolschewiki, mal eine naiv reformistische, mal eine affirmativ opportunistische. Wie selbstverständlich dieser Opportunismus schon zu den Zeiten war, als man in den diversen K-Gruppen Trotzki und Mao für ihre Unbeugsamkeit verehrte, kann man bei Hoffmann-Ostenhof nachlesen, der völlig ungeniert zu Protokoll gibt, wie er für eine Anstellung bei der sozialdemokratischen "Arbeiterzeitung" ohne jedes Zögern den Antrag auf SPÖ-Mitgliedschaft stellte.

Der Band bietet einiges an Material zum besseren Verständnis der Staatsfixiertheit der österreichischen Linken, mit der im Vergleich die deutsche als ein Haufen Radikalanarchisten erscheint. Und wem es schon immer ein Bedürfnis war, etwas über Hoffmann-Ostenhofs Träume zu erfahren, in denen er mit Mao auf dem Weg ins Café Korb diskutiert, während sich der Große Steuermann in eine Frau verwandelt, mit der er anschließend im ausverkauften Praterstadion Sex hat, sollte sich das Buch unbedingt zulegen. Er wird dann auch auf Interessanteres als die Auslassungen des "profil"-Außenpolitikers stoßen, beispielsweise einen Abriss zur Geschichte der österreichischen Frauenbewegung, in dem die Verschränkung auch der radikalen Linken mit der Sozialdemokratie sehr deutlich wird. Einer der instruktivsten Beiträge stammt von Hamid Sadr, einem linken iranischen Mossadeghisten, heute ein bepreister Schriftsteller in Wien und seit fast 30 Jahren Mitglied im "National Movement of the Iranian Resistance". Ausgehend von der exiliranischen Szene im Europa der 60er und 70er-Jahre spürt er ausgesprochen selbstreflexiv den fatalen Fehlern der iranischen Linken nach.

Die im Band vertretenen österreichischen Linken grenzen in ihrer heutigen Harmlosigkeit ans Lächerliche. Der ORF-Journalist Lorenz Gallmetzer, früher Aktivist der linksradikalen Szene in Südtirol und Wien, beklagt die "Auswüchse des allmächtigen Turbokapitalismus". Kurt Langbein, früher in den universitären Basisgruppen unterwegs, heute TV-Journalist und medizinkritischer Bestseller-Autor, begeistert sich für Attac und andere konformistische Langweiler und populistische Scharfmacher. Der einzige Beitrag, der mit den Berufs-68ern á la Hoffmann-Ostenhof einigermaßen kritische ins Gericht geht, stammt von Peter Kreisky, bei dem auch deutlich wird, um wie viel wichtiger als in Deutschland die auf linkssozialistischen Idealen beruhende Solidarisierung mit osteuropäischen Dissidenten für die 68er in Österreich war. Hinsichtlich seiner mittlerweile etablierten Freunde hält er fest: "Der revolutionäre Elitismus wich einem bürgerlichen. Die Sozialdemokratie, das Liberale Forum oder die Grünen wurden fast unkritisch an Stelle einer revolutionären Chimäre gesetzt. Trotzki und Lenin verloren ihren Heiligenschein. So manche ihrer Protagonisten ließen es in der Folge mit linksliberaler Positionierung und jugendnostalgischen Sehnsüchten bewenden." Doch auch Peter Kreisky schwadroniert ganz linkspatriotisch von einer "außenpolitisch praktisch unreflektierten Anlehnung an die US-Politik" und spricht von den "maßlos agierenden USA", kann dafür aber ausschließlich überzeugende Beispiele aus den 60er, 70er und 80er Jahren anführen. Von all dem, was früher an der Kritik an den USA richtig war, bleibt auch bei der Mehrheit der österreichischen 68er nur mehr Ressentiment, von dem sich schwer sagen lässt, ob es lediglich daraus resultiert, dass man nicht mehr in der Lage ist, neue Entwicklungen wahr zu nehmen (was bei Kreisky das Wahrscheinlichste ist), oder ob es sich nicht doch aus einer heimlichen Sehnsucht nach der antiwestlichen Volksgemeinschaft speist.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Mitherausgeber des Bandes "Der Iran – Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer", der im März 2008 im Studienverlag erscheint, und Autor von "Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus" (ça ira 2007). Er gehört zu der Gruppe Café Critique und hat die Initiative STOP THE BOMB – Bündnis gegen das iranische Vernichtungsprogramm mitinitiiert.

hagalil.com 20-12-07











 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2014 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved

ehem. IDPS (Israeli Data Presenting Services) Kirjath haJowel, Jerusalem