Revital Ludewig-Kedmi,
Miriam Victory Spiegel,
Silvie Tyrangiel (Hg.):
Das Trauma des Holocaust zwischen Psychologie und Geschichte
Chronos Verlag 2002
Euro 21,90
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Zwischen Psychologie und Geschichte:
Das Trauma des Holocaust
Entwurzelung, Vertreibung und Vernichtung sind
traumatische Erfahrungen, die sich in der jüdischen Geschichte des 20.
Jahrhunderts in einem unvorstellbaren Höhepunkt kulminieren, der Shoah.
Auch wenn seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fast 60 Jahre vergangen
sind, bleiben die Folgen des Erlebten allgegenwärtig. Nicht nur für die
Holocaust-Überlebenden selbst, auch für ihre Kinder, die nachfolgenden
Generationen, ja für das Wesen des Judentums an sich und die israelische
Gesellschaft.
Die Shoah hat nicht nur Leben zerstört, Millionen Menschen
wurden gequält, gepeinigt und ermordet, die Shoah hat auch Traumata
verursacht, die auf die Generation der Kinder und Enkel von
Holocaust-Überlebenden übertragen wurde.
Ein neuer Band, der im Schweizer Chronos Verlag erschienen
ist, setzt sich mit Aspekten therapeutischer Hilfe für Überlebende und
deren Nachkommen auseinander. Das Buch ist interdisziplinär angelegt und
nähert sich dem Thema über die Schnittstelle von Geschichte und
Psychologie. Ein Teil der Therapeuten und Therapeutinnen, die dabei zu
Wort kommen, gehören selbst der ersten oder zweiten Generation an, so
dass es "also auch um die Politik der eigenen Lebenspraxis und
gleichzeitig um die familienbiografischen Bindungen" geht.
Die drei Herausgeber gehören der psychosozialen
Beratungsstelle für Shoa-Überlebende und ihre Angehörigen in der
Schweiz, Tamach, an, die Anfang 1998 in Zürich gegründet wurde. "Es geht
ganz allgemein darum, dass Gefühle gehört und verborgene Bilder
mitgeteilt werden können, und dass dies in einem Schutzraum und unter
Bedingungen geschieht, die eine Lebenspraxis der Anerkennung
ermöglichen", erklärt Jacques Picard in seinem Geleitwort.
Das Buch ist in vier Themenbereiche aufgeteilt. Der erste
Abschnitt widmet sich der Generation der Shoah-Überlebenden und ihrer
Kinder und gibt Beispiele aus der therapeutischen Praxis, die sowohl das
Verhältnis von Eltern und Kindern, als auch die Partnerschaftsdynamik
bei Überlebenden umfassen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den
Therapeuten selbst, die das extreme Leiden und die Berichte über die
Verbrechen der Täter hören, aushalten und behandeln müssen. Der dritte
Teil untersucht die Schnittstelle zwischen Psychologie und Geschichte
und fragt nach den gegenseitigen Einflüssen und möglichen positiven
Anstößen. Der letzte Teil widmet sich der gesellschaftlichen Situation
in der Schweiz anhand von Beiträgen zu Emigrantenerfahrung,
antisemitischer Flüchtlingspolitik und einem Bericht über die
Kontaktstelle für Holocaust-Überlebende.
Das Buch ist für HistorikerInnen und PsychologInnen
gedacht, aber auch für Betroffene und deren Nachkommen. Es sei jedoch
allen empfohlen, die etwas über die Psychologie und die Nachfolgen der
schweren Traumata erfahren möchte, denen sich Shoah-Überlebende und
deren Kinder und Enkel ein Leben lang stellen müssen. Erst das
Verständnis für die Traumatisierung wird auch das Verständnis dafür
bringen, dass die Shoah "einen immensen, unauflösbaren Schatten auf das
20. Jahrhundert, das jüdische Volk und das gesamte Leben der betroffenen
Individuen" wirft.
Zum Weiterlesen:
al / hagalil.com
07-12-03 |