Von Karl Pfeifer
Der Politologe Thomas Casagrande hat ein Buch publiziert, das nicht
nur die Geschichte "wie sie war" schildert, sondern auch versucht auf
die Frage "warum es so gekommen ist" eine Antwort zu geben. Es ist
bemerkenswert, dass Casagrande schon in der Einleitung sein Interesse
für das Problem der ethnischen Konflikte in Europa mit seiner eigenen
Familiengeschichte begründet.
Sein Vater war ein zweisprachiger Südtiroler, der 1939 für das "Dritte
Reich" optiert hat. "Ich konnte als Heranwachsender an ihm und seiner
Biografie wenig "Deutsches" erkennen. Trotzdem war er von seinem
"Deutschsein" zutiefst überzeugt und fühlte sich ohne jeden Zweifel der
deutschen "Volksgruppe" zugehörig." Der Sohn fragte sich, warum der
Vater zur Waffen-SS ging und in der Folge setzte er sich mit der
Geschichte des Nationalsozialismus auseinander. Daraus entwickelte sich
sein umfassendes Interesse an der Geschichte der "Volksdeutschen" und
insbesondere an ihrer Geschichte innerhalb der Waffen SS.
Im ersten Kapitel, das man ruhig auch zum Schluss lesen kann, befasst
sich der Autor mit der Theorie, die ethnische Konflikte analysiert
beziehungsweise die gemeinsamen Nenner dieser feststellt. Im Zweiten
Kapitel "Die Donauschwaben" schildert der Autor die Geschichte "Von den
ethnischen Gruppen der Donauschwaben zu einer deutschen Volksgruppe" und
zwar von den Anfängen der Kolonisation bis zur nationalsozialistischen
Volksgruppenpolitik. Dieses Kapitel, das einige Jahrhunderte umfasst ist
eng mit der österreichisch-ungarischen Geschichte verbunden.
Im dritten Kapitel berichtet er über das wechselvolle Schicksal der
Banater Schwaben 1941 -1945. Casagrande zeigt auf, wie verlogen auch die
offizielle Dokumentation der Vertreibung ist, wenn dort bestritten wird,
dass ein großer Teil der donauschwäbischen Bevölkerung als deutsche "5.
Kolonne" an der Zerschlagung Jugoslawiens maßgebend beteiligt war.
Casagrande dokumentiert die massiven Übergriffe der Volksdeutschen gegen
die Juden im Banat. Auch bei der Beraubung der Juden spielten
Donauschwaben eine führende Rolle, bei der Arisierung wurden in erster
Linie Volksdeutsche bedacht.
Detailliert schildert der Verfasser die Einteilung in "volkspolitisch"
einwandfreie Deutsche, in charakterlich einwandfreie, jedoch
"volkspolitisch unzuverlässige, da Mischehe eingegangen oder aus
Mischehe stammend" und diejenigen die "zu viel serbisches Blut" und
absolut "unzuverlässig" beurteilt wurden. Der Wahn der ethnischen und
nationalen Reinheit ermöglichte die strikte Zuordnung von Menschen
entweder als Eigene oder als Fremde und lieferte somit eine Begründung
sowohl für die Vertreibung der Slowenen aus dem Reich, als auch später
für die Umsiedlung der Bosnien-Deutschen aus der Fremde ins Reich.
In diesem Kapitel wird die Aufstellung der 7. SS-Freiwilligen
Gebirgsdivision "Prinz Eugen" beschrieben. Dabei spielte Arthur Phleps,
der unter der k.u.k. Monarchie in Bosnien gekämpft hatte eine führende
Rolle. Im Ersten Weltkrieg war er als Major und Generalstabschef an
Kämpfen um seine Heimat Siebenbürgen beteiligt. Er wurde nach Kriegsende
Kommandeur der sächsischen Nationalgarde in Siebenbürgen und war an der
Bekämpfung der revolutionären Aufstände in Ost- und Südosteuropa
beteiligt. 1941 trat Phleps aus der rumänischen Armee aus und nahm als
SS-Standartenführer und später als SS-Oberführer am Überfall auf die
Sowjetunion teil.
Diese SS-Division "Prinz Eugen" spielte nicht nur in Serbien sondern
auch in Kroatien eine unrühmliche Rolle. Ein evangelischer Pfarrer
beschrieb den sich immer mehr steigernden Ustascha-Terror am Beispiel
seiner Gemeinde, die dabei begangenen Morde, die Vergewaltigungen und
die Hilflosigkeit der serbischen Bevölkerung. Er schilderte ihren
wachsenden Hass nicht nur gegen die Kroaten, sondern noch mehr gegen das
Deutsche Reich, unter dessen Oberherrschaft solches geschah. Casagrande
stellt sich gegen die Apologie der Waffen SS. Wie sehr gerade bei der
"Prinz Eugen" die verschiedenen Aufgaben und Bereiche der SS
zusammenflossen und nicht zu trennen waren, wird von ihm eindeutig
dokumentiert.
Interessant ist auch der Streit zwischen dem nach dem Krieg als
Kriegsverbrecher hingerichteten Generaloberst Löhr und Heinrich Himmler
um die Frage der Verwendung der Volksdeutschen bei der
"Bandenbekämpfung". Himmler meinte am 13.10.42 u.a.: "Die Volksdeutschen
brauchen sehr stark eine weltanschauliche und politische Erziehung.
Diese ist im Rahmen der Division "Prinz Eugen" gewährleistet. Sie ist
jedoch in keiner Weise gewährleistet, wenn die Volksdeutschen in den
Sicherungs-Divisionen und ähnlichen Wehrmachtsteilen erfasst sind, die
bekanntlich kein nationalsozialistisch-aktives Offizierkorps haben,
sondern zumeist Reserve-Offiziere ältester Jahrgänge, die sehr oft die
nationalsozialistische Weltanschauung selbst nicht richtig erfasst
haben."
Casagrande erinnert abschließend an diejenigen Frauen und Männer, die
den Mut hatten, "trotz der gemeinsamen Sprache und der gemeinsamen
donauschwäbischen Herkunft sich der deutschen Volksgruppenpolitik zu
entziehen und zusammen mit den Partisanen gegen die deutsche
Besatzungsherrschaft zu kämpfen."
Im Buch wird detailliert dokumentiert, wie ethnische Konflikte über
Jahrhundert wirken und von Neuem auf grausamste Weise aufbrechen können.
Es ist eine glückliche Mischung aus Theorie und detaillierter
Historiografie. Nach dem Lesen dieses wertvollen Buches wird man auch
die Katastrophe Jugoslawiens am Ende des 20. Jahrhunderts besser
verstehen.