Gerhard Scheit:
Suicide Attack.
Zur Kritik der politischen Gewalt
ça ira Verlag, Freiburg 2004
Euro 29,00
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Suicide Attack:
Hintergründe des Selbstmordterrors
Rezension von Karl Pfeifer
Gerhard Scheit hat gründliche Arbeit geleistet. Er
untersucht auf 616 Seiten den antisemitischen Wahn, der zum Völkermord an
Juden geführt hat und auch zum Selbstmordterror im Heiligen Land.
Gerhard Scheit versucht – sich auf die Frankfurter Schule
stützend – mit den Mitteln der Philosophie und der Psychologie zu erklären,
wieso der einzelne, der sich opfert, um möglichst viele Menschen zu töten,
die zeitgemäße Form von Gemeinschaft verwirklicht. "Er opfert sich für einen
realen oder imaginären Staat, vollführt in privatisierter Form, was nun
einmal Sache der Volksgemeinschaft ist: Vernichtung um ihrer selbst willen –
Nicht dieses Unbegreifliche ist zu begreifen, aber dessen
Unbegreiflichkeit."
Scheit macht klar, dass Antizionismus seit 1967 "bald zu
einer Art linken Leitkultur avancierte", weil er "die beste Möglichkeit
[bot] die postnazistische Familienkonstellation zu politisieren, die Lasten
der Abspaltung und Projektion, die von der Elterngeneration herrühren, auf
einfache Weise loszuwerden: Israel ist Fassbinders reicher Jude als Staat
betrachtet; und die Araber sind die nach Liebe, nach der "Zärtlichkeit der
Völker" sich sehnenden Opfer, die nur auf Kälte und Grausamkeit stoßen:
ideales Identifikationsobjekt. Die Gleichsetzung der Israelis mit den Nazis
erlaubte schließlich im unmittelbar Politischen, was die Phantasmagorie des
"reichen Juden" im Psychischen zu leisten vermochte: Entlastung der Eltern.
Antiimperialismus als eigentliche Vergangenheitsbewältigung."
Sehr früh hat dies einer der bedeutendsten Denker der
Frankfurter Schule schon gesehen: "Die Gefahr des Umschlags der
Studentenbewegung in Faschismus", so Adorno kurz vor seinem Tod an Herbert
Marcuse, "nehme ich viel schwerer als Du. Nachdem man in Frankfurt den
israelischen Botschafter niedergebrüllt hat, hilft die Versicherung, das sei
nicht aus Antisemitismus geschehen [...]nicht das mindeste [...] Du müßtest
nur einmal in die manisch erstarrten Augen derer sehen, die, womöglich unter
Berufung auf uns selbst, ihre Wut gegen uns kehren."
Im Buch findet auch eine Auseinandersetzung mit dem
Säulenheiligen der Antiimperialisten, mit Edward Said statt, der seine
Biographie schamlos gefälscht hatte. Said bezeichnete das Friedensabkommen
von Oslo als "ein palästinensisches Versailles". Scheit kommentiert: "Hier
tut sich ein Abgrund auf, Versailles ist in Deutschland immer die wahre
Ursache gewesen. Den von den Siegern des Ersten Weltkriegs diktierten
Friedensvertrag rückt man in den Mittelpunkt, um Deutschland zu entlasten
und den Nationalsozialismus verständlich zu machen."
Wenn ihn nun Said mit dem Osloer Friedensvertrag
assoziiert, spricht der christlich erzogene arabische Intellektuelle, der
sich von der Holocaustleugnung zu distanzieren wusste, und die
Selbstmordattentate verurteilte, "wie in einer Fehlleistung aus, welche
vergangenen Verbrechen der Deutschen er den arabischen Staaten und
islamistischen Rackets in Zukunft zutraut – um sie vorwegnehmend im selben
Atemzug auch schon zu rechtfertigen. Es ist das zugleich eine Drohung, die
vom Wesen der Selbstmord-Attentate mehr verrät als alle Koran-Zitate, die
jemals dafür in Anspruch genommen wurden."
Vladimir Jankélevitch, konstatierte schon 1971
Antizionismus sei, "die Erlaubnis und sogar das Recht, ja selbst die
Pflicht, im Namen der Demokratie Antisemit zu sein! Der Antizionismus ist
der gerechtfertigte, schließlich jedermann verständlich gemachte
Antisemitismus." Gerhard Scheit kommentiert: "Dieser Antisemitismus wird
politisch verständlich gemacht, nicht biologistisch oder religiös. Wie
einmal die Rede von der Rasse Befreiungsschlag für alle Antisemiten war, die
dadurch sich bedroht fühlten, daß sie die christliche Religion nicht mehr
deutlich genug von den Juden unterschied, Juden und Nichtjuden Staatsbürger
derselben Nation werden sollten, so wirkt heute der Name des jüdischen
Staates für alle befreiend, die den Juden Auschwitz noch nie verzeihen
konnten und trotzdem Demokraten geworden sind."
Solches auszusprechen, macht den Autor nicht zum Liebling
der "Antizionisten", die ja im Gegensatz zu den Antisemiten der
Volksgemeinschaft ihren Antisemitismus heftig abstreiten, und dabei auch nie
vergessen sich auf ihre eigene jüdische Abstammung beziehungsweise auf ihre
besten jüdischen Freunde sowie auf israelische und/oder jüdischen Kronzeugen
zu berufen.
Wer dieses Buch unvoreingenommen liest, wird daraus viel
lernen. Denn Scheit hat versucht, das was uns unerklärbar erscheint, zu
erklären. Es lohnt sich mit seinem Werk auseinander zu setzen.
hagalil.com
09-05-05 |