..."Ich bin die letzte Generation, die eine lebendige
Erfahrung von Auschwitz hat. Mit mir wird diese lebendige Erfahrung
aussterben. Es bleibt die Erinnerung"...
Imre Kertesz
Berichte von Überlebenden der Shoah:
Stimmen der Geretteten
Feature mit David Dambitsch, Bert-Günther Schmidtke
u.a.
3 CDs mit Booklet, 224 min., 14 Tracks, ISBN 3 89813 213-7, C-2002 Der Audio
Verlag GmbH, RB, DLR, NDR
Seit
20 Jahren sammelt David Dambitsch "Stimmen der Geretteten" - Berichte von
Überlebenden der Schoah. Neben Zeitzeugen wie Primo Levi,
Arno Lustiger,
Gad
Beck, Grete Weil, Simon Wiesenthal und Imre Kertesz kommen auch
deren Kinder zu Wort; das Trauma der Eltern lebt in ihnen fort.
Die großartige CD-Edition von David Dambitsch ist ein lebendiges Zeugnis
wider das Vergessen. Die "Stimmen
der Geretteten" werden hier erstmals für ein größeres Publikum
hörbar.
DER ZEITGESCHICHTLICHE RAHMEN
Von DAVID DAMBITSCH
Das Bemühen um sachliche Analyse dessen, was in den
Jahren 1933 -1945 unter deutscher Herrschaft geschah, ist nach wie vor
Gegenstand kontroverser Diskussionen unter Historikern. Vielleicht wird auch
niemals vollständig und allgemeingültig zu klären sein, warum eine
hochentwickelte Großmacht und Kulturnation es - anscheinend beinahe
gleichgültig - mit sich geschehen ließ, dass eine rassistisch fanatisierte
Gruppe ihr Rechtssystem pervertierte und verkrüppelte.
Selbst wenn man die Instabilität Deutschlands infolge der Niederlage im
Ersten Weltkrieg und einen weit verbreiteten Antisemitismus der Bevölkerung
als Voraussetzungen für alles Weitere mit bedenkt, bleiben viele Fragen
offen: Weshalb ließen sich z. B. die Deutschen jener Jahre, die nicht unter
die Ausgrenzungsmaximen der Nazis fielen, überhaupt auf so eine
Pseudo-Sicherheit ein, als sogenannter "Arier" zu gelten?
Aus welchem Grund lieferten sie sich so klaglos einem Obrigkeitsstaat aus,
der ihnen erklärtermaßen jedes individuelle Recht an der eigenen Existenz
nahm?
Trieb die Menschen eine Art rassistisch-religiöse
Massenhysterie - wie der israelische Historiker Saul Friedländer in seinem
Werk "Das Dritte Reich und die Juden" beschreibt oder lag für den Massenmord
an Sinti und Roma und Juden, an Homosexuellen, Behinderten und
Oppositionellen als Motiv schlicht und einfach Habgier vor?
Der Unrechtsstaat war die Leinwand, auf der die Sadisten
dann ihre Grausamkeiten inszenierten, auf der die pflichtschuldigen
Vollstrecker Menschen zu Nummern degradierten. Die Weltöffentlichkeit
verhielt sich dazu mindestens ebenso ignorant wie der vielgescholtene
einfache Mann von der Straße im Nazi-Deutschland. Die Asylpolitik jener
Jahre kann als vollkommen verfehlt bezeichnet werden.
Unglaubliche Familientragödien haben sich vor dem
Hintergrund solcher Zeitumstände abgespielt. Die meisten kann keiner mehr
berichten. Die Menschen, ihre Kinder und Kindeskinder sind einfach nicht
mehr.
Man hat Begriffe gefunden, um diesen Verlust, dieses
gewaltsame Abgeschnittensein von der geistigen Überlieferung ganzer
Bevölkerungsgruppen zu beschreiben. Aber diese Worte SCHOAH oder HOLOCAUST
halten eigentlich nicht stand, wenn es darum geht zu beschreiben, was den
Opfern nationalsozialistischer Willkür tatsächlich geschah.
Beide Worte stammen aus der Bibel. In den hebräischen
Schriften ist der Begriff SHOAH in einer Geschichte über die Heimsuchung des
Volkes Israel in Krieg und Verfolgung zu finden. Übersetzt werden kann diese
Vokabel mit "Unheil" oder "Katastrophe". In der englischen Übersetzung des
Alten Testaments steht "Holocaust" geschrieben, aber nicht anstelle von
"Schoah", sondern für "olah kalil" - "ganz in Rauch aufsteigend".
Martin Luther übersetzte "Brandopfer". Unheil, Katastrophe, Brandopfer- die
Menschheit hat so viele gesehen und war nicht so entsetzt.
Kommentare zur CD bzw. zum Buch
Michael Jeismann, aus einer Rezension der Frankfurter
Allgemeine Zeitung vom 08.10.2002: ..."wenn man die verschiedenen Stimmen
hört, deren Besitzer aus dem kulturellen Milieu des damaligen Deutschland
stammen, dann versteht man ein wenig mehr von der Vielfalt der Meinungen in
der damaligen jüdischen Gesellschaft, der Unwissenheit und der
Klarsichtigkeit, der Abscheu vor Deutschland und der Anziehung zum
Vaterland, wenn etwa Michael Blumenthal von seinen Eltern berichtet, die ihr
Besteck wie selbstverständlich in Solingen orderten... Je mehr man davon
hört, desto wirklicher wird, was war - und was ist".
Dr. Sebastian Engelbrecht, im deutschlandfunk, Shalom:
"David Dambitsch bringt sein Buch gegen gehörigen Widerstand auf den Markt:
Viele deutsche Redaktionen und Verlage reagieren heute allergisch auf das
Thema "Schoah". Immer wieder hört man, die Öffentlichkeit sei des Themas
überdrüssig... In dieser Stimmung wirkt Dambitschs Buch wie eine Warnung:
Vor jedem schnell dahergesagten israelkritischen Wort sollte in Deutschland
die Erinnerung an die eigene Geschichte stehen... David Dambitsch war nicht
bloß ein Interviewer, sondern ein wirklicher Gesprächspartner. Mit vielen
von ihnen steht er bis heute in Kontakt. Darin liegt wohl der wichtigste
Unterschied zu den großen Erinnerungs-Projekten des amerikanischen
Regisseurs Steven Spielberg, dessen Stiftung die Erinnerung von 60.000
Shoah-Überlebenden auf Videobändern festgehalten hat... Ohne jede
Organisation im Rücken, als freier Hörfunkjournalist, hat David Dambitsch
mit seinem Buch Zeugnisse von großem Wert festgehalten. Berichte von
Überlebenden und vom Leben im Schatten der Schoah, die in Zukunft
unentbehrlich sein werden."
Das "jüdische berlin" kommentiert: "Ein beeindruckendes
Werk".
PRODUKTION
Zusammenstellung RB 2001, Sendungen von Radio Bremen, DeutschlandRadio,
Norddeutscher Rundfunk.
Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten. Kein Verleih! Keine
unerlaubte Vervielfältigung, Vermietung, Aufführung, Sendung!
Von David Dambitsch ist als Buch lieferbar: "Im
Schatten der Shoah. Gespräche mit Überlebenden und deren Nachkommen"
(Philo-Verlag)
REDAKTION DES HÖRBUCHS
Jörg-Dieter Kogel, Radio Bremen
BOOKLET-REDAKTION
David Dambitsch, Britta Brugger
GESTALTUNG
atelier Doppelpunkt, Berlin
TITELFOTO
© amis bildagentur
DIE GERETTETEN UND DEREN NACHKOMMEN
AUF DIESER CD-EDITION
Gad Beck (geb. 1923 in Berlin)
Thomas Toivi Blatt (geb. 1927 in Izbica/Polen)
W. Michael Blumenthal (geb. 1926 in Oranienburg)
Miryam Du-nour (geb. 1927 in Tel Aviv)
Norbert Elias (geb. 1897 in Breslau)
Tom Freudenheim (geb. 1937 in Stuttgart)
Daniel Jonah Goldhagen (geb. 1959 in Boston, Massachusetts/USA)
Kurt Julius Goldstein (geb. 1914 in Dortmund)
David Grossman (geb. 1954 in Jerusalem)
Robert M. W. Kempner (geb. 1899 in Freiburg im Breisgau)
Alfred Kerr (geb. 1867 in Breslau)
Judith Kerr (geb. 1923 in Berlin)
Imre Kertesz (geb. 1929 in Budapest)
Primo Levi (geb. 1919 in Turin)
Arno
Lustiger (geb. 1924 in Oberschlesien/Polen)
Gila Lustiger (geb. 1963 in Frankfurt am Main)
Liana Millu (geb. 1914 in Pisa)
Marcel Möring (geb. 1957 in Enschede/Niederlande)
Lenka Reinerová (geb. 1916 in Prag)
Hans Sahl (geb. 1902 in Dresden)
Alice Schwarz-Gardos (geb. 1916 in Österreich)
Gershom Scholem (geb. 1897 in Berlin)
Fritz Teppich (geb. 1918 in Berlin)
Grete Weil (geb. 1906 in Rottach-Egern)
Simon Wiesenthal (geb. 1908 in Buczacz/Galizien)
Leon de Winter (geb. 1954 in 's-Hertogenbosch/Niederlande) Walter Zadek
(geb. 1900 in Berlin)
Moshe Zuckerman (geb. 1949 in Tel Aviv)
Mehr Infos und Hörproben unter
www.der-audio-verlag.de
DAVID DAMBITSCH, geboren 1959
in Berlin, arbeitete bei der amerikanisch-deutschen Rundfunkanstalt RIAS
Berlin bis zu deren Auflösung infolge der Vereinigung Deutschlands. Seitdem
schreibt er für das Informationsprogramm Deutschlandfunk im nachgefolgten
DeutschlandRadio.
Die engagierte und kritische Auseinandersetzung mit dem NS-Regime und dessen
Folgen ist zentrales Thema seiner auch für die Landesrundfunkanstalten der
ARD, vor allem für Radio Bremen und für den Norddeutschen Rundfunk,
verfassten Beiträge. Der jüdisch-christliche Dialog beschäftigt ihn in
besonderem Maße - ein Teil seiner Familie entging nur knapp der Shoah: Sein
Vater, Wilhelm Dambitsch (1926 - 2000), überlebte als sogenanntes "U-Boot"
in Berlin versteckt im Untergrund die Schoah - schwer traumatisiert.
Sein Großvater, Dr. Ludwig Dambitsch (1876 - 1937), erhielt als
Landgerichtsrat am Landgericht I am Berliner Alexanderplatz aufgrund seiner
"nichtarischen Herkunft" bereits im März 1933 infolge des berüchtigten
"Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" Berufsverbot. Er,
Verfasser des 1910 erschienenen Standardwerks "Die Verfassung des Deutschen
Reichs" und überzeugter Deutscher und Preuße, wählte im März 1937 den
Freitod, in der trügerischen Hoffnung, dadurch die Gefährdung seiner sechs
Kinder durch das nationalsozialistische Deutschland zu minimieren.
Seit nahezu 20 Jahren hat der Autor daher Stimmen der Geretteten und von
deren Nachkommen für den Rundfunk aufgenommen, um die Erinnerung an die
Schoah zu bewahren. Dieses Hörbuch enthält einige der Sendungen zum Thema.
hagalil.com
27-01-05 |