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Der Tod braucht eine Perücke

Rezension zu einem lyrischen Debut…

Von Ramona Ambs

PROSOPOPEIA- der Titel könnte abschreckend wirken. Abschreckend, weil er nur von wenigen verstanden werden wird. Das Wort, das aus dem Griechischen stammt, meint soviel wie rhetorische Personifikation: ein Autor lässt Objekte oder Figuren sprechen, er verleiht ihnen eine Persönlichkeit. Und genau das tut Marcel Inhoff in seinem Gedichtband: er verleiht seine Stimme, oder lässt sie sich entwinden:

die Luft liegt wie ein Wolltuch
in der Stadt. sie saugt mir die Worte aus der lunge

Und es sind viele Worte, die da geflogen kommen. Und sie wirken kein bißchen abschreckend. Im Gegenteil: man findet viele wunderbare Sprachbilder. So heißt es zum Beispiel:Wenn ich liebe, muss der Tod eine Perücke aufsetzen. Und nicht nur der Tod muss sich verkleiden. Auch das haustier im halbdunklen Zimmer:(…)

da liegt der wolf: das muss man doch weitersagen.
wölfe sind gefährlich: sie fressen kinder 

und kaninchen unter anderem.
dieser wolf hier riecht erbärmlich 

in der dunklen ecke, nahe der tür
man hat ihn in ein schaf gepresst

und tagelang nicht gewaschen.
ich glaube er ist tot. gehst du nachsehen?

Inhoff spielt mit Mythen und Erwartungen. Er bindet den Leser mit ein, fesselt ihn mit seinen Zeilen. Man begleitet ihn durch schlaflose Nächte und an weit entfernte Orte. Man entdeckt mit ihm Sand, der schelmisch wie eine Glaspfütze glänzt, Scharen verirrter Vögel und herbstnasse Strohpuppen. Wer Gedichte mag, die wie Bücher in verdurstende Augen fallen, wird Inhoffs Lyrik lieben.

P R O S O P O P E I A. Lyrik von Marcel Inhoff
Edition Mantel, Verlag für poetische Literatur 2015