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„Ist es noch gut, für unser Land zu sterben?“

David Ranan hat junge Israelis über ihren Dienst in der Armee befragt. Wer Israel verstehen will, muss dieses Buch lesen…

Es sind harte Bilder, die das israelische Fernsehen vergangene Woche wiederholt in den Abendnachrichten zeigte. Zwei junge Palästinenser mit verbunden Augen werden von israelischen Soldaten misshandelt. Wer die Schuldigen sind, ist noch nicht klar, ein Verfahren läuft. In den Aufnahmen einer Handy-Kamera sieht man nur die Arme derjenigen, die die Schläge verteilen. Ein Ausnahmefall in der Armee, die sich selbst als humanste der Welt bezeichnet?

Die Lektüre in David Ranans Aufzeichnungen von Gesprächen mit jungen Israelis über ihre Armeezeit mag anderes lehren. Viele der Befragten berichten von Misshandlungen von Palästinensern, von Schikanen und bewusst zweideutigen Befehlen. Sehr eindringlich wird dabei aber auch der moralische Zwiespalt dieser jungen Menschen klar, die mit sehr unterschiedlichen Weltanschauungen ihren Dienst angetreten haben und auf dem Boden der harten Wirklichkeit gelandet sind. Sie haben verschiedene Wege gefunden, ihre Moralvorstellungen mit dem Dienst zu vereinbaren, sei es durch die entsprechende Auswahl der Einheit, Verweigerung von Dienst in den besetzten Gebieten, Nicht-Teilnahme an bestimmten Aktionen der Einheit oder komplette Verweigerung. „Alle Werte, die ich mal hatte, sind restlos verflogen“, sagt Daniel, ein 29-jähriger Student, der als Jugendlicher linkszionistisch war und bei der Panzertruppe diente.

Bei all dem drängt sich vor allem die Sorge um diese jungen Leute auf, um die Belastungen, die die Armeezeit ihnen aufbürdet, die sie mit in das Leben danach nehmen, in den Beruf, in die Familien, die sie aufbauen. Israel, so versteht man nach diesem Buch, ist noch immer ein zu tiefst traumatisiertes Land, und wird es wohl auch noch lange bleiben.

Es ist keine leichte Lektüre, und es hinterlässt den Leser sehr ambivalent. Aus den uniformierten Soldaten, die auf palästinensische Kinder schießen, werden selbst Kinder, Jugendliche, die in unmöglichen Situationen Unmögliches zu entscheiden haben. In den Stellungnahmen aus dem ganzen Spektrum der Gesellschaft, von linken, rechtsgerichteten und religiösen Jugendlichen, wird der ganze Wahnsinn des Konfliktes deutlich.

Insgesamt hat David Ranan, der selbst 1965 seinen Militärdienst antrat und heute als freier Autor in London lebt, 50 Israelis interviewt, 27 der Gespräche sind im Buch enthalten. Es sind Gespräche mit Schulabgängern, die es kaum erwarten können zur Armee zu kommen, mit Verweigerern, die für ihre Überzeugung im Gefängnis saßen, mit religiösen  Idealisten und Reservisten, die ihre Meinung geändert haben.

Eine ausführliche Einleitung zu Geschichte von Staat und Armee geben den Rahmen, um die Gespräche zu verstehen. Im Nachwort fasst der Autor die Gespräche nochmal thematisch zusammen. Jeder, der Israel verstehen möchte, muss dieses Buch lesen.  – al

David Ranan: „Ist es noch gut, für unser Land zu sterben?“ Junge Israelis über ihren Dienst in der Armee. Mit einem Geleitwort von Reinhold Robbe, 272 S., gebunden mit Schutzumschlag, Nocolai Verlag 2011, Euro 19,95, Bestellen?

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