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Nach der Shoa

Über das Leben jüdischer Displaced Persons von 1945-1951 in Bayerisch-Schwaben berichtet ein neues Buch. Die Beiträge des Bandes, die von der Befreiung aus den Konzentrationslagern bis hin zum Aufbau und Verwaltung der DP-Camps und der Unterbringung jüdischer Flüchtlinge in Privathäusern, erzählen, basieren auf Referaten der Fachtagung „Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben“ von 2009…

Rezension von Ramona Ambs

Ein „neues Blümchen“, das nun wieder in der „unreinen braunen Erde Deutschlands“ wächst, nannten die Redakteure die Geburt ihrer Zeitung „A Heim“. Die erste Ausgabe erschien am 19. Februar 1946 (18. Adar 5706) im DP-Lager Leipheim. „Mir welln lozn hern undzer sztim und wort“ – also Stimme und Wort wieder hören lassen, war ein großes Anliegen der Sche`erit Haplejta, der Überlebenden der Shoa. Die Sehnsucht nach Zeitungen, nach Schreiben und Lesen war übergroß. Bereits am 4. Mai 1945 erschien in Buchenwald als erste jüdische Zeitung nach der Shoa „Techia ha-metim“ (Auferstehung der Toten), die „der Anfang einer sich neu entwickelnden Presse“ sein wollte. Eine Presse, die würdig war, „die Fahne der jüdischen Kultur und des freien jüdischen Arbeiterwortes zu tragen“.

In nahezu jedem DP-Lager gab es eine eigene Lagerzeitung: Unzere Sztyme, Najer Moment, Unzer Mut oder auch einfach Jidisze Caitung lauteten die Namen der meist unter abenteuerlichsten Bedingungen hergestellten Presse-Erzeugnisse. Wie „A Heim“, wurden sie meist in jiddischer Sprache, aber mehrheitlich in lateinischer Schrift (in Ermangelung hebräischer Satzmaschinen) gedruckt. „Leider haben wir nicht die Möglichkeit unsere jüdischen Wörter in jüdische Buchstaben zu kleiden“ heißt es in der Erstausgabe von „A Heim“. Dennoch ist man allerorten stolz und froh, überhaupt wieder in der Lage zu sein, Zeitungen zu machen und zu lesen. So auch die Novemberausgabe von „A Heim“: „In der Wiederauflebung des jüdischen Volks sehen wir die größte Strafe unserer Gegner. Und daher rufen wir zum Verdruss und Schmerz unserer Feinde aus: WIR SIND DA UND WERDEN SEIN!“

Die Zeitungen erfüllten außerdem auch die Möglichkeit, dass sich Familienmitglieder untereinander wieder finden konnten. Unter dem Aufruf „Mir zuchn Krojwim – Di jidisze prese in ojsland wert gebetn ibercudrukn“ verbreiteten sich in den Zeitungen nach und nach Namen, Daten und Aufenthaltsorte der Überlebenden.

Doch nicht nur vom Zeitungswesen berichtet der Band „Nach der Shoa“, vielmehr belegt er, dass die DP-Camps dieser Region bisher, völlig zu Unrecht, nur als schlichte „Wartesäle“ wahrgenommen wurden. Das Buch zeigt das facettenreiche, alltägliche Leben in den Camps. Dazu gehörte nicht nur, wie bereits ausgeführt, ein eigenständiges Pressewesen, sondern vielmehr auch spontan gegründete Berufs-, Volks- und Religionsschulen, Theatergruppen und kulturelle Vereinigungen, wie die zahlreichen Bilder im Buch dokumentieren. Mitten im Land der Täter entwickelte sich eine demokratisch verfasste, unabhängige jüdische Gesellschaft auf Zeit.

Aber auch die negative Außenwahrnehmung der DPs wird anhand einiger Beispiele dokumentiert. „Wenn die Amerikaner einen neuen Antisemitismus großziehen wollen, brauchen sie nur noch einige solcher Lager wie Leipheim errichten … das Beste wäre es, man würde die Juden aus Deutschland entfernen“ wird ein Angestellter der Spruchkammer zitiert. In vielen Dokumenten wird der Antisemitismus der damaligen Bevölkerung überdeutlich.

Äußerungen, Unterlagen und Eintragungen, die vom Hass auf die Juden in den Lagern zeugen, verdeutlichen wie überaus anstrengend und zermürbend es gewesen sein muss, als Jude in diesen Camps nicht nur zu überleben, sondern auch tatsächlich zu leben. Es ist gut, dass endlich auch über dieses Leben erzählt wird.

Buchpräsentation:
7. November 2011, 19.00 Uhr, Israelitische Kultusgemeinde Augsburg
Halderstraße 6–8, 86150 Augsburg

Peter Fassl / Markwart Herzog / Jim G. Tobias (Hrsg.): Nach der Shoa. Jüdische Displaced Persons in Bayerisch-Schwaben 1945–1951, Uvk Verlagsgesellschaft 2011, 140 S., Euro 24,99, Bestellen?