- Bücher – nicht nur zum Judentum - http://buecher.hagalil.com -

Macht und Missbrauch

Vor wenigen Monaten erschien ein Buch, das sich laut Auskunft bayerischer Buchhändler selbst im erzkonservativen Niederbayern gut verkauft und das bereits seine dritte Auflage erlebt. Wilhelm Schlötterer klärt darin über Korruption und Machtmissbrauch in der bayerischen Regierung auf…

Von Robert Schlickewitz

Als "Paladine" (S. 180) bezeichnet der Autor jene karrierebewussten, skrupellosen, höheren Beamten, ohne deren willige Unterstützung Rechtsbeugung und Straftaten der Machtspitze nicht möglich gewesen wären. Überzeugend gibt er die geradezu nachfühlbare Angst höherer und niederer Chargen (S. 131, 172f, 244) vor den schamlos ihr Amt missbrauchenden und in ihrem persönlichen Umfeld Einschüchterungen wie Drohungen nicht scheuenden modernen weissblauen Potentaten wieder.

Wer ist Wilhelm Schlötterer?
Ein gebürtiger Regensburger, Jahrgang 1939, promovierter Jurist, ab 1968 in der bayerischen Finanzverwaltung tätig, später im Münchner Finanzministerium Leiter des Referates für Steuerfahndung, Steuerstrafrecht, Steuererlass, Abgabenordnung und Aussensteuerrecht sowie in anderen Referaten, ab 1998 Generalbevollmächtigter bei der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern, inzwischen pensioniert. Schlötterer ist verheiratet, seit über 30 Jahren CSU-Mitglied und lebt bei München.

Worum geht es ihm in erster Linie?
Um Steuerhinterziehung, Begünstigung, Bestechlichkeit, Korruption, also strafbare Handlungen, Verbrechen am Staat und gegenüber dem Bürger, ausserdem um Einschüchterung, um Bedrohung im Amt, um Behinderung von Karrieren standhafter, ehrlicher, anständig gebliebener Beamter sowie um die Demontage eines absolut ungerechtfertigten Strauss-Mythos" (S. 409ff u.a.) mit all dessen so typischen Begleiterscheinungen eines ebenso lächerlichen wie überflüssigen Personenkults, eines Personenkults wie wir ihn im "real existierenden Sozialismus" bereits bei Mao oder Enver Hoxha mit Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen oder belächelt haben.

Gegen wen konkret richtet sich Schlötterer?
Gegen die bayerischen Ministerpräsidenten Franz J. Strauss (1978-88), Max Streibl (1988-93), Edmund Stoiber (1993-2007), sowie weitere höhere Landespolitiker wie Gerold Tandler, Erwin Huber, Otto Wiesheu, Franz Heubl et alteri.

Aus welcher Perspektive berichtet Schlötterer?
Aus der des direkt Betroffenen. Er war es, der obwohl (CSU-)Parteimitglied, nicht bereit seinen Amtseid zu brechen und "Schweinereien" seiner Vorgesetzten zu decken oder gar mitzumachen; er war es, der jahrelange mutwillige Behinderung seines beruflichen Aufstiegs "von oben" hinnehmen und der viel Geld für Anwaltsgebühren aus eigener Tasche berappen musste, um sich sein Recht zu erkämpfen; er war es, der den Grössen der Partei bzw. den Protagonisten der Staatsmacht die Stirne bot und der mit seinem Verhalten ein, für bayerische Verhältnisse extrem seltenes, Beispiel echter Zivilcourage lieferte.

Hatte Schlötterer bei seinem Kampf gegen den offensichtlich übermächtigen Gegner auch Verbündete?
Ja, manche Medien (Süddeutsche Zeitung, Spiegel, Monitor; S. 398 u.a.) berichteten immer wieder über ihn, aber auch Oppositionspolitiker und Juristen, sowie einige Beamte, die sich ebenfalls nicht beugen (oder gar brechen) liessen, leisteten ihm zumindest moralischen Beistand.

Welche generellen Informationen entnimmt man seinem Buch?
Informationen, die kein gutes Licht auf die allgemeine politische Kultur in Bayern (und Deutschland) werfen und weitere, die den "mündigen" Bürger eher als ein gleichgültiges, desinteressiertes, passives "Stimmvieh" erscheinen lassen, denn als einen echten Souverän, der seine Rechte kennt und auch wahrnimmt.

Was erfahren wir über die prominentesten der politischen "Kriminellen in Nadelstreifen"?
Erfreulich offen berichtet der Autor u.a. über den korrupten deutschen Exkanzler Helmut Kohl (S. 353f) gegenüber dessen amoralischen "Leistungen" die entsprechenden Verfehlungen israelischer Politiker sich wie die sprichwörtlichen kleinen Fische ausnehmen, rein massemässig. Aber auch Franz J. Strauss kleckerte nicht, sondern klotzte ordentlich ran. Wie nur schaffte er es, als Politiker, seinen Kindern anscheinend eine knappe halbe Milliarde (nicht etwa nur eine halbe Million) zu hinterlassen (S. 143)! Und, um weiter auf dieser Ebene zu verweilen, wie laut wurde sich kürzlich erst über die halbseidenen Geschäfte der Söhne von Ariel Sharon entrüstet, besonders in deutschen Medien! Jedoch haben die nicht die geringste Chance, wollten sie sich je messen lassen an den bayerisch-banalen Strausskindern Max und Monika. Nicht für möglich gehaltene menschliche Niedertracht, unermessliche Geld-(oder Macht-)gier und immer wieder das Bedürfnis "an der Steuer und am Gesetz vorbei" zu lavieren, macht das heimisch-katholische Geschwisterpaar zu echten Königskindern ihrer Klasse (S. 400f u.a.).

Dass "Gottvater" Franz J. Strauss antisemitische Gesinnung zu bescheinigen ist, weiss die Welt spätestens seit 1969. Damals, kein Vierteljahrhundert nach der Shoa, glaubte der "christliche" Spitzenpolitiker, auf einer Welle allerschäbigsten Populismus" reitend, feststellen zu müssen: "Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen." Schlötterer "setzt" dem noch einen "drauf", indem er Strauss" Vorwurf an einen politischen Gegner von 1979 zitiert. Demnach beschuldigte der, inzwischen zum bayerischen Landesvater (Ministerpräsidenten) Gekürte, seinen Kontrahenten ihn "mit beinah alttestamentarischem Hass" (S. 117) zu verfolgen. Es sind jene subtilen, verhüllten, erst "auf den zweiten Blick" erkennbaren Untertöne, die erfahrungsgemäss den echten Antisemiten ausmachen. Und, dass solche Töne in der Christlich Sozialen Union nicht nur einmalig oder gar rein zufällig zu vernehmen waren, belegt uns der rezensierte Autor noch an einer weiteren Stelle. So erinnert er sich an ein Gespräch mit dem inzwischen abgehalfterten, ehemaligen bayerischen Finanzminister Erwin Huber, der gesagt habe: "" wir sollten bloss noch in die Zukunft schauen, das Vergangene ruhen lassen. Es gebe Menschen, die nur in die Vergangenheit blickten, ja, es gebe ganze Völker, die nur rückwärtsschauten. Das sei sehr schlecht." (S. 228)

Freundschaft mit Israelfeinden kann unter solchen Umständen wenig verwundern: Schlötterer spricht das freundschaftliche Einvernehmen von Strauss und seinem zunächst Adlatus, später, nach einem Interregnum Max Streibls, Nachfolger auf dem Ministerpräsidententhron, Edmund Stoiber, gegenüber ihrem gemeinsamen Begünstiger, dem Waffenschieber Dieter Holzer an. Dieser ist per Einheirat eng mit dem libanesischen Gemayel-Clan verbandelt. Über Waffengeschäfte mit jenem Levante-Land erfahren wir zwar konkret nichts, sie liegen aber bei den guten Beziehungen der beiden CSU-Spitzenpolitiker zur heimischen Rüstungsindustrie wohl auf der Hand. Über handfeste Geschäfte in dieser Branche mit dem Nahen Osten und unter Vermittlung Straussens klärt der Autor jedoch an anderer Stelle auf. Dabei spielt der "hochkriminelle syrische Waffenhändler" Monzer al-Kassar immer wieder eine herausragende Rolle (S. 148ff, 161).

Wer einmal das Museum der israelischen Luftwaffe in Hatzerim besucht hat, oder sich noch an den Aufbau der Israeli Air Force in den 1960er und frühen 1970er Jahren erinnern kann, weiss dass auch Israel damals deutsche Flugzeuge erhielt, Flugzeuge aus Bayern, deren Vermittlung sicher auch über Strauss gelaufen ist. Der bayerische Politiker kannte demnach absolut keine Skrupel und verkaufte wie ein Bauchladentandler wem auch immer. Der Hersteller jener Flugzeuge übrigens, ein gewisser Claude Dornier, war noch NSDAP-Mitglied sowie Wehrwirtschaftsführer gewesen und hatte auch jüdische Zwangsarbeiter gnadenlos in seinen über das Reich verteilten Produktionsstätten eingesetzt. ‚

Bisher galt Edmund Stoiber, bayerischer Ministerpräsident der Jahre 1993-2007, zuletzt bar jedweder Sympathien und auf einen EU-Posten abgeschoben, in weiten Kreisen Uneingeweihter als "clean", als ein Politiker, der sich tatsächlich nichts hatte zuschulden kommen lassen, bzw. als viel zu "schlauer Fuchs", als dass ihm etwa ein eifriger Journalist etwas hätte nachweisen können. Mit diesem Irrglauben hat zwar schon vor Jahren der Philosoph Herbert Huber auf seiner Webseite www.gavagai.de aufgeräumt, aber es hat eben nicht jeder in Bayern einen Internetanschluss und am Stammtisch war man sich dann doch wieder nicht einig, ob der einstige Landesvater tatsächlich so übel war; schliesslich hatte man sich doch schon so sehr an sein Gesicht und seine griesgrämige Art gewöhnt, dass man sich Bayern ohne ihn kaum noch vorstellen wollte. Schlötterer ergänzt Huber auf vielfältigste Weise und nach Lektüre seines Buches möchte sicher niemand mehr daran zweifeln, dass Strauss in Stoiber eine Beinaheentsprechung gefunden hat (S. 343, 373ff, 409f u.a.). Neu, aber wohl nicht gerade schockierend wird für viele sein, wenn sie erfahren, dass schon Stoibers Vater ein Krimineller war, dass Stoiber ebenfalls Ehebruch beging, und dass ein einfacher Bürger nur knapp an einer Beleidigungsklage vorbeischrammte, als er auf seinem Protestplakat Stoiber geduzt hatte ("Majestätsbeleidigung"). Von zahlreichen Fällen, in denen sich der Politiker seine Auslagen von "Freunden" hatte grosszügigst "versilbern" lassen, von Bespitzelungen seiner innerparteilichen Gegner, von einer bis ins Extrem gehenden menschlichen Falschheit sowie von einer der christlichen Ethik geradezu spottenden Rachsucht Stoibers weiss Schlötterer darüberhinaus noch zu berichten.

Kommt auch Franz J. Strauss" Wehrmachtszeit zur Sprache? Man hört doch immer wieder von Gerüchten, er sei bei der SS gewesen und hätte nach dem Krieg alle diesbezüglichen Spuren tilgen lassen. (Strauss war bei Kriegsende immerhin Dreissig und bei seinem Ehrgeiz bzw. bei seinem rücksichtslos auf den eigenen Vorteil ausgerichteten Charakter eine durchaus vorstellbare Episode seines Lebens.) Auch bei Schlötterer hierzu nichts Neues oder gar Belastendes. Zwar kommt er auf die Kriegszeit seines einstigen Oberchefs zu sprechen, jedoch nur in Zusammenhang mit der völlig absurden Partei-Idee, Strauss anlässlich der Bundestagswahl 1980 als (katholischen) "Widerstandkämpfer" (!), und damit als sozusagen gleichwertiges Pendant zu Willy Brandt, ins Rennen schicken zu wollen (S. 139).

Was erfahren wir bei Schlötterer über die CSU-Politiker der zweiten Riege und welche Informationen müssen wir uns eventuell woanders besorgen?
Sehr weise gefragt, denn der Autor behält tatsächlich gewisse, nun sagen wir mal, extrem belastende Daten und Fakten zu Leuten, die es verdienen würden, dass man sehr abfällig über sie spräche, für sich, wohl aus Parteisolidarität. Auf jeden Fall erfreulich, dass Schlötterer u.a. den CSU-Skandal-Hansel Otto Wiesheu nicht ausspart, weniger erfreulich freilich mutet an, dass er wichtige Details zu dessen Biografie nicht preisgeben mochte. Der Staatssekretär, dann Minister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, schliesslich Vorstand der Deutschen Bahn AG Wiesheu, seit 2004 auch Vorsitzender der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, damit ehrenwerter Nachfolger seines verunfallten Vorgängers Jürgen Möllemann (FDP), hat 1983 stark alkoholisiert (1, 69 Promille) auf der Autobahn mit überhöhter Geschwindigkeit einen Mann aus Polen totgefahren und einen weiteren schwerverletzt (Schlötterer, S. 370). Zu ergänzen wäre, dass der Mann Josef Rubinstein hiess und Überlebender des KZ Dachau war. Wiesheu erhielt für diesen Mord, denn, was anderes als Mord ist eine Trunkenheitsfahrt mit tödlichem Ausgang, eine Bewährungsstrafe von 12 Monaten sowie eine Geldstrafe über 20 000 DM. Anschliessend gelang ihm mit peinlich kurzem zeitlichen Anstandsabstand in Politik und Wirtschaft eine echte Bilderbuchkarriere, wenngleich eine, die ihm beständig beträchtliche Kritik eintrug.

Unter die hilfreiche Schar der hochangesehenen Strauss- und Stoiberfreunde fällt auch ein gewisser Otto Beisheim (S.350f, 355ff). Schlötterer hätte uns ruhig mitteilen können, dass dieser absolute Ehrenmann (Bundesverdienstkreuz, Bayerischer Verdienstorden) und Multimilliardär nicht nur Begründer der Metro-Kette sowie Inhaber u.a. des Media-Markt ist, sondern einmal Angehöriger der 1. SS-Panzerdivision Leibstandarte Adolf Hitler ("Unsere Ehre heisst Treue") war und im Jahre 2005 für viel Wind, böses Blut und enttäuschte Gesichter im Tegernseer Tal gesorgt hat ("Otto-Beisheim-Gymnasium", Tegernsee).
Ein ganz besonders zweifelhafter Zeitgenosse war gewiss auch Gerold Tandler. Dieser einstige Strauss-Amigo, CSU-Generalsekretär und auch mal bayerischer Innenminister stand häufig vor Gericht, u. a. wegen Steuerhinterziehung und uneidlicher Falschaussage; er konnte sich jedoch dank seiner Beziehungen stets mit, für seine Verhältnisse, geringfügigen Geldstrafen aus den Affären ziehen (S. 176, 184ff, 308). Nicht bei Schlötterer steht, dass Tandler darüberhinaus ein Gönner der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann war, jener Neonazigemeinschaft um den Schildermaler Karl-Heinz Hoffmann, deren Mitglied Gundolf Köhler im Jahre 1980 mit einer selbstgebastelten Bombe auf dem Münchner Oktoberfest ein Blutbad anrichtete. Ebenfalls auf anderweitige Auskünfte ist man angewiesen, wenn man etwas über Tandlers Rolle bei einem ganz besonders beschämenden Kapitel bundesrepublikanischer Minderheitengeschichte in Erfahrung bringen möchte, nämlich bei der Geschichte der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. Unvergessen bleibt die menschenverachtende Haltung des damaligen CSU-Innenministers, der lediglich auf deutschlandweiten und internationalen Druck hin zu einem Einlenken in seiner kompromisslosen "Zigeuner"-Politik zu bewegen war.

Immer noch sind etwa sieben von zwölfeinhalb Millionen Bayern Katholiken. Welche möglichen Querverbindungen zwischen katholischer Kirche und CSU stellt der Autor her?
Zunächst begegnet uns die "Alleinseligmachende" als in einem Abhängigkeitsverhältnis von Franz J. Strauss stehend bei einer Gerichtsverhandlung in den 1960er Jahren (S. 137). Wenige Seiten weiter (S. 141) und in Zusammenhang mit dessen zahlreichen und zum Teil abscheuerregenden Frauengeschichten ("siebzehnjährige Geliebte" etc.) führt Schlötterer den "Pflichtbesuch" des katholischen Politikers und seiner ihm frischangetrauten, gleichfalls katholischen Gattin Marianne 1957 beim Papst in Rom an. Das war damals noch der, bis heute in gewissen Kreisen in hohem Ansehen stehende, Pius XII., jener Pacelli-Papst, den die römischen Katholiken auf Geheiss ihres derzeitigen bayerischen Gebieters und mithilfe einer professionellen Publicity-Show ("Er hat nicht geschwiegen") erst kürzlich (2008/09) erneut reinzuwaschen trachteten. Schlötterer informiert auch noch über die streng religiöse Erziehung (Klostergymnasium Ettal) und das Ehrendoktorat der Theologie von Straussnachfolger (als Ministerpräsident) Max Streibl, dessen Laufbahn und Lebenswandel jedoch nichts Christliches an sich hatten. Ein echter Scheinchrist eben mit rein materialistischen Ambitionen und nicht mehr (S. 186 u.a.). Schliesslich ist noch von einem merkwürdigen Deal um ein Grundstück zwischen CSU und Kirchenableger Caritas die Rede (S. 249 u.a.).

Gibt es Anlass zu ernsthafter Kritik an Schlötterer?
Nicht wirklich. Nur erscheint des Autors Annahme, vor Strauss sei die (CSU-)Welt noch in Ordnung gewesen und die Politik in gerechten oder sogar in vorbildlich untadeligen Bahnen verlaufen (S. 410), als etwas "fadenscheinig". Auch unter Alfons Goppel und seinen Vorgängern haperte es bereits ganz beträchtlich am zwischenmenschlichen Gut Ehrlichkeit. Zwar, zugegeben, nicht in dem Masse wie später, jedoch können Überlebende der Shoa ein Lied davon singen (wenn sie noch leben), wie verlogen, wie ungerecht, wie unsensibel sie damals von Behörden und Gerichten behandelt wurden, wie wenig gerade "christliche" Politiker sich für ihre Belange interessierten, geschweige denn gar einsetzten. Und wir Nachgeborenen können nicht anders, als uns darüber zu wundern, wie etwa das die Gedenkkultur betreffende Erbe, wie KZ-Gedenkstätten, Mahnmale, sowie die ehrliche historische Aufarbeitung zum Beispiel der bayerischen Minderheitengeschichte, nur so vernachlässigt werden konnten wie unter Goppel und den Ministerpräsidenten vor ihm. Keine Initiative, keine Unterstützung, ja nicht einmal die Einsicht, dass sich hier massiv neues Unrecht zutrug (durch Verschweigen), war von der CSU zu erwarten. Erst als die Betroffenen selbst mobil machten, erst als sie von anderer Seite oder von aussen Solidarität und moralische Unterstützung signalisiert bekamen, erklärten sich die CSU-Saubermänner, allem Anschein nach allein aufgrund des öffentlichen Druckes, zu meist nur minimalen Massnahmen bereit, falls überhaupt.

Regt Schlötterers Buch zum Nachdenken an?
Unbedingt. Dem Rezensenten selbst kam zum Beispiel der Gedanke einmal auf breiter Ebene (etwa hier!) zur Diskussion aufzurufen, wie sinnvoll es etwa wäre, wenn, um gewisse Verfilzungen für die Zukunft, wenn schon nicht auszuschliessen, so doch zu behindern, die maximale Amtszeit eines bayerischen Ministerpräsidenten auf maximal zwei Wahlperioden beschränkt werden würde und ferner, ob es nicht angeraten wäre, die bayerische Verfassung dahingehend zu ändern, dass die kontrollierende Einflussnahme der Opposition bei Untersuchungsausschüssen nicht mehr per Mehrheitsbeschluss, wie bisher geschehen, "gekippt" werden kann.

Was vermisst man (ausser den schon genannten Nichtinformationen) in Schlötterers Buch?
Ein Personenregister wäre sehr hilfreich gewesen.

Welche Frage an Schlötterer bleibt nach Lektüre seines Buches offen?
Wie er nur, trotz allem, was er selbst erleben musste und bei seiner umfassenden Kenntnis der ungeheuren Schweinereien die mit CSU-Billigung oder auf CSU-Veranlassung geschahen (S. 245f, 404f u.a.) und offensichtlich immer noch geschehen (über Verhältnisse sowie fragwürdige Vorgänge unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer klärt Schlötterer ebenfalls auf: S. 204, 363, 402f, 405, 411), wie er nur unter diesen Umständen immer noch sein Parteibuch behalten kann.

Wilhelm Schlötterer: Macht und Missbrauch. Franz Josef Strauss und seine Nachfolger. Aufzeichnungen eines Ministerialbeamten.
Fackelträger Verlag, Köln 2009, dritte Auflage; 412 Seiten; 22,95 Euro. Bestellen?

Literatur:
Dornier, Claude. In: Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, (Hg.) Hermann Weiss, Frankfurt a. M. 2002
Daniel Petz und Karel Hellebrand, Israeli Aircrafts in detail, part one. Israel Air Force Museum at Hatzerim, Prag 2000
Robert Schlickewitz, Die ehrliche weissblaue Chronik. Zweitausend Jahre bayerischer Geschichte, unveröffentlicht (2006)
http://sachbuch.fackeltraeger-verlag.de >>Macht und Missbrauch (8/09)
http://www.gavagai.de >> Skandalpersonen der CSU, Literatur zur Absahnung, Korruption, Macht und Missbrauch in der Politik (8/09)