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Islamistischer Terror: Der Tod wird euch finden

Niemand hat die Vorgeschichte des 11. September 2001 bisher so umfassend geschildert wie der amerikanische Journalist Lawrence Wright. Im Mittelpunkt seines packenden Reports stehen Osama Bin Laden und dessen Nummer zwei, Aiman al-Sawahiri, der FBI-Mann John O’Neill und der ehemalige saudische Geheimdienstchef Turki al Faisal. Kunstvoll verknüpft Wright ihre Lebenswege zu einem detailreichen Gesamtbild der Ereignisse, Wendepunkte, Versäumnisse und Fehleinschätzungen, die den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon vorausgingen…

„Wo ihr auch sein möget, der Tod wird euch finden, und wäret ihr im hohen Turm.“ Dieses Zitat aus der vierten Sure des Korans gab Osama Bin Laden im Rahmen einer Video-Ansprache der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta mit auf den Weg zu den Anschlägen des 11. September 2001.

Die Vorgeschichte begann jedoch viel früher, nämlich 1948, als sich der islamistische Autor und Lehrer Sajid Qutb von Ägypten auf den Weg ins Exil in die Neue Welt begab und sich dort aufgrund der Enttäuschung der arabischen Welt über die amerikanische Unterstützung des Zionismus radikalisierte. Er trat angewidert von der Freizügigkeit und vom Rassismus in den USA zwei Jahre später die Heimreise an. Dort wurde er 1966 hingerichtet, nachdem er als Unterstützer der Moslembruderschaft in einen Staatsstreich und einer späteren Verschwörung gegen Nasser verwickelt war. Durch seinen Tod erlangte er Märtyrerstatus.

Qutbs Gedankengut, dargelegt in seiner Schrift „Wegzeichen“, gelangte über seinen Schüler und Anwalt Mahfous Assam direkt zu dessen Neffen Ajman al-Sawahiri, dem Gründer der Organisation al-Dschihad, späteren Chefideologen von al-Qaida und engen Vertrauten Osama Bin Ladens.

Bereits 1981 – der von den USA unterstützte Kampf der Mudschahidin gegen die sowjetischen Besatzer in Afghanistan war in vollem Gange – rückte Sawahiri die USA ins Fadenkreuz. Den afghanischen Dschihad sah er nur als Trainingsgelände für den eigentlichen Kampf. Bis zur Gründung al-Qaidas sollten aber noch sieben Jahre vergehen. Selbstmordanschläge wurden ab 1993 zum Merkmal der Terrororganisation.

Als Gegenspieler erscheinen der saudische Geheimdienstchef Prinz Turki al-Faisal, der erst die arabische Unterstützung gegen die Sowjets in Afghanistan koordinierte, dann aber, als sich die Islamisten immer stärker gegen das Regime der Saudis richteten, vergeblich versuchte die Auslieferung Bin Ladens von den Taliban zu erwirken und John O’Neill, der oberste Terroristenfahnder des FBI, der wenige Tage vor den Anschlägen des 11. September entnervt seinen Posten aufgab und dem klar war, dass in naher Zukunft etwas Schlimmes passieren würde. Er kam tragischerweise als neuer Chef des Sicherheitsdienstes des World Trade Centers während einer Rettungsaktion beim Einsturz des Südturmes ums Leben.

Lawrence Wright erzählt die Lebensgeschichte dieser Männer mit all ihren privaten und menschlichen Facetten, die mit den Ereignissen, welche zum grössten Terroranschlag auf die USA führten, eng verwoben waren und legt zugleich die geistigen Wurzeln der Terroristen dar. Dazu verwendete er umfangreiches Quellenmaterial, darunter auch einen grossen Teil arabische Literatur, und interviewte hunderte von Beteiligten aus aller Welt. Zu den im Anhang aufgeführten ca. 550 Interviewpartnern kommen noch eine Reihe von Personen, die anonym bleiben wollten.

Das Buch macht einmal mehr transparent, dass die Anschläge hätten verhindert werden können. Frühe Warnungen gab es bereits ab April 2001. Die unglaublichen Informationsblockaden der CIA gegenüber dem FBI sorgten dafür, dass die Agenten nicht im Vorfeld die vorhandenen Mosaiksteine nebeneinander legen konnten. Dazu kam die an diesem Thema absolut desinteressierte neue Regierung unter Präsident Bush. Eines wird dem Leser klar: eng verzahnte polizeiliche und geheimdienstliche Ermittlungen führen zu einer höheren Effektivität in der Bekämpfung des Terrors als das Führen sinnloser und kontraproduktiver Kriege.

Wer sich umfassend zur Vorgeschichte des 11. September informieren möchte, ist mit diesem faktenreichen und dennoch spannend geschriebenen Buch bestens bedient.

Einer der Protagonisten dieses Buches, Michael Scheuer, hat ein zorniges, emotionales Buch verfasst mit dem Titel „Marching Toward Hell“, das allerdings nicht auf Deutsch erschienen ist und einen mehr als zwiespältigen Eindruck hinterlässt (siehe meine Rezension).